– Kommentierung mit ausführlicher Checkliste –

BFH zur Erbschaftsteuer: Ein Rentenanspruch aus einer Stiftung kann erbschaftsteuerlich als Schenkung auf den Todesfall eingeordnet werden.
Der BFH hat ein neues Urteil zur Erbschaftsteuer erlassen. Gegenstand waren Rentenzahlungen aus ausländischen Stiftungen. Neben der Darstellung des relevanten Urteils finden Sie sich am Ende der Meldung eine praxisnahe Checkliste für Steuerberater (credits: adobestock).

1. Sachverhalt: Rentenanspruch aus einer liechtensteinischen Familienstiftung

Die Klägerin, eine in Deutschland ansässige Tochter der im Jahr 2015 verstorbenen Erblasserin, bezog lebenslange Rentenzahlungen aus einer von der Mutter 1990 gegründeten liechtensteinischen Stiftung. Die Stiftung verfolgte den Zweck, Familienangehörige wirtschaftlich zu fördern. Während die Erblasserin zu Lebzeiten Alleinbegünstigte war, sahen die Beistatuten vor, dass nach ihrem Tod die Klägerin eine lebenslange jährliche Rente in Schweizer Franken erhält. Nach dem Ableben beider sollten die Mittel gemeinnützigen Zwecken zufließen.

Änderung der Stiftungsregelungen:

  • 2008: Präzisierung der Nachfolgebegünstigung.
  • 2009: Festlegung halbjährlicher Auszahlungstermine.
  • 2010: Beginn der Rentenzahlungen noch zu Lebzeiten der Erblasserin (diese unterlagen der Schenkungsteuer).

Nach dem Tod der Mutter setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer zunächst erklärungsgemäß fest, änderte jedoch später den Bescheid. Es qualifizierte die Rentenansprüche der Klägerin als steuerpflichtigen Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (Vertrag zugunsten Dritter) und kapitalisierte den Rentenanspruch mit einem Vervielfältiger gemäß § 14 BewG.

Die Klägerin legte Einspruch ein und klagte gegen den geänderten Steuerbescheid.

2. Entscheidung des Finanzgerichts Köln

Das Finanzgericht Köln gab der Klage statt (Urteil vom 06.09.2022, 7 K 2720/20). Es lehnte eine Steuerpflicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 ErbStG ab:

  • Kein Erwerb von Todes wegen: Nach liechtensteinischem Stiftungsrecht seien die Rechte nicht vererblich. Die Stiftung sei mit Tod der Erblasserin intransparent geworden, der Mandatsvertrag mit dem Stiftungsrat endete.
  • Kein Vertrag zugunsten Dritter: Die Stiftungssatzung sei kein zweiseitiges Rechtsgeschäft.

3. Entscheidungsgründe des BFH (Urteil vom 11.12.2024, II R 50/22)

Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zurück. Zwar verneinte auch der BFH die Voraussetzungen der vom Finanzamt angenommenen Tatbestände, stellte jedoch einen alternativen möglichen Besteuerungstatbestand in den Raum:

a. Schenkung auf den Todesfall gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 2301 BGB

„Eine Schenkung auf den Todesfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG ist ein Schenkungsversprechen unter der Bedingung, dass der Beschenkte den Schenker überlebt.“

Der BFH sieht Anhaltspunkte für eine solche Schenkung auf den Todesfall:

  • Das Rentenversprechen könnte als einseitiges, bedingtes Schenkungsversprechen der Erblasserin interpretiert werden.
  • Ein solches Versprechen bedarf keiner bestimmten Form, wenn es vollzogen wurde (§ 518 Abs. 2 BGB).
  • Die Stiftung war verpflichtet, die Zahlung mit dem Tod der Stifterin aufzunehmen.

Das Finanzgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei dem Rentenversprechen um eine Schenkung auf den Todesfall handelte. Dies sei nun nachzuholen.

b. Kein Erwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder Vermächtnis

„Die Klägerin erhielt die Rentenzahlungen nach dem Tod der Erblasserin somit nicht aus dem Nachlass, sondern originär aus einem eigenen Anspruch gegen die Stiftung.“

Der BFH bestätigt die Sichtweise des FG, dass das Stiftungsvermögen mit dem Tod der Stifterin intransparent wurde – eine Vererbung oder vermächtnisweise Zuwendung sei daher ausgeschlossen.

c. Kein Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG)

„Weder das Stiftungsstatut noch das Beistatut stellen einen Vertrag dar.“

  • Der Begriff des Vertrags sei eng auszulegen.
  • Ein Stiftungsgeschäft als einseitige Willenserklärung genüge nicht.
  • Eine Analogie komme im Erbschaftsteuerrecht nicht in Betracht.

d. Eventuell Schenkung während der Stiftungsbestehens (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG)

Zwar nicht Streitgegenstand des Verfahrens, aber vom BFH vorsorglich angesprochen:

Die laufenden Rentenzahlungen könnten als Zuwendung während der „Zwischenberechtigung“ der Klägerin anzusehen sein.

Diese würden dann nicht aus dem Nachlass, sondern aus der laufenden Vermögensertragsausschüttung erfolgen.

