31.01.2024 -

Unterrichtungsrechte des Betriebsrates bei der Einführung von Desksharing?

Die Einführung von Desksharing ist betriebsverfassungsrechtlich kein eigenständiger Mitbestimmungstatbestand. Maßgeblich sind daher die konkrete Ausgestaltung dieser Einführung und die Frage, ob im Rahmen dieser Ausgestaltung dann Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates betroffen sind. Das Sächsische Landesarbeitsgericht hatte in einem aktuellen Beschluss nun zu klären, ob die Einführung von Desksharing ein Unterrichtungsrecht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG auslöst.
Die Einführung von Desksharing ist betriebsverfassungsrechtlich kein eigenständiger Mitbestimmungstatbestand. Je nach konkreter Ausgestaltung der Einführung können jedoch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats betroffen sein (credits:adobestock).

Die Einführung von Desksharing ist betriebsverfassungsrechtlich kein eigenständiger Mitbestimmungstatbestand. Maßgeblich sind daher die konkrete Ausgestaltung dieser Einführung und die Frage, ob im Rahmen dieser Ausgestaltung dann Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates betroffen sind. So kann z.B. die Belegung von Arbeitsplätzen durch die Einführung von Softwareanwendungen zu einer Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG führen. Denkbar ist weiter eine Beteiligung des Betriebsrats im Rahmen von Versetzungen nach § 99 BetrVG. Das Sächsische Landesarbeitsgericht hatte in einem aktuellen Beschluss nun zu klären, ob die Einführung von Desksharing ein Unterrichtungsrecht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG auslöst, also bei der Planung von Arbeitsplätzen (Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss v. 10.1.2023, 2 TaBV 1/21). Wir möchten die Kernaussagen der Entscheidung hier vorstellen.

Der Fall (verkürzt):

Der Sachverhalt und Verfahrensablauf ist hier sehr speziell und nicht von allgemeinem Interesse. Wir beschränken uns daher bei der Darstellung auf die Tatsachen, die für ein Verständnis des Falls von Bedeutung sind.

Der Betriebsrat macht seine Informationsrechte bei Raumplanungen und Zuweisungen von Arbeitsplätzen geltend. Das Unternehmen erbringt Serviceleistungen für Privat- und Geschäftskunden auf dem Gebiet der Telekommunikation. Es werden ca. 1.700 Mitarbeiter beschäftigt.

Das Unternehmen erstellt selbst keine Raumpläne. Vielmehr werden die Büroräume vollständig ausgestattet angemietet.

Dabei werden die Gebäude nicht nur von dem konkreten Betrieb genutzt, sondern auch von Mitarbeitern unterschiedlicher Konzerneinheiten. Dies gilt für die Nutzung größerer Büroflächen, in denen zahlreiche Arbeitnehmer unterschiedlicher Konzerneinheiten in einem Raum sitzen und arbeiten. Die Räume sind in der Regel in Teamzonen unterteilt, baulich aber nicht abgegrenzt. Meetingräume, Teeküchen oder Sanitäreinrichtungen werden ggf. betriebsübergreifend von allen gemeinsam genutzt.

Während der Corona-Pandemie hat das Unternehmen Raumpläne zur Umsetzung eines Hygienekonzeptes umgesetzt. Der Betriebsrat hat dazu geltend gemacht, er müsse nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG unterrichtet werden. Die Planung von Arbeitsplätzen beziehe sich auch auf die neue Belegung in den einzelnen Räumen der Standorte. Insbesondere weil es für die Mitarbeiter keine festen Arbeitsplätze gebe, sondern ein Desksharing gelebt werde. Daher müsse der Betriebsrat insbesondere über die Planung der Raumbesetzung informiert werden.

Der Arbeitgeber hat dagegen behauptet, die Vorschrift des § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG setze voraus, dass Arbeitsplätze „geplant“ werden. Dies sei aber nicht der Fall, wenn lediglich örtliche Veränderungen anstünden, die nicht mit einer Planung einhergingen, weil die Arbeitsplätze bereits bestehen und nur Mitarbeiter – einzeln oder in Gruppen – in diese bereits bestehenden Strukturen (anders als bisher) integriert werden.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrates, gerichtet auf Unterlassung von Umzügen von Arbeitsplätzen ohne Beteiligung des Betriebsrates, abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen teilweise stattgegeben.

