20.08.2025 -
Das BAG bestätigt: Arbeitgeber dürfen Lohnabrechnungen digital im Mitarbeiterpostfach bereitstellen. Ein Anspruch auf Papierform besteht nicht.
BAG: Digitale Entgeltabrechnung im Mitarbeiterpostfach ist ausreichend. Der Arbeitnehmer hat kein Anspruch auf Papierform! (credits: adobestock)

Jedem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Entgelts eine Lohnabrechnung zu erteilen. In vielen Unternehmen erhalten die Mitarbeiter entsprechende Abrechnungen in Papierform zugesandt oder übergeben. Mit zunehmender Digitalisierung der Prozessabläufe gehen aber auch immer mehr Arbeitgeber dazu über, Entgeltabrechnungen in digitaler Form zu erteilen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einem aktuellen sehr wichtigen Urteil klargestellt, dass die Erteilung der Entgeltabrechnung in einem digitalen Mitarbeiterpostfach zulässig ist und Mitarbeiter keinen Anspruch darauf haben, Entgeltabrechnungen in Papierform zu erhalten (BAG v. 28.1.2025, 9 AZR 48/24).

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin ist bei einem Einzelhandelsvertrieb als Verkäuferin beschäftigt. Auf Konzernebene hat der Arbeitgeber eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs mit dem Konzernbetriebsrat vereinbart. In der KBV ist u.a. Folgendes geregelt:

Präambel

Der Arbeitgeber beabsichtigt, ab dem 01.05.2021 in der E Zentralverwaltungsgesellschaft, in allen übrigen Bereichen ab dem 01.06.2021 alle Unterlagen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses (im Folgenden ‚Personaldokumente‘ genannt) zur Verfügung stellt, auf digitalem Weg über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitzustellen. Es soll grundsätzlich kein Versand von Papierdokumenten mehr erfolgen. Die Datenübertragung an den Anbieter erfolgt im Rahmen der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 26 BDSG. Die Regelung zur Schnittstelle ist bereits über die Rahmen-Konzernbetriebsvereinbarung zu PAISY geregelt.

§ 3 Grundsätze zur Einführung und Anwendung

Alle Personaldokumente, werden zukünftig über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach mehrsprachig bereitgestellt und können vom Mitarbeiter über einen Online-Zugriff auf dieses Postfach abgerufen werden.

Sofern für einzelne Arbeitnehmer keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät Zugriff auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zu nehmen, wird der Arbeitgeber ermöglichen, dass der betroffene Arbeitnehmer die Unterlagen einsehen und ausdrucken kann.

Im digitalen Mitarbeiterpostfach können Dokumente der Entgeltabrechnung eingestellt werden.

…“

Auf Basis dieses KBV Mitarbeiterpostfach stellte dann der Arbeitgeber der Klägerin ab März 2022 die Entgeltabrechnung nur noch elektronisch zur Verfügung. Die Klägerin widersprach dem und verlangte, ihr die Entgeltabrechnungen weiterhin postalisch zu übersenden. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, ihren Anspruch auf Erteilung von Entgeltabrechnungen sei nicht durch die Bereitstellung elektronischer Entgeltabrechnungen im digitalen Mitarbeiterpostfach erfüllt worden. Die fehlende Einwilligung sei auch nicht durch das KBV Mitarbeiterpostfach ersetzt worden. Maßgeblich sei die Vorschrift des § 108 Abs. 1 GewO.

Der Arbeitgeber hat hingegen die Auffassung vertreten, maßgeblich für die zulässige Erteilung von Entgeltabrechnungen sei nicht deren Zugang beim Mitarbeiter. Es genüge vielmehr, wenn der Mitarbeiter über ein digitales Mitarbeiterpostfach auf seine Entgeltabrechnungen zugreifen kann.

