27.03.2024 -
Die Unterscheidung zwischen einem Betriebsübergang und einem Anteilserwerb (Share deal) war erneut Gegenstand einer Entscheidung des LAG Rheinland Pfalz.
Das LAG Rheinland-Pfalz hat in seinem aktuellen Urteil die bisherige Rechtsprechung bestätigt, wie die Abgrenzung zwischen einem Betriebsübergang und einem reinen Anteilserwerb zu erfolgen hat (credits: adobestock).

Der Betriebsübergang ist bekanntlich in § 613a BGB geregelt. Danach liegt ein Betriebsübergang vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Der Betriebsübergang ist hingegen von dem reinen Anteilserwerb (share deal) abzugrenzen. Ein solcher Anteilserwerb führt nicht zu einem Betriebsübergang. Erforderlich ist vielmehr der Übergang von assets (asset deal). Das Landearbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat diese Rechtsprechung in einem aktuellen Urteil bestätigt (LAG Rheinland-Pfalz v. 22.2.2023, 6 Sa 131/22).

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Unternehmen als Sales Manager seit April 2013 beschäftigt. Das monatliche Einkommen betrug 12.083,45 € brutto. Der Arbeitgeber firmierte zum Zeitpunkt seiner Einstellung unter Y.

Alleinige Gesellschafterin der Y. war die Y. limited. Deren Geschäftsanteile wurden im Februar 2021 von der X. erworben. Diese wiederum firmierte seit März 2021 unter W. Im Juni 2021 wurde die Firma des Klägers, also der bisherigen Y., im Handelsregister bei gleichbleibendem Sitz unter C. eingetragen. Die C. ist Beklagte des Rechtsstreits.

Der Kläger erhielt im Juli 2021 von der C. die ordentliche Kündigung. Bei der C. handelt es sich um einen Kleinbetrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes, wie auch schon zuvor die Y.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Im Juni 2021 sei es zu einem Betriebsübergang von der Y. auf die Beklagte C. gekommen. Die Kündigung beruhe hierauf. Er sei über den Betriebsübergang auch nicht ordnungsgemäß informiert worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Kündigung sei nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, weil ein Betriebsübergang mangels Wechsels der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers nicht vorliege. Ein Gesellschafterwechsel begründe noch keinen Betriebsübergang.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat in der Berufung die Begründung und das Urteil des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Betriebsübergang erfordert Wechsel der Rechtspersönlichkeit

Maßgeblich für einen Betriebsübergang ist stets der Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers. Bleibt das Rechtsobjekt des Betriebsinhabers identisch, fehlt es an einem Betriebsübergang. Damit berührt auch ein Wechsel der Gesellschafter die Identität der Gesellschaft als Rechtsobjekt nicht, so dass allein der Gesellschafterwechsel zu keinem Betriebsübergang führt. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der bloße Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen und die Ausübung von Herrschaftsmacht über dieses Unternehmen durch ein anderes Unternehmen genügen nicht für die Annahme eines Übergangs von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen. Ein Übergang im Sinne der zugrundeliegenden Betriebsübergangsrichtlinie erfordert eine Übernahme durch einen „neuen“ Arbeitgeber. Dies gilt auch für die auf der Richtlinie beruhende Bestimmung des § 613a BGB.

II. Bloße Umfirmierung reicht nicht aus

Der Arbeitgeber hatte sich im vorliegenden Fall im Juni 2021 vor Ausspruch der Kündigung umfirmiert. Eine derartige bloße Umfirmierung erfüllt aber die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im Sinne des § 613a BGB mangels Wechsels des Betriebsinhabers ebenfalls nicht. Auch hier gilt, dass der bloße Erwerb der Gesellschaftsanteile durch die X. einen Betriebsübergang nicht begründen kann. Auch soweit sich der Kläger im vorliegenden Fall auf die offizielle „Begrüßung“ der Arbeitnehmer seines Arbeitgebers durch die Muttergesellschaft der neuen Gesellschafterin beruft, ändert dies nichts an den gesellschaftsrechtlichen Strukturen. Ein Wechsel in der Rechtspersönlichkeit der Beklagten ist nicht eingetreten.

Fazit:

Ein Betriebsübergang fordert den Wechsel des Arbeitgebers. Bleibt das Rechtsobjekt und damit die Identität der Gesellschaft erhalten und ändern sich nur die Gesellschaftsanteile, bleibt das Rechtsobjekt als solches im Sinne des § 613a BGB unverändert. Ein Betriebsübergang liegt dann nicht vor.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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