22.03.2023 -

Ausschluss aus dem Betriebsrat bei Neuwahlen nicht möglich!

Betriebsratsmitglieder können bei groben Verstößen gegen ihre gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden. Die Anforderungen sind hoch, aber nicht unmöglich. Das Landesarbeitsgericht Thüringen hat in einem aktuellen Beschluss klargestellt, dass sich ein solcher Ausschluss immer nur auf den aktuell gewählten Betriebsrat und seine Amtszeit beziehen kann (Thüringer Landesarbeitsgericht v. 14.4.2022, 2 TaBV 8/21). Die Entscheidung steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und macht einmal mehr deutlich, dass Verfahren nach § 23 BetrVG nur in seltenen Fällen aussichtsreich sind.

Die Anforderungen an einen Ausschluss aus dem Betriebsrat sind hoch, aber nicht unmöglich.
Die Anforderungen an einen Ausschluss aus dem Betriebsrat sind hoch, aber nicht unmöglich. (credit:adobestock)

Der Fall:

Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Für den Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

Der Arbeitgeber hat vor dem Arbeitsgericht mit Antrag vom 22. Dezember 2020 ein Verfahren zum Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem gewählten Betriebsrat eingeleitet. Das Arbeitsgericht hat in 1. Instanz dem Antrag auf Ausschluss stattgegeben und das betroffene Betriebsratsmitglied wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus dem Betriebsrat ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung insbesondere ausgeführt, der Betriebsrat habe gegen die Verpflichtung aus § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, Stillschweigen über die im Rahmen der personellen Maßnahmen bekannt gewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, zu bewahren, verstoßen.

Am 30. November 2021 fand eine Neuwahl des Betriebsrats statt. Das ausgeschlossene Betriebsratsmitglied wurde in dem neu gewählten Betriebsrat zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt.

Der Betriebsrat und das betroffene Betriebsratsmitglied sind der Auffassung, der Ausschluss aus dem Betriebsrat sei nicht gerechtfertigt. Schon aufgrund der Neuwahl des Betriebsrats fehle es am Rechtsschutzinteresse. Ein Betriebsratsmitglied könne nicht wegen etwaiger in der letzten Amtszeit begangener Pflichtverletzungen aus einem neu gewählten Betriebsrat ausgeschlossen werden.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat sich das Landesarbeitsgericht der Auffassung des Betriebsrats und des ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds angeschlossen und die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben.

I. Rechtsschutzinteresse

Das Rechtsschutzinteresse ist in jeder Lage des Verfahrens von den Gerichten zu prüfen. Es handelt sich um eine sogenannte Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts. Das Rechtsschutzinteresse fehlt immer dann, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung für die Beteiligten keine rechtliche Wirkung mehr entfalten kann.

So lag der Fall hier für die Entscheidung im Hinblick auf den alten Betriebsrat. Mit dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats kann sich ein Antrag auf Ausschluss des Mitglieds aus diesem vergangenen und nicht mehr im Amt befindlichen Betriebsrat nicht mehr auswirken, da der Beschluss nach § 23 Abs. 1 BetrVG keine Rückwirkung entfaltet, sondern nur für die Zukunft wirkt. Der Antrag wird daher mit Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats wegen des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig.

Hinweis für die Praxis:

Bei groben Verletzungen von Betriebsratsmitgliedern ist auf diese klare und eindeutige Rechtsprechung zu achten. Stehen Neuwahlen kurz bevor, ist ein Antrag nach § 23 BetrVG nicht mehr sinnvoll, da ab dem Zeitpunkt der Neuwahl das Rechtsschutzinteresse fehlt.

II. Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat?

Der Arbeitgeber ist berechtigt, nach § 23 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten zu beantragen. Eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten kann zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint.

Aber: Eine Pflichtverletzung, die während einer vorangegangenen Amtszeit des Betriebsrats begangen wurde, kann den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds zu dem neu gewählten Betriebsrat nicht rechtfertigen. Dies gilt sogar nach der Rechtsprechung unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung aus einer vorangegangenen Amtszeit Auswirkungen auf die neue Amtszeit haben kann.

Fazit:

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Thüringen steht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Verstöße eines Betriebsratsmitglieds beziehen sich nur auf die laufende Amtszeit. Kommt es zu Neuwahlen, fehlt einem Antrag auf Ausschluss bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Neuwahlen können dabei auch taktisch und vorzeitig durchgeführt werden. Tritt der Betriebsrat geschlossen zurück, müssen Neuwahlen durchgeführt werden. So haben Betriebsratsmitglieder und der Betriebsrat insgesamt sogar die Möglichkeit, Einfluss auf den Erfolg von solchen Verfahren zu nehmen.

Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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