14.05.2025 -

Wirksamkeit einer Ausschlussfrist: Nichtberücksichtigung von Ansprüchen nach der DSGVO?

Die Vereinbarung von Ausschlussfristen ist in Arbeitsverträgen sehr beliebt. Das LAG Hamburg hatte sich nun mit der sehr wichtigen Frage zu befassen, ob die Nichtberücksichtigung von Ansprüchen nach der DSGVO in einer Ausschlussklausel zur Unwirksamkeit der Ausschlussfrist führen kann.
Kann bei einem Arbeitsvertrag die Nichtberücksichtigung von Ansprüchen der DSGVO in einer Ausschlussfrist zur Unwirksamkeit der Ausschlussfrist führen (credits:adobestock).

Die Vereinbarung von Ausschlussfristen ist in Arbeitsverträgen sehr beliebt. Die dreijährige Verjährungsfrist kann so auf wenige Monate, üblicherweise sechs Monate, verkürzt werden. Umso wichtiger ist aber die Wirksamkeit solcher Ausschlussfristen. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an den genauen Inhalt. Das Landesarbeitsgericht Hamburg hatte sich nun mit der sehr wichtigen Frage zu befassen, ob die Nichtberücksichtigung von Ansprüchen nach der DSGVO in einer Ausschlussklausel zur Unwirksamkeit der Ausschlussfrist führen kann (LAG Hamburg v. 11.6.2024, 3 SLa 2/24). Wir möchten die wichtige Entscheidung für die Praxis besprechen.

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin war mit Arbeitsvertrag vom 23.01.2017 seit dem 1.4.2017 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Das Bruttomonatsentgelt betrug 3.850,00 €. Die Klägerin befand sich bis zum 12. August 2022 in einer dreijährigen Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zum 31.10.2022.

Zum Urlaub und zu den Ausschlussfristen heißt es in dem Arbeitsvertrag der Parteien u.a.:

§ 5 Urlaub

 (1) Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin richtet sich grundsätzlich nach dem Bundesurlaubsgesetz. Die Arbeitnehmerin erhält z. Zt. insgesamt einen Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen (gesetzlicher Mindesturlaub plus acht Tage vertraglichen Zusatzurlaub), bezogen auf eine 5-Tage-Arbeitswoche, ansonsten anteilig.

 (3) Der Urlaubsanspruch verfällt am Ende des Urlaubsjahres. Wird der Urlaub aufgrund dringender betrieblicher oder in der Person der Arbeitnehmerin liegender Gründe in das Folgejahr übertragen, so verfällt er, wenn er nicht bis zum 31.03. genommen worden ist. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub verfällt ausnahmsweise nicht, wenn und soweit gesetzliche Regelungen dem entgegenstehen.

 (4) Der vertragliche Zusatzurlaub mindert sich um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Entgelt bzw. Entgeltfortzahlung hat.

§ 13 Ausschlussfristen

(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich oder in Textform (§ 126 BGB) geltend gemacht werden.

(2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich erhoben wird.

(3) Diese Ausschlussklausel gilt nicht für Ansprüche, die auf eine Haftung wegen vorsätzlichen Handelns beruhen. Des Weiteren gilt diese Ausschlussklausel nicht für Ansprüche auf Vergütung der Arbeitsleistung In Höhe des jeweiligen gesetzlichen Mindestlohns.“

Zunächst stritten die Parteien über die Rechtmäßigkeit von mehreren Kündigungen. Mit Klageerweiterung vom 26.4.2023 begehrte die Klägerin erstmals die Zahlung einer Urlaubsabgeltung. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, sie könne auch während der dreijährigen Elternzeit die Zahlung von Urlaubsabgeltung, also für die Jahre 2022, 2021 und 2022 verlangen. Für das Jahr 2022 habe sie ebenfalls den vollen Urlaubsanspruch von 28 Tagen erworben, da sie erst in der zweiten Jahreshälfte ausgeschieden sei. Damit ergebe sich ein Abgeltungsanspruch für jedes Jahr in Höhe von 4.975,38 € brutto.

Der Arbeitgeber hat sich auf die vereinbarten Ausschlussfristen berufen. Die Arbeitnehmerin hätte ihre Ansprüche auf Urlaubsabgeltung spätestens zum 31.1.2023 geltend machen müssen, die Klageerweiterung sei aber erst am 26.4.2023 erfolgt.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Ansprüche aus diesem Grund abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung bestätigt.

I. Ausschlussfristen erfassten

Zunächst hat das Landesarbeitsgericht klargestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wie ein Zahlungsanspruch behandelt wird. Damit kann der Urlaubsabgeltungsanspruch einer Ausschlussfristenregelung unterfallen.