Das Arbeitsgericht hat die Klage, die auf Erteilung einer Entgeltabrechnung in Papierform gerichtet war, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat hingegen der Klage im Berufungsverfahren stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat sich das Bundesarbeitsgericht der Entscheidung des Arbeitsgerichts angeschlossen und festgestellt, dass Entgeltabrechnungen in digitaler Textform über ein Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden können und dürfen. Der Rechtsstreit wurde dennoch zurückverwiesen, da die Wirksamkeit der Konzernbetriebsvereinbarung noch durch das Landesarbeitsgericht weiter aufzuklären war.

I. Entgeltabrechnung in Textform

Mitarbeiter haben Anspruch auf Erteilung einer Entgeltabrechnung in Textform. Dies folgt aus § 108 Abs. 1 S. 1 GewO. Dort ist bestimmt, dass dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen ist.

Diese Abrechnung muss mindestens Angaben über den Abrechnungszeitraum und die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten, § 108 Abs. 1 S. 2 GewO. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich, § 108 Abs. 1 S. 3 GewO.

II. Digitales Mitarbeiterpostfach ausreichend

Der Arbeitgeber kann seiner Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 S. 1 GewO nachkommen, in dem er die Entgeltabrechnung in Textform erteilt. Die gesetzliche Textform ist nach § 126b S. 1 BGB gewahrt, wenn auf einem dauerhaften Datenträger eine lesbare Erklärung abgegeben wird, in der die Person des Erklärenden genannt ist. Ein dauerhafter Datenträger ist gemäß Satz 2 der Vorschrift jedes Medium, dass es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.

Ein digitales Mitarbeiterpostfach erfüllt nach dem Bundesarbeitsgericht diese Voraussetzungen. Es handelt sich um einen sicheren Speicherbereich für den einzelnen Arbeitnehmer.

III. Zugang der Entgeltabrechnung nicht erforderlich

Das BAG hat weiter klargestellt, dass es sich bei dem Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung um eine sogenannte Hohlschuld handelt. Generell sind Arbeitspapiere vom Arbeitnehmer in der Niederlassung des Arbeitgebers abzuholen. Das Bundesarbeitsgericht hat dies nicht nur für das Arbeitszeugnis und für Entgeltabrechnungen entschieden, sondern diesen Grundsatz ganz allgemein auf Arbeitspapiere erstreckt. Hieraus folgt: Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen auf elektronischem Wege, sind alle Voraussetzungen erfüllt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die digitale Verfügungsmöglichkeit über das Dokument verschafft. Ein digitales Mitarbeiterpostfach erfüllt diese Voraussetzungen.

Hinweis für die Praxis:

Damit ist der Zugang der Entgeltabrechnung keine für die Erfüllung des Anspruchs erforderliche Voraussetzung. Die Grundsätze, die für Willenserklärungen und deren Zugang gelten, finden auf Entgeltabrechnungen, bei denen es sich um bloße Wissenserklärungen handelt, keine Anwendung.

Fazit:

Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die Einführung digitaler Prozessabläufe wird erheblich erleichtert, wenn nicht jede Entgeltabrechnung in Papierform ausgedruckt und zugestellt werden muss. Es ist also ausreichend, Mitarbeitern ein digitales Mitarbeiterpostfach zur Verfügung zu stellen und dort die Entgeltabrechnungen in Textform zu erteilen. Eine andere Frage ist sicherlich, ob durch dieses Vorgehen gleichzeitig auch der Nachweis erbracht ist, dass das Schreiben tatsächlich zugegangen ist. Für die Entgeltabrechnung ist das zwar nicht notwendig. Viele Arbeitgeber nutzen aber die Entgeltabrechnungen auch, um dort weitere Erklärungen dem Mitarbeiter zukommen zu lassen, z.B. die Hinweispflicht, Urlaub im laufenden Kalenderjahr nehmen zu müssen oder aber auch der Hinweis auf eine freiwillige Zahlung ohne Rechtsansprüche für die Zukunft. In diesen Fällen sollten Arbeitgeber weiterhin auf den Nachweis des Zugangs bzw. die Kenntnisnahme Wert legen.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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