07.08.2024 -
Es kommt immer wieder zu Streit über die Frage, ob der Arbeitgeber ohne Weiteres verpflichtet ist, jedem Betriebsratsmitglied ein Notebook zur Durchführung dieser Videokonferenzen zur Verfügung zu stellen.
Zur Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz muss der Arbeitgeber jedem Betriebsratsmitglied ein Notebook zur Verfügung stellen (credits: adobestock).

Betriebsräte erbringen ihre Arbeitsleistung im Betrieb. Dort werden regelmäßig auch die Betriebsratssitzungen durchgeführt. Der Gesetzgeber hat aber im Jahre 2021 die Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenzen ausdrücklich geregelt, § 30 Abs. 2 BetrVG (Siehe ausführlich zum neuen Betriebsrätemodernisierungsgesetz Nicolai Besgen, Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz – Neue Regelungen und Praxishinweise, B+P Heft 9/2021). Auf Basis dieser Vorschrift kommt es immer wieder zu Streit über die Frage, ob der Arbeitgeber ohne Weiteres verpflichtet ist, jedem Betriebsratsmitglied ein passendes Tablet oder Notebook zur Durchführung dieser Videokonferenzen zur Verfügung zu stellen. Das Landesarbeitsgericht München hat diesen Anspruch in einem aktuellen Beschluss bejaht (LAG München v. 7.12.2023, 2 TaBV 31/23).

Der Fall:

Der beteiligte Arbeitgeber ist ein bundesweit tätiges Unternehmen im Textileinzelhandel mit zahlreichen Filialen.

In der Filiale Z. ist ein dreiköpfiger Betriebsrat gebildet. Das Betriebsratsbüro befindet sich im selben Gebäude und ist mit einem stationären PC ohne Kamera und Lautsprecher -/Mikrofunktion sowie mit Internetanschluss und einem Drucker und einem Telefon ausgestattet. Die ordentlichen Sitzungen des Betriebsrats finden jede Woche statt. An diesen Tagen werden die Betriebsratsmitglieder im Dienstplan üblicherweise gleichzeitig eingeplant.

Der Betriebsrat hat sich eine neue Geschäftsordnung gegeben. In dieser ist die Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz ausführlich geregelt.

Der Betriebsrat hat einen Anspruch auf die Durchführung von Telefon- und Videokonferenzen geltend gemacht und vom Arbeitgeber daher die Anschaffung von drei Tablets oder Notebooks verlangt. Der Arbeitgeber hat dies abgelehnt. Die beantragte mobile technische Ausstattung sei nicht erforderlich. Für die wöchentlichen Betriebsratssitzungen sei die Notwendigkeit einer Videokonferenz von vornherein schon nicht gegeben, weil die drei Betriebsratsmitglieder an diesen Tagen jeweils regelmäßig zur Arbeitstätigkeit eingeteilt seien und unproblematisch das Betriebsratsbüro nutzen könnten.

Das Arbeitsgericht hat in 1. Instanz den Antrag des Betriebsrats abgelehnt.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht einen Anspruch bejaht.

I. Videokonferenzen für den Betriebsrat

Im Rahmen der Neuregelung des § 30 BetrVG hat der Gesetzgeber § 30 BetrVG um die Absätze 2 und 3 erweitert. Die Vorschrift hat nun insgesamt folgenden Wortlaut:

(1) Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Der Betriebsrat hat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitgeber ist vom Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. Die Sitzungen des Betriebsrats sind nicht öffentlich. 5Sie finden als Präsenzsitzung statt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 5 kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn

1. die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,

2. nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und

3. sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

2Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.

(3) Erfolgt die Betriebsratssitzung mit der zusätzlichen Möglichkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz, gilt auch eine Teilnahme vor Ort als erforderlich.

Hinweis für die Praxis:

Nach dem durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz neu geschaffenen § 30 BetrVG darf die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz also nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen hierfür in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind, nicht mindestens ¼ der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die Geschäftsordnung des Betriebsrats hat im vorliegenden Fall diese drei Voraussetzungen erfüllt.

II. Volle Kostentragungspflicht des Arbeitgebers!

Das Landesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die vorgenannten Voraussetzungen unmittelbar zu einem Anspruch des Betriebsrats führen. Weitere Anforderungen dürfen nicht gestellt werden. Ob und wie Betriebsratssitzungen virtuell stattfinden, ist nach der neuen Konzeption des § 30 BetrVG eine Frage, die der Betriebsrat im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben allein entscheidet.

Daher greift für die Kostentragungspflicht unmittelbar § 40 Abs. 2 BetrVG:

Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber im erforderlichen Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber darf also einen Anspruch nicht ablehnen, wenn der Betriebsrat die Geschäftsordnung ergänzt hat und die entsprechenden weiteren Voraussetzungen vorliegen. Der Arbeitgeber muss also die erforderliche Technik zur Verfügung stellen, um die Durchführung von virtuellen Betriebsratssitzungen zu gewährleisten. Dies kann auch dazu führen, dass Betriebsräte aus dem Homeoffice diese Betriebsratssitzungen durchführen, selbst wenn nicht ausdrücklich Homeoffice vereinbart ist. Die Rechtslage ist eindeutig.

Fazit:

Der Arbeitgeber darf die Geschäftsordnung im Hinblick darauf überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 30 BetrVG vorliegen. Ist dies aber der Fall, bestehen keine weiteren Ablehnungsgründe mehr. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, jedem einzelnen Betriebsratsmitglied die erforderliche Technik zur Verfügung zu stellen. Allerdings hat kein Betriebsrat einen Anspruch darauf, ein bestimmtes Modell eines bestimmten Herstellers zu verlangen. Der Ausstattungsanspruch besteht nur im Rahmen des Erforderlichen. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, darüber zu entscheiden, welches Fabrikat er dem Betriebsrat zur Verfügung stellt (vgl. dazu auch LAG Köln v. 24.6.2022, 9 TaBV 52/21).


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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