Hinweis für die Praxis:

Die Vereinbarung einer Ausschlussfrist ist generell zu empfehlen. Sie umfasst alle beiderseitigen Zahlungsansprüche nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Werden keine Ausschlussfristen vereinbart, greift die lange und dreijährige Verjährungsfrist nach dem BGB.

II. Inhalt einer Ausschlussfristenklausel

Ausschlussfristen unterliegen der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Es handelt sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu Vertragsbeginn und bei Abschluss des Vertrages stellt. Damit greift die AGB-Kontrolle.

Zu beachten ist daher insbesondere das Klauselverbot nach § 309 Nr. 7a und b BGB (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden). Diesem Klauselverbot könnte § 13 Abs. 3 des Arbeitsvertrages entgegenstehen. Dies könnte wiederum zur Unwirksamkeit der gesamten Ausschlussfristenregelung führen.

Das Bundesarbeitsgericht hat aber klargestellt, dass die Beschränkung in einer Ausschlussklausel lediglich auf die Haftung wegen vorsätzlichen Handelns unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht zur Unwirksamkeit der Verfallklausel führt.

Hinweis für die Praxis:

Damit müssen Ansprüche wegen grob fahrlässigen Pflichtverletzungen oder wegen einer fahrlässigen Pflichtverletzung nicht zusätzlich in eine Ausschlussfrist übernommen werden, wenn jedenfalls die Ansprüche wegen vorsätzlichen Handelns klar ausgenommen sind. Das entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

III. Intransparenz wegen zwingender kollektiver Normen?

Die Klägerin hatte sich weiter darauf berufen, die Klausel im Arbeitsvertrag sei intransparent, weil sie auch tarifliche Ansprüche und Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen oder Ansprüche auf branchenspezifische Mindestlöhne erfasse. Auch dieses Argument hat das Landesarbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abgelehnt. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirkten keine Kollektivnormen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein. Damit konnten auch keine Nachteile für die Klägerin entstehen. Im Hinblick darauf war daher der Arbeitgeber nicht gehalten, Ausschlussfristen auf eine unmittelbare und zwingende Wirkung von Kollektivnormen einschränkend zu formulieren.

Hinweis für die Praxis:

Dies gilt auch für den Verweis und die Ausnahme auf branchenspezifische Mindestlöhne. Für die Klägerin kam die Geltung eines branchenspezifischen Mindestlohnes nicht in Betracht. Daher musste die Ausschlussfrist auch nicht entsprechend formuliert werden.

IV. Nichtberücksichtigung von Ansprüchen nach der DSGVO?

Problematischer war hier die Frage nach den Ansprüchen aus der DSGVO. Der Wortlaut der Klausel erfasst auch Ansprüche nach Art. 82 DSGVO. Die DSGVO trifft aber keine Aussage zur Disposivität der in der DSGVO niedergelegten Betroffenenrechte. Es ist daher unklar, ob Arbeitsvertragsparteien in einer Ausschlussfrist solche Ansprüche ausnehmen dürfen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist dies in der Umsetzung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese sind gehalten, die entsprechenden Verfahrensmodalitäten auszugestalten, die den Schutz der einzelnen Arbeitnehmer aus dem Unionsrecht gewährleisten. Dabei dürfen die getroffenen Regelungen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (sogenannter Äquivalenzgrundsatz). Die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte darf zudem nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (sogenannter Effektivitätsgrundsatz).

Das ist aber bei Ausschlussfristen gewährleistet. Diese betreffen gerade nicht den Inhalt eines Anspruchs, sondern regeln nur den Fortbestand eines bereits entstandenen Rechts. Damit werden die Ansprüche und deren Entstehung nicht von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht. Die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität bleiben gewahrt. Aus diesem Grund hat das Landesarbeitsgericht die Ausschlussfrist, die auch Ansprüche aus der DSGVO erfassen kann, dennoch für wirksam gehalten.

Hinweis für die Praxis:

Im vorliegenden Fall kam es letztlich hierauf ohnehin nicht an, da die Ausschlussfrist bereits im Jahre 2017 vereinbart wurde. Die DSGVO ist aber erst zum 25.5.2018 in Kraft getreten. Schon aus diesem Grund konnte und musste die vertragliche Regelung aus Januar 2017 mögliche Ansprüche nicht ausdrücklich ausnehmen.

Fazit:

Wir können der Praxis nur dringend empfehlen, neue Arbeitsverträge stets auf die Wirksamkeit der Ausschlussfristen nach aktueller Rechtsprechung zu prüfen und ggf. zu aktualisieren. Kleine Fehler in der Formulierung können auf die gesamte Klausel durchschlagen und zu deren Unwirksamkeit führen! Dann greift hilfsweise nur noch die dreijährige Verjährungsfrist. Das vorliegende Verfahren ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig (Az. 9 AZR 152/24), da die Rechtsfrage zur DSGVO bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist. Wir werden über die weitere Entwicklung der Rechtsprechung berichten. 


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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