23.08.2023 -

Verletzung der Schriftform bei vorzeitiger Arbeitsaufnahme eines befristeten Arbeitsvertrages?

Bei der Befristung unterliegen nur die Elemente der Schriftform, die den Endtermin benennen oder ihn bestimmbar machen.
Bei der Befristung unterliegen nur die Elemente der Schriftform, die den Endtermin benennen oder ihn bestimmbar machen (credits:adobestock).

Befristete Arbeitsverträge unterliegen bekanntlich der strengen Schriftform des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Jeder Verstoß gegen das Schriftformerfordernis führt zur Unwirksamkeit der Befristung! Das Thüringer Landesarbeitsgericht hatte jetzt eine interessante Fallkonstellation, die in der Praxis häufig vorkommt, zu entscheiden (Thüringer Landesarbeitsgericht v. 21.6.2022, 1 Sa 115/21).

In dem Fall ging es um die Frage, ob die vorzeitige Arbeitsaufnahme bei einem bereits befristeten Arbeitsvertrag ebenfalls dem strengen Schriftformgebot des TzBfG unterliegt oder aber auch eine mündliche Vereinbarung über die vorzeitige Arbeitsaufnahme ausreichend ist.

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer hat sich im März 2019 bei dem beklagten Arbeitgeber als Kassierer beworben. Noch im April unterzeichneten die Vertragsparteien einen Arbeitsvertrag. Zur Vertragsdauer ist auf S. 1 Folgendes bestimmt:

§ 1 Tätigkeit, Vertragsdauer

(1) Der Arbeitnehmer wird als Kassierer im Südbad für den Zeitraum vom 15. Mai 2019 bis zum 30. September 2019 befristet eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der vereinbarten Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

…“

Im Anschluss einigten sich dann die Vertragsparteien ausschließlich mündlich auf einen früheren Arbeitsbeginn. Hierzu übersandte der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eine veränderte erste Seite zum Arbeitsvertrag mit nachfolgender Mitteilung:

„Hallo Herr A…, anbei die geänderte 1. Seite ihres Vertrages, wo wir das Startdatum wie besprochen ausgetauscht haben. Die „alte“ 1. Seite bitte zurück zu mir!“

Der Kläger sandte allerdings die erste Seite nicht zurück, nahm aber seine Tätigkeit wie vereinbart früher am 4. Mai 2019 auf.

Zum Ende des Arbeitsvertrages machte er die Unwirksamkeit der Befristung geltend. Die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag genüge nicht dem Schriftformgebot des TzBfG, da der Arbeitsvertrag die Arbeitsaufnahme auf den 15. Mai 2019 datiert habe, er aber die Arbeit bereits am 4. Mai 2019 aufgenommen habe.

Das Arbeitsgericht hat die Befristungsklage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Thüringer Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Schriftform nur für Endtermin

Die maßgebliche Vorschrift für die Schriftform findet sich in § 14 Abs. 4 TzBfG. Nach dieser Vorschrift bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die Vorschrift benannt aber nicht die hier vorliegende Thematik und sagt auch nichts über die Frage, welche Termine der Schriftform unterliegen. Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung bezweckt die Befristungsform eine Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion. Sie erstreckt sich allein auf die vereinbarte Befristung, nicht aber auf den Befristungsgrund und den übrigen Inhalt des Arbeitsvertrages.

Damit unterliegen nur die Elemente der Schriftform, die den Endtermin benennen oder ihn bestimmbar machen. Denn mit der in § 14 Abs. 4 TzBfG angeordneten Schriftform soll dem Arbeitnehmer deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Arbeitsverhältnis, anders als bei dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages, mit der Vereinbarung der Befristung zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch enden wird und daher keine dauerhafte Existenzgrundlage bilden kann.

Hinweis für die Praxis:

Aus diesem Grund ist bei einer Zweckbefristung auch der Vertragszweck zusätzlich schriftlich zu vereinbaren. Denn bei einer Zweckbefristung ist der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis enden soll, nicht von vornherein bestimmt, sondern nur durch den Vertragszweck bzw. mit Hilfe des für die Zweckbefristung maßgeblichen Ereignisses bestimmbar. Damit tritt die Bezeichnung des Vertragszwecks an die Stelle der Datumsangabe oder der Zeitangabe bei der Befristung.

II. Frühere Arbeit bedingt keine formbedürftige Verlängerung der Laufzeit

Die Vorverlegung des Arbeitsbeginns stellt auch keine formbedürftige Verlängerung der Laufzeit dar. Dies gilt immer dann, wenn der zuvor bereits vereinbarte Endtermin schriftlich fixiert war und mit der vorzeitigen Arbeitsaufnahme keine gleichzeitige Veränderung dieses Endtermins einhergeht. So lag der Fall hier, denn der ursprüngliche Endtermin, der 30. September 2019, wurde nicht verändert und auch durch die vorzeitige Arbeitsaufnahme nicht berührt.

Fazit:

Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht sich zu dieser Frage äußert. Dort ist das Verfahren aktuell unter dem Aktenzeichen 7 AZR 300/22 anhängig. Im Übrigen ändert die Entscheidung natürlich nichts an möglichen anderen Unwirksamkeitsgründen. Wird z.B. durch die Vorverlegung des Anfangstermins bei einer sachgrundlosen Befristung die zulässige Höchstdauer von maximal zwei Jahren überschritten, kann sich daraus eine unwirksame Befristung ergeben. Auch muss die Schriftform stets vor Arbeitsbeginn eingehalten sein. Auch hier kann sich durch die Vorverlegung ein Unwirksamkeitsgrund ergeben. Wir können daher nur dringend empfehlen, bei der Vereinbarung von befristeten Arbeitsverträgen auf alle Formalia streng zu achten.

Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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