14.06.2023 -

Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz: Anspruch des Betriebsrats auf die erforderliche Technik

Der Arbeitgeber muss Betriebsräten die erforderliche Technik für Videokonferenzen zur Verfügung stellen, um die Durchführung von virtuellen Betriebsratssitzungen zu gewährleisten.
Der Arbeitgeber muss Betriebsräten die erforderliche Technik für Videokonferenzen zur Verfügung stellen, um die Durchführung von virtuellen Betriebsratssitzungen zu gewährleisten (credits:adobestock).

Im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes hat der Gesetzgeber die Durchführung von Sitzungen im Rahmen von Videokonferenzen nunmehr ausdrücklich in § 30 Abs. 2 BetrVG zugelassen (Siehe ausführlich zum neuen Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Nicolai Besgen, Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz – Neue Regelungen und Praxishinweise, B+P Heft 9/ 2021). Die Vorschrift des § 30 Abs. 2 BetrVG regelt jetzt die möglichen Ausnahmen und legt die Voraussetzungen für eine Video- und Telefonkonferenz fest. Wie verhält es sich aber mit der dazu erforderlichen Technik? Das Hessische Landesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass zur Durchführung von virtuellen Betriebsratssitzungen vom Arbeitgeber die notwendige Technik zur Verfügung gestellt werden muss (Hessisches Landesarbeitsgericht v. 14.3.2022, 16 TaBV 143/21). Wir möchten hier die wichtige Entscheidung und ihre Auswirkungen besprechen.

Der Fall:

Der Arbeitgeber betreibt ein bundesweit tätiges Unternehmen im Textileinzelhandel mit 70 Filialen in Deutschland und derzeit etwa 3.500 Mitarbeitern. Die Filialen haben jeweils einzelne Betriebsräte.

Der Betriebsrat der Filiale in W. besteht aus drei Mitgliedern. Das Betriebsratsbüro ist mit einem stationären Computer ausgestattet.

Der Betriebsrat hat im April 2021 die Einleitung eines Beschlussverfahrens beschlossen, um die Bereitstellung von drei Tablets oder Laptops zu erreichen. In der Sitzung vom 16. Juli 2021 hat der Betriebsrat eine Geschäftsordnung zu der Thematik beschlossen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das Hessische Landesarbeitsgericht den Anspruch des Betriebsrats bestätigt.

I. Virtuelle Betriebsratssitzungen

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist am 18. Juni 2021 in Kraft getreten. Die Vorschrift zu Betriebsratssitzungen in § 30 BetrVG wurde um die Absätze 2 und 3 erweitert. Die Vorschrift hat jetzt insgesamt folgenden Wortlaut:

„(1) 1Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. 2Der Betriebsrat hat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. 3Der Arbeitgeber ist vom Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. 4Die Sitzungen des Betriebsrats sind nicht öffentlich. 5Sie finden als Präsenzsitzung statt.

(2) 1Abweichend von Absatz 1 Satz 5 kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn

1. die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,

2. nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und

3. sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

2Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.

(3) Erfolgt die Betriebsratssitzung mit der zusätzlichen Möglichkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz, gilt auch eine Teilnahme vor Ort als erforderlich.

Hinweis für die Praxis:

Die Geschäftsordnung muss also im Einzelnen die Voraussetzungen für die Durchführung einer Video- und/oder Telefonkonferenz nach Maßgabe des § 30 Abs. 2 festlegen. Im vorliegenden Fall hatte sich der Betriebsrat eine entsprechende Geschäftsordnung gegeben. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG lagen also vor.

II. Kostentragungspflicht des Arbeitgebers?

Die neue Regelung des § 30 BetrVG befasst sich nur mit der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung. Zur Kostentragungspflicht wird dort nichts ausgeführt. Damit gilt allgemein die Grundregelung des § 40 Abs. 2 BetrVG. Diese hat folgenden Wortlaut:

„Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber im erforderlichen Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.“

Der Betriebsrat benötigt also die erforderliche Technik, um Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen. Der Arbeitgeber darf sich daher nicht auf Gründe für die Ablehnung beziehen, die einen solchen Anspruch verhindern. Die Verteidigung des Arbeitgebers im vorliegenden Fall, Betriebsräte würden dann gegenüber anderen Arbeitnehmern begünstigt, die keinen Anspruch auf Homeoffice hätten, greifen nicht durch. Auch die Kostentragung, die dadurch für den Arbeitgeber verbunden ist, zählt nicht. Vielmehr muss der Arbeitgeber die erforderliche Technik zur Verfügung stellen, um die Durchführung von virtuellen Betriebsratssitzungen zu gewährleisten.

Hinweis für die Praxis:

Der Anspruch auf Video- und Telefonkonferenzen ist nun gesetzlich ausdrücklich geregelt. Damit ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderliche Technik nach § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung zu stellen. Ablehnungsgründe bestehen nur im Rahmen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG. Hat der Betriebsrat aber in einer Geschäftsordnung, wie es hier der Fall war, alle notwendigen Voraussetzungen geregelt, bestehen keine Ablehnungsgründe für den Arbeitgeber, Kosten im erforderlichen Umfang zu tragen.

Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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