I. Planung von Arbeitsplätzen

Der Wortlaut des § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG betrifft zunächst nur die „Planung der Arbeitsplätze“. Diese Planung erfasst die Marko- wie die Mikroplanung, d.h. sowohl die Planung auf Betriebs- oder Betriebsbereichsebene als auch die Ablauf- oder Gestaltungsplanung am Arbeitsplatz oder zwischen mehreren Arbeitsplätzen. Planung ist ein kontinuierlicher Prozess. Bei einer Änderung der unternehmerischen Vorgaben müssen Entscheidungsschritte unter Umständen mehrfach durchlaufen werden. Daraus folgt das Erfordernis einer laufenden Unterrichtung, vor allem, wenn Planungsvorstellungen wechseln oder Entscheidungen für die weitere Planung zu treffen sind.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitsplatz ist dabei nicht nur räumlich zu verstehen, sondern erfasst werden auch die Anordnung der Arbeitsmittel und der Einfluss der Arbeitsumgebung auf die arbeitstechnische Erbringung der Arbeitsleistung.

II. Gestaltung der Arbeitsplätze

Jede Planung, die sich auf die arbeitstechnische Gestaltung des Arbeitsplatzes und seiner Umgebung bezieht, fällt nach Auffassung des LAG unter den in § 90 Abs. 1 Nr. 4 genannten Tatbestand. Hierher gehören beispielsweise die Einrichtung eines Großraumbüros, der Raumbedarf beim Arbeiten, der von der Arbeitssituation abhängt, die Arbeitssitze und die Stühle, die Höhe der Arbeitsfläche beim Stehen und Sitzen, der Greifraum bei Bedienung einer Maschine, vor allem auch Klima, Lärm und Licht am Arbeitsplatz sowie die Gestaltung der Hilfsmittel, derer sich der Arbeitnehmer zu bedienen hat, um seine Arbeitsleistung zu erbringen. Zu dieser Gestaltung gehört auch jeder Einsatz von Informationstechnologie, die sich auf die Arbeitssituation des Arbeitnehmers wahrnehmbar auswirkt.

III. Zuweisung von Mitarbeitern als Raumplanung?

Die gesetzliche Konzeption des § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG geht also zunächst davon aus, dass Arbeitsplätze, soweit sie einmal eingerichtet sind, nur als solche verändert werden. Eine Veränderung der „Raumplanung“ durch Zuweisung der Mitarbeiter zu einzelnen Arbeitsplätzen oder in bestimmten Arbeitsbereichen hat die Regelung nach ihrem Wortlaut nicht im Blick. Nach Auffassung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts kann die Planung aber nicht losgelöst von der Anzahl der Arbeitnehmer erfolgen, die einen vorhandenen Raum nutzen sollen. Das LAG legt daher § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG so aus, dass die Zuweisung von Mitarbeitern zu bestehenden Arbeitsplätzen auch dann umfasst ist, wenn hierdurch beispielsweise die Desksharing-Quote betroffen ist oder sich insgesamt eine Überbelegung des Raumes ergeben kann. Denn das Unterrichtungsrecht betrifft auch die Organisation im Sinne der Bereitstellung von Arbeitsplätzen.

Hinweise für die Praxis:

Das Gericht sah sich zu dieser Auffassung im vorliegenden Fall besonders deshalb gestärkt, weil die Strukturen des Konzerns geeignet waren, unbeabsichtigt dazu zu führen, dass der Raumbedarf nicht ausreichend berücksichtigt werden konnte. So wurden Personalverwaltung einerseits und Raumverwaltung andererseits getrennt geplant. Damit war nicht sichergestellt, dass beide ausreichend ineinandergreifen. Dem Betriebsrat sollte daher nach Auffassung des LAG eine Kontrolle ermöglicht werden.

Fazit:

Das LAG hat im konkreten Fall ein Unterrichtungsrecht des Betriebsrats nach § 90 Abs. 1 Nr. BetrVG im Hinblick auf die Zuordnung von Arbeitnehmern im Rahmen des Desksharingsmodells bejaht. Ausschlaggebend war aber auch, dass die Raumplanung konzernübergreifend erfolgte. Im Grundsatz gilt weiterhin, dass allein die Zuweisung von Mitarbeitern zu bereits bestehenden Arbeitsplätzen nicht dem Unterrichtungsrecht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG unterfällt. Nur in Kombination und nur in der hier gegebenen Fallkonstellation besteht ein Unterrichtungsrecht.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen