03.05.2023 -

Stellenausschreibung und Suche nach „coolen Typen“ bei Bewerbung von transsexuellen Personen als Diskriminierung?

Handelt es sich bei der Suche nach „coolen Typen“ in einer Stellenausschreibung um eine Diskriminierung von transsexuellen Personen?
Handelt es sich bei der Suche nach „coolen Typen“ in einer Stellenausschreibung um eine Diskriminierung von transsexuellen Personen? (credits:adobestock).

Immer wieder kommt es zu Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren. Vor allem geht es dabei um die Diskriminierungsmerkmale des Alters, des Geschlechts und der sexuellen Identität. Das Arbeitsgericht Koblenz hatte nun einen Fall zu entscheiden, in dem der Arbeitgeber im Rahmen der Stellenausschreibung nach „coolen Typen“ suchte und die Stellenausschreibung auch rein männlich formuliert war. Beworben hatte sich eine Person, die aus biologischer Sicht zwar dem männlichen Geschlecht angehörte, sich jedoch diesem Geschlecht nicht mehr zugehörig fühlte. Das Arbeitsgericht hat eine Diskriminierung bejaht und sogar darüber hinaus noch wegen der unberechtigten Weiterleitung der Stellenanzeige einen zusätzlichen Anspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts bejaht (ArbG Koblenz v. 9.2.2022, 7 Ca 2291/21).

Der Fall:

Die Klägerin, die ihrem biologischen Geschlecht nach ein Mann ist, betreute zunächst als selbständige Handwerkerin für den Bereich Elektrotechnik das Haus einer Kundin. In diesem Haus war auch gleichzeitig ein Handwerksbetrieb für Heizung und Sanitär tätig. Dieser Handwerksbetrieb veröffentlichte im Internet eine Stellenanzeige mit folgendem Wortlaut:

Wir suchen coole Typen – Anlagenmechaniker – Bauhelfer …“

Hierauf bewarb sich die Klägerin per E-Mail. Die Bewerbung war mit folgender Schlussklausel formuliert:

Freundliche Grüße

Frau Markus…

Der E-Mail waren verschiedene weitere Bewerbungsunterlagen beigefügt. Der Geschäftsführer des beklagten Handwerkerbetriebes leitete die Bewerbung noch am selben Tage an die gemeinsame Kundin per WhatsApp weiter, versehen mit der Anmerkung „was läuft da nur falsch“ sowie einem Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln.

Die Klägerin fühlt sich durch die Stellenausschreibung wegen ihres Alters und ihrer sexuellen Identität diskriminiert. Sie vertritt die Ansicht, in der Wendung „coole Typen“ komme zum Ausdruck, dass der Beklagte lediglich junges Personal suche. Es werden auch nur junge Männer beschäftigt. Auch die maskuline Form der Stellenanzeige mache deutlich, dass in der Anzeige ausschließlich Männer gesucht werden.

Auch wenn sie persönlich die biologischen Geschlechtsmerkmale eines Mannes aufweise, fühle sie sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Daher werde sie durch die Stellenanzeige diskriminiert.

Sie begehrte daher eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern. Zusätzlich verlangte sie eine Entschädigung für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts, weil der Beklagte ihre Bewerbung an eine dritte Person ohne ihre Zustimmung, versehen mit einem abfälligen Kommentar, weitergeleitete hatte.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht hat beide Entschädigungsansprüche zugestanden.

I. Keine Diskriminierung wegen des Alters

Das Arbeitsgericht hat zunächst eine Altersdiskriminierung abgelehnt. Der Arbeitgeber suche zwar in der Stellenausschreibung „coole“ Typen. Dem lässt sich aber noch nicht entnehmen, dass ausschließlich junge Bewerber mit jungem Alter gesucht werden. Bei dem Wort „cool“ handelt es sich um einen mittlerweile eingebürgerten und in der allgemeinen Kommunikation geprägten Begriff, der weder ausschließlich oder typischerweise nur von jüngeren Personen genutzt oder angewendet wird. Der Begriff weist daher einen Altersbezug nicht auf. Insoweit ist es auch unerheblich, ob der Arbeitgeber in seinem Betrieb nur „junge“ Arbeitnehmer beschäftigt.

II. Benachteiligung wegen des Geschlechts

In der Stellenausschreibung werden ausschließlich „Anlagenmechaniker“ und „Bauhelfer“ gesucht. Damit wird ebenfalls ausschließlich nur die maskuline Form verwendet. Eine solche geschlechtsspezifische Formulierung begründet ein Indiz für eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung im Sinne des AGG.

Der Begriff „coole Typen“ ist zwar für sich genommen neutral und geschlechtsunspezifisch. In der Kombination mit den maskulinen Formen „Anlagenmechaniker“ und „Bauhelfer“ liegt allerdings auch die Verwendung des Begriffs „Typ“ nahe, dass der Arbeitgeber tatsächlich männliche Typen sucht.

Hinweis für die Praxis:

Bewerbungen sind immer neutral mit dem Zusatz „m/w/d“ auszuschreiben und zu formulieren. Wird nur ein Geschlecht angesprochen, handelt es sich um eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung und damit liegen Indizien für eine Diskriminierung vor. Stellenausschreibungen sind daher stets genau auf ihre Formulierungen zu prüfen.

III. Biologisches Geschlecht maßgeblich?

Der Arbeitgeber hatte nun in dem Verfahren eingewandt, dass es sich bei der Bewerberin biologisch um einen Mann handele und die nur an Männer gerichtete Stellenanzeige sie daher nicht diskriminieren könne. Auch dem hat das Arbeitsgericht aber eine Absage erteilt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung versteht das Antidiskriminierungsrecht das Geschlecht nicht als allein biologisch determiniert, sondern als soziale Konvention, deren primäre Aufgabe darin besteht, jeder Person ihr „So-Sein“ zu ermöglichen und ihre Lebensentscheidung zu sichern, unabhängig davon, welches Geschlecht sie hat oder welches Geschlecht ihr zugeschrieben wird.

Hinweis für die Praxis:

Das Diskriminierungsverbot schützt die autonome Entscheidung einer Person, eine für ihre geschlechtliche Identität zentrale Weichenstellung treffen zu können, ohne dafür soziale Sanktionen erdulden zu müssen. Damit stellt die Ungleichbehandlung einer transsexuellen Person wegen ihrer Transsexualität eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und ihrer sexuellen Identität dar.

IV. Datenschutzverletzung!

Der Arbeitgeber hatte zudem die Bewerbung ohne Einverständnis der Bewerberin an eine dritte Person, hier die gemeinsame Kundin, mit abfälligen Bemerkungen weitergeleitet. Darin liegt eine Persönlichkeitsrechts- und Datenschutzverletzung. Diesen Verstoß hat das Arbeitsgericht mit einem Betrag von 1.000,00 € zusätzlich sanktioniert.

Fazit:

Bewerbungsverfahren sind diskriminierungsfrei durchzuführen. Bewerbungsunterlagen sind vertraulich zu behandeln. Verstöße führen zu nicht unerheblichen Entschädigungsansprüchen der diskriminierten Bewerber. Auf die Durchführung eines diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens ist daher besondere Sorgfalt zu verwenden.

Autor: Nicolai Besgen

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