29.06.2023 -
Erforderliche Reisekosten für den Betriebsrat muss der  Arbeitgeber erstatten. Dies sagt das Betriebsverfassungsgesetz...
Aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergibt sich, dass den Betriebsratsmitgliedern erforderliche Reisekosten vom Arbeitgeber zu erstatten sind (credits:adobestock).

Erforderliche Reisekosten für Betriebsratsmitglieder müssen vom Arbeitgeber erstattet werden. Das ist selbstverständlich und ergibt sich unmittelbar aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Gerade bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern werden aber häufig Pauschallösungen vereinbart, um die Abläufe zu vereinbaren. Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Grundsätze dazu präzisiert und wir möchten daher die Entscheidung hier besprechen (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss v. 28.7.2022 – 6 TaBVGa 4/22).

Der Fall (verkürzt):

Der Arbeitgeber hatte sich mit dem Gesamtbetriebsrat in einer Gesamtbetriebsvereinbarung wie folgt für die zu 100 % freigestellten Betriebsratsmitglieder gemäß § 38 BetrVG (Optionen nach der Wahl des Betriebsratsmitglieds) verständigt:

„Option 1: Der Arbeitgeber stellt dem Betriebsratsmitglied eine Bahncard 100, 2. Klasse, zur Verfügung. Im Gegenzug verzichtet das Betriebsratsmitglied auf die Geltendmachung von weiteren Fahrtkosten über den Arbeitgeber.

Option 2: Der Arbeitgeber übernimmt die tatsächlich entstandenen Reisekosten des Betriebsmitglieds gegen Vorlage …“

Der Betriebsratsvorsitzende wählte daraufhin die Option 1. Der Arbeitgeber stellte jedoch eine Bahncard 100 nicht zur Verfügung. Er berief sich dabei auf das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot. Die gesamte Vereinbarung stehe unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit. Aus diesem Gesichtspunkt komme eine Bahncard 100 für den Betriebsratsvorsitzenden nicht in Frage, weil die tatsächlich entstehenden Reisekosten nicht annähernd die Kosten der Bahncard erreichen würden.

Der Betriebsrat hat daraufhin im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt, den Arbeitgeber zu verpflichten, dem Vorsitzenden eine Bahncard 100, 2. Klasse, zur Verfügung zu stellen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag wegen fehlender Eilbedürftigkeit zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts voll bestätigt.

I. Eilbedürftigkeit

Einstweilige Verfügungsverfahren benötigen neben einem so genannten Verfügungsanspruch, der Grundlage für den Rechtsanspruch sein muss, auch einen sogenannten Verfügungsgrund. Der Verfügungsgrund bezieht sich auf das Erfordernis der Eilbedürftigkeit. Die Durchsetzung des Anspruches im einstweiligen Verfügungsverfahren muss also so dringend und eilbedürftig sein, dass sie vorläufig durchgesetzt werden kann. Dies gilt nur, wenn dadurch dauerhafte Rechtsnachteile, die man bei einem weiteren Zuwarten hätte, tatsächlich verhindert werden könne.

Mit anderen Worten: Ein Verfügungsgrund bzw. eine Eilbedürftigkeit sind nur dann gegeben, wenn es dem Betriebsrat nicht zuzumuten ist, den Abschluss des regulären Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

II. Hier: Keine unzumutbaren Nachteile und keine Eilbedürftigkeit!

Das Landesarbeitsgericht hat drohende Nachteile aus mehreren Gründen abgelehnt.

1. Der Betriebsratsvorsitzende kann die Reisen durchführen, ohne dafür sein eigenes Geld einzusetzen, in dem er frühzeitig bei dem Arbeitgeber das Verfahren der sogenannten Travel Sheets in Betrieb nutzen kann.

2. In den Monaten Juni, Juli und August 2022 stand für den Nahverkehr das 9-Euro-Ticket zur Verfügung. Für das Landesarbeitsgericht war nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber die Erstattung eines solchen Tickets abgelehnt hätte.

3. Der Betriebsrat konnte keinen einzigen Fall nennen, in dem eine Reise zu einem auswärtigen Termin als nicht erforderlich erachtet worden wäre. Insoweit musste der Vorsitzende nicht befürchten, eine Erstattung nicht zu erhalten.

Hinweis für die Praxis:

Damit waren für den Betriebsrat keine wesentlichen Nachteile ersichtlich. Das Landesarbeitsgericht hat klargestellt, dass das Begehren des Betriebsrates nicht eiliger ist als das Begehren anderer Betriebsräte oder sogar die Begehren rechtssuchender Bürger, die sich bei der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens ebenfalls gedulden müssen. Allein das Interesse an einer schnellen Entscheidung begründete nicht die Eilbedürftigkeit und die Durchsetzung eines Anspruches im Wege der einstweiligen Verfügung.

Fazit

Zwischen den Betriebspartnern kann es immer wieder zu Streit über die Frage komme, welche Reisekosten notwendig und erforderlich sind. Allgemeine Grundsätze und Vereinbarungen, wie sie hier in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen waren, sind daher durchaus zu begrüßen. Dies vereinfacht die Abläufe, gerade in größeren Betrieben und alle Beteiligten haben Klarheit darüber, was erstattet wird und was nicht. Dennoch dürfen mit konkreten Regelungen die allgemeinen Grundsätze der Betriebsverfassung nicht verschlechtert werden. Im vorliegenden Fall war der Wortlaut der Gesamtbetriebsvereinbarung unklar formuliert, denn der Betriebsratsvorsitzende hatte zwei Optionen zur Auswahl. Das von dem Arbeitgeber benannte „Gebot der Wirtschaftlichkeit“ war so nicht aufgenommen. Der Praxis ist daher zu empfehlen, sich über die Voraussetzungen von Pauschallösungen genaue Gedanken zu machen und die beiderseitigen Interessen schriftlich zu regeln.

Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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