Die Begleitung von Menschen mit Behinderung durch Assistenzhunde ist bereits durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen vom 2. Juni 2021 ergänzend im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) geregelt worden. Die dort aufgenommenen Vorschriften der §§ 12 e-l BGG sind zum 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat nun mit Wirkung zum 1. März 2023 eine ergänzende Assistenzhundeverordnung erlassen (Bundesgesetzblatt I 2022, Nr. 53 v. 22.12.2022).
I. Assistenzhunde
Der Begriff der Assistenzhunde ist in der Assistenzhundeverordnung näher geregelt. Allgemein unterscheidet man zwischen Führerhunden, Signalhunden, Anfallsassistenzhunden sowie weiteren Assistenzhundearten (siehe § 3 der Verordnung). Eine gesetzliche Definition findet sich im Übrigen ist § 12 e Abs. 3 BGG.
II. Benachteiligungsverbot
Das Zutrittsrecht mit Hunden zu allgemein zugänglichen Gebäuden, Anlagen und Einrichtungen wird in § 12 e Abs. 1 BGG geregelt. Unberechtigte Verweigerungen gelten als Benachteiligung im Sinne von § 7 Abs. 1 BGG. Hieraus können dann Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erwachsen (§ 15 AGG). Allerdings ist diese enge Rechtsfolge nur auf die ungerechtfertigte Verweigerung des Zutritts durch Träger der öffentlichen Gewalt beschränkt und betrifft (noch) nicht private Arbeitgeber.
III. Duldungspflicht im Arbeitsverhältnis?
Das Zutrittsrecht bezieht sich zunächst nur auf den Zutritt zu typischerweise für den allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglichen Gebäuden, Anlagen und Einrichtungen. Hierunter können auch Arbeitsplätze fallen, wenn sie unter diesen weiten Einrichtungsbegriff fallen. Es muss aber ein Arbeitsplatz sein, der dem allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglich ist.
Dies wird die große Anzahl von Arbeitsplätzen daher nicht betreffen. Dies bedeutet aber nicht, dass dort für Arbeitgeber keine Duldungspflicht besteht. Schon in der Begründung des Gesetzesentwurfes wird darauf hingewiesen, dass Arbeitgeber die Duldung von Assistenzhunden nur im Rahmen billigen Ermessens nach § 106 Satz 1 GewO verbieten dürfen. Dies ergibt sich aus § 106 Satz 3 GewO, wonach der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Ermessens auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen hat (siehe auch BT-Drs. 19/27400, S. 68). Dennoch gilt auch im Arbeitsverhältnis die allgemeine Beschränkung nach § 12 e Abs. 1 Satz 1 letzter Teilsatz BGG. Danach besteht keine Duldungspflicht, wenn der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen würde.
In der Literatur wird dabei zutreffend darauf hingewiesen, dass es ohnehin bei schwerbehinderten Menschen den zusätzlichen Schutz nach § 164 Abs. 2 SGB IX gibt. Menschen mit Behinderung dürfen nicht benachteiligt werden. Hieraus wird gefolgert, dass Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um Menschen mit Behinderungen nicht zu benachteiligen und ihnen die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. Auch hier greift der Überlastungsschutz, der aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom Arbeitgeber dargelegt und bewiesen werden muss (vgl. BAG v. 7.9.2021, 9 AZR 571/20).
Hinweis für die Praxis:
Verstöße gegen das SGB IX und damit eine unberechtigte Verweigerung des Zutritts zum Arbeitsplatz mit einem Assistenzhund können ebenfalls Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach § 15 AGG zur Folge haben. Düwell weist dabei darauf hin, dass Menschen mit Behinderung den Zutritt mit Assistenzhund auch gerichtlich durchsetzen können (Düwell, Mit Hund Zutritt zum Betrieb?, jurisPR-ArbR 7/2023 Anmerkung 1).
IV. Fazit
Menschen mit Behinderungen, die unter den Schutzbereich des SGB IX fallen, haben grundsätzlich das Recht, den Assistenzhund mit zum Arbeitsplatz zu nehmen und sich begleiten zu lassen. Arbeitgeber können diese Duldungspflicht nur dann verweigern, wenn sie eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darlegen können. Die unberechtigte Verweigerung kann Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche beinhalten. Die Ablehnung sollte daher wohl überlegt werden. Arbeitgeber sind dabei verpflichtet, Alternativen zu suchen, z.B. die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes oder aber andere Räumlichkeiten, in denen eine unbillige oder unverhältnismäßige Belastung reduziert bzw. ausgeschlossen werden kann. Der Arbeitgeber ist für die Ablehnung darlegungs- und beweisbelastet.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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