25.10.2023 -

Kein Hinweis auf dreiwöchige Klagefrist nach Nachweisgesetz: Unwirksamkeit der Kündigung?

Das LAG Hamm hatte zu entscheiden, ob es zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen kann, wenn der nach dem Nachweisgesetz erforderliche Hinweis auf die dreiwöchige Kündigungsfrist nach § 4 KSchG unterbleibt.
Verstöße gegen die nach dem Nachweisgesetz erforderliche Pflicht zum Hinweis auf die dreiwöchige Klagefrist führen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (credits: adobestock).

Wir hatten über die neuen Regelungen des Nachweisgesetzes bereits ausführlich berichtet (Siehe dazu ausführlich Nicolai Besgen, Neue Hinweispflichten und Handlungsbedarf im Arbeitsrecht für Arbeitgeber. In: Zeitschrift für Betrieb und Personal (B+P) Heft 9/2022; siehe auch die Kommentierung von Nicolai Besgen in BeckOK/Nachweisgesetz zu dieser Thematik). Gegenstand der Ausführungen war dabei auch die Frage, ob der jetzt nötige Hinweis auf die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG, sofern er nicht erfolgt, die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat. Mit dieser wichtigen Frage hatte sich das Landesarbeitsgericht Hamm in einem jetzt veröffentlichten Urteil bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen im vergangen Jahr befasst (LAG Hamm v. 10.3.2022, 18 Sa 1449/21). Die Entscheidung bezieht sich zwar noch auf einen Zeitraum, in dem das Nachweisgesetz noch nicht mit seinen neuen Verpflichtungen in Kraft getreten war, die Inhalte sind aber ohne Weiteres übertragbar. Wir möchten die wichtige Entscheidung daher hier vorstellen.

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem beklagten Verein bereits seit dem 18.2.2002 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses als Übungsleiterin beschäftigt. Schriftliche Arbeitsverträge wurden zu Beginn der Einstellung und später nochmals im Jahre 2011 vereinbart.

Im Jahre 2020 kündigte der Verein das Arbeitsverhältnis zum 28.2.2021.

Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat eingewandt, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, da sie nicht den Erfordernissen der Richtlinie 2019/1152/EU vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (Arbeitsbedingungen bzw. Nachweisrichtlinie) entspreche.

Sie hat dabei insbesondere die Ansicht vertreten, zu den Informationspflichten, die den Arbeitgeber nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. j der Richtlinie treffen, gehöre es, den Arbeitnehmer auch über die dreiwöchige Klagefrist gemäß § 4 KSchG zu unterrichten. Da diese Information in den Arbeitsverträgen, die die Parteien abschlossen, unstreitig nicht enthalten und damit nicht erfüllt worden seien, liege ein Verstoß gegen die Richtlinie vor. Dieser Verstoß ziehe die Rechtsfolge nach sich, dass die Kündigung nicht dem Schriftformerfordernis nach § 623 BGB entspreche und nichtig sei. Dieses Ergebnis rechtfertige sich aus der notwendigen richtlinienkonformen Auslegung des § 623 BGB vor dem Hintergrund des sog. Frustrationsverbotes, das die Mitgliedsstaaten verpflichte, alle Maßnahmen zu unterlassen, die geeignet seien, die Erreichung der in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziele ernsthaft zu gefährden.

Der Arbeitgeber hat die Ansicht vertreten, die Kündigung genüge den Anforderungen, die das deutsche Recht aufstelle. Es gäbe keine Belehrungspflicht über die dreiwöchige Klagefrist. Ohnehin sei der Klägerin kein Nachteil entstanden, da sie die Pflicht zur Erhebung der Klage innerhalb von drei Wochen eingehalten habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Kündigung ebenfalls für wirksam erachtet und die Berufung zurückgewiesen.

I. Keine unmittelbare Wirkung der Nachweisrichtlinie

Zum Zeitpunkt der Kündigung waren die Vorgaben aus den Arbeitsbedingungen bzw. Nachweisrichtlinie noch nicht umgesetzt. Die Neuregelungen wurden vielmehr erst zum 1.8.2022 im Nachweisgesetz ergänzt. Die in § 2 Abs. Nr. 14 NachwG enthaltene Pflicht zur Belehrung über die dreiwöchige Klagefrist galt damit noch nicht kraft deutschem Recht zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung im August 2020. Die europäische Richtlinie über den Nachweis von Arbeitsbedingungen entfaltete daher zu diesem Zeitpunkt auch noch keine unmittelbare Wirkung zwischen privaten Parteien. Sie verpflichtete lediglich die Mitgliedsstaaten, den Inhalt der Richtlinien in nationales Recht umzusetzen.

II. Keine Vorwirkung der Richtlinie

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes treffen zwar die nationalen Gesetzgeber im Hinblick auf die Umsetzung von Richtlinien schon innerhalb der Umsetzungsfrist Unterlassungspflichten. So darf der Gesetzgeber keine Vorschriften erlassen, die geeignet sind, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziele ernstlich in Frage zu stellen, sogenanntes Frustrationsverbot. Ein solcher Fall war hier aber nicht gegeben. Für eine Vorwirkung der Richtlinie auf den Fall der hier vorliegenden Kündigung fehlt es erkennbar an den Voraussetzungen im Rahmen dieser Rechtsprechung des EuGH. Die Klägerin erstrebte letztlich eine Abkürzung der Umsetzungsfrist. Einen solchen Anspruch gibt es aber nicht.

Hinweis für die Praxis:

Letztlich folgt auch ganz allgemein aus dem Frustrationsverbot nichts anderes. Das Frustrationsverbot ist allein aus europäischer Sicht dann verletzt, wenn durch das mitgliedsstaatliche Recht die Zielerreichung im Zeitpunkt des Ablaufes der Umsetzungsfrist ernstlich gefährdet erscheint. Auch diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

III. Keine Unwirksamkeit wegen der Verletzung des Schriftformgebotes

Das Gericht hat ferner darauf hingewiesen, dass, selbst wenn es eine Pflicht zum Hinweis auf die Klagefrist gegeben hätte, die Verletzung dieses Hinweises nicht zur Formunwirksamkeit der Kündigung führt. Eine solche Sanktion ergibt sich nicht unmittelbar aus der Richtlinie. Eine solche Sanktion folgt auch nicht aus § 4 KSchG oder aus anderen Vorschriften nach deutschem Recht.

Hinweis für die Praxis:

Gerade diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind von weitreichender Bedeutung. Denn die Frage, ob nach Inkrafttreten des Nachweisgesetzes und der jetzt gegebenen Pflicht, auf die Klagefrist nach § 4 KSchG schriftlich hinzuweisen, zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen kann, ist damit beantwortet. Sie führt nicht zu einer Unwirksamkeit. Eine solche Sanktion sehen auch die neuen Regelungen im Nachweisgesetz weiter nicht vor (siehe dazu auch ausführlich Besgen/BeckOK Nachweisgesetz § 2 Rn. 55 ff.).

Fazit:

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist uneingeschränkt zu begrüßen. Arbeitgeber müssen zwar auf das Verfahren und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach der neuen Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 14 NachwG hinweisen. Verstöße führen aber nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Das gilt natürlich erst recht dann, wenn Mitarbeiter sogar fristgerecht Klage eingereicht haben. Ein Verstoß gegen das Schriftformgebot des § 623 BGB scheidet in diesen Fällen aus.

Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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