4. Leitsätze und Kernaussagen des Urteils

„Ein Stiftungsstatut, das nach dem Tod des Stifters einem Dritten Ansprüche auf Rentenzahlungen aus dem Stiftungsvermögen gewährt, kann in Bezug auf das Rentenstammrecht als Schenkung auf den Todesfall zu qualifizieren sein.“

„Ein Stiftungsgeschäft ist kein Vertrag im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.“

„Der Begriff ‚Vertrag‘ in § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist eng auszulegen und erfordert ein zweiseitiges Rechtsgeschäft.“

5. Einordnung und praktische Relevanz: Erbschaftsteuer

Dieses Urteil hat Bedeutung für die erbschaftsteuerliche Behandlung von Leistungen aus ausländischen Stiftungen:

a. Vorsicht bei Stiftungsversprechen

Stiftungsmodelle, die Angehörigen wiederkehrende Leistungen nach dem Tod des Stifters versprechen, können als Schenkung auf den Todesfall besteuert werden auch wenn sie nicht aus dem Nachlass stammen.

b. Bedeutung des Stiftungsrechts und des Erbstatuts

Ob deutsches oder ausländisches Erbrecht zur Anwendung kommt, ist für die Besteuerung maßgeblich. Der internationale Kontext hier das liechtensteinische Stiftungsrecht erschwert die steuerliche Einordnung erheblich.

c. Rentenansprüche aus Stiftung als gesonderter Erwerb

Werden Begünstigte erst mit dem Tod des Stifters anspruchsberechtigt, liegt kein Erwerb im Rahmen einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses vor. Stattdessen ist eine eigenständige Bewertung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG geboten.

Fazit: Klarstellung und neue Prüfmaßstäbe bei Stiftungserwerben

Ein Rentenanspruch aus einer Stiftung kann erbschaftsteuerlich als Schenkung auf den Todesfall eingeordnet werden, jedoch nicht als Vertrag zugunsten Dritter. Steuerpflichtige müssen künftig noch genauer prüfen lassen, ob sie durch Stiftungsgestaltungen steuerpflichtige Erwerbe auslösen. Für Berater steigt die Verantwortung bei der Strukturierung von Nachfolgemodellen mit internationalen Stiftungselementen.


Checkliste für Steuerberater: Rentenzahlungen aus ausländischen Stiftungen

1. Stiftungskonzept und Rechtslage analysieren

  • Rechtsform und Sitz der Stiftung prüfen (z. B. liechtensteinische Stiftung?).
  • Geltendes Stiftungsrecht und Erbstatut klären (z. B. deutsches oder ausländisches Erbrecht nach Art. 25 EGBGB, EU-ErbVO).
  • Transparenzstatus der Stiftung zum Zeitpunkt des Erbfalls feststellen (transparent oder intransparent?).

2. Struktur und Form der Begünstigung prüfen

  • Ist der Rentenanspruch durch Stiftungssatzung/Beistatuten geregelt?
  • Beginn der Zahlung: bereits zu Lebzeiten oder erst mit dem Tod des Stifters?
  • Konditionen: feste Zahlung, bedingt (z. B. Bedürftigkeit), widerruflich?

3. Mögliche steuerliche Erwerbstatbestände differenziert prüfen

  • Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG)
  • Gesamtrechtsnachfolge (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG) prüfen: nur möglich, wenn Anspruch im Nachlass enthalten.
  • Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ErbStG) prüfen: setzt Belastung des Erben oder eines Vermächtnisnehmers voraus.
  • Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) prüfen:
  • Liegt ein Schenkungsversprechen mit Überlebensbedingung vor?
  • Wurde das Versprechen durch Eintritt des Todes vollzogen?
  • Liegt eine konkludente oder stillschweigende Annahme nach dem Tod vor?
  • Vertrag zugunsten Dritter (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG):
  • Nur bei zweiseitigem Vertrag mit empfangsbedürftigen Willenserklärungen!
  • Einseitiges Stiftungsgeschäft reicht nicht aus.

4. Bewertung und Besteuerung des Rentenanspruchs vorbereiten

  • Jahreswert der Rente in Euro berechnen.
  • Kapitalisierungsfaktor gemäß § 14 BewG anwenden (unter Berücksichtigung des Alters und der Lebenswahrscheinlichkeit).
  • Vorerwerbe berücksichtigen (§ 14 ErbStG).
  • Steuerklasse und Freibeträge anwenden (z. B. § 15 ErbStG  Tochter = Steuerklasse I).

5. Dokumentation und Beweissicherung

  • Stiftungssatzung und Beistatuten vollständig dokumentieren.
  • Alle Änderungen und Ergänzungen chronologisch aufbereiten.
  • Nachweise über Auszahlungen sichern (z. B. Kontoauszüge, Mitteilungen der Stiftung).
  • Schriftliche Stellungnahme zu Einordnung und steuerlichen Folgen erstellen

6. Mandantenberatung und Gestaltungshinweise

  • Mandanten frühzeitig über mögliche Steuerpflichten informieren.
  • Gestaltung von Stiftungen möglichst transparent und rechtskonform planen.
  • Auf rechtssichere Trennung zwischen Schenkungen zu Lebzeiten und postmortalen Ansprüchen achten.
  • Erbschaftsteuerliche Risiken dokumentieren und Beratung dokumentieren (z. B. in Nachlasskonzepten, Erbverträgen, Stiftungsvorhaben).

Autor: StB & RA Andreas Jahn

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