10.01.2024 -

Rückzahlungspflicht von Fortbildungskosten auch bei Nichtablegen der Prüfung und Eigenkündigung?

Die Rückzahlung von Fortbildungskosten führt in der arbeitsvertraglichen Praxis immer wieder zu Streit. Arbeitgeber finanzieren Fortbildungen und möchten so ihre Mitarbeiter qualifizieren...
Kann der Arbeitgeber die Fortbildungskosten vom Arbeitnehmer zurückverlangen, wenn dieser die Prüfung nicht ablegt und kündigt? (credits: adobestock)

Die Rückzahlung von Fortbildungskosten führt in der arbeitsvertraglichen Praxis immer wieder zu Streit. Arbeitgeber finanzieren Fortbildungen und möchten so ihre Mitarbeiter qualifizieren. Um diese Qualifikationen nutzen zu können, vereinbaren viele Arbeitgeber Rückzahlungspflichten von Fortbildungskosten für den Fall, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums der Mitarbeiter aus eigenem Antrieb das Arbeitsverhältnis kündigt. Die Rechtsprechung legt an solche Rückzahlungsvereinbarungen sehr hohe Maßstäbe. Immer wieder kommt es zu Entscheidungen, in denen Klauseln für unwirksam erachtet werden, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil diese Rechtsprechung erweitert und klargestellt, in welchen Fällen Rückzahlungspflichten auch bei Nichtablegen einer angestrebten Prüfung ausgeschlossen sind (BAG v. 25.4.2023, 9 AZR 187/22).

Der Fall:

Der klagende Arbeitgeber betreibt eine Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei. Die beklagte Arbeitnehmerin war dort in der Zeit vom 1.4.2014 bis zum 30.6.2020 als Buchhalterin beschäftigt. Ab August 2017 nahm sie an einem Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung 2018/2019 beim Studienwerk der Steuerberater in Nordrhein-Westfalen teil. Die Parteien schlossen dazu am 4.12.2017 einen Fortbildungsvertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

§ 1  

Die Arbeitnehmerin nimmt in der Zeit vom 01.08.2017 bis 31.03.2019 an Fortbildungsmaßnahmen teil, die vorbereiten auf den Erwerb des Berufsexamens

Steuerberater

§ 2    

Die Teilnahme an dieser Fortbildung erfolgt im Interesse der beruflichen Fort- und Weiterbildung der Arbeitnehmerin.

§ 5    

Das in Anspruch genommene Förderbudget ist zurückzuzahlen, wenn

1. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach bestandenem Berufsexamen das Unternehmen verlässt,

2. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenem Berufsexamen das Unternehmen verlässt,

3. die Angestellte das Examen wiederholt nicht ablegt.

Die Rückzahlungsmodalitäten im Einzelnen:

zu 3.:

Abbruch des Examens: Falls der Angestellte nach Erhalt der Förderung das Examen nicht ablegt, ist der gesamte gewährte Förderbetrag zum Zeitpunkt des aus geschäftspolitischer Sicht nächstmöglichen Prüfungszeitpunktes vollständig zurückzuzahlen, wenn auch diese Prüfung nicht angetreten wurde. Dies gilt auch, wenn der Angestellte das Unternehmen in diesem Fall aufgrund eigener Kündigung oder einer verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber oder sonstiger Auflösung aus gleichem Grunde verlässt.

Härtefallregelung: Für den Fall, dass der Angestellte das Examen aus einem nicht von ihm zu vertretenden objektiven Grund (bspw. Dauerhafte Erkrankung, Pflege von Angehörigen) nicht ablegen kann, ist er verpflichtet, das Examen nach Beendigung des Verhinderungsgrundes wieder aufzunehmen und abzuschließen. Es gelten dann wieder die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung. Falls aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund von Bestimmungen der entsprechenden Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte, ist er nicht zur Rückzahlung der bis dahin geleisteten Förderung verpflichtet.“

Die Arbeitnehmerin trat dann weder zur Steuerberaterprüfung für das Jahr 2018 noch zu den Prüfungen der Jahre 2019 und 2020 an, zu denen sie sich bis zum 30.4. des jeweiligen Jahres anmelden konnte. Vielmehr kündigte sie mit Schreiben vom 14.5.2020 das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2020 und schied aus der Kanzlei aus.

Die Steuerberaterkanzlei wendete in der Zeit vom 18.12.2017 bis zum 26.6.2018 insgesamt 4.083,93 € an Gebühren auf. Diese Gebühren hat sie von der Arbeitnehmerin verlangt, die eine Rückzahlungspflicht abgelehnt hat. Sie hat dazu vorgetragen, die Regelung in der Fortbildungsvereinbarung benachteilige sie unangemessen, weil sie nicht hinreichend nach den Gründen der wiederholten Nichtablegung des Examens differenziere.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage der Steuerberaterkanzlei stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat diese erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat hingegen das Bundesarbeitsgericht eine Zahlungspflicht abgelehnt.

I. Fortbildungsvereinbarung als allgemeine Geschäftsbedingung

Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst klargestellt, dass es sich bei der Fortbildungsvereinbarung um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB handelt. Es handelt sich um vorformulierte Vertragsbedingungen.

Hinweis für die Praxis:

Vereinbarungen, die Fortbildungsregelungen und Rückzahlungsklauseln enthalten, gestalten die eigentlichen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis näher aus. Damit handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen.

II. Unangemessene Benachteiligung?

Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB führt und daher unwirksam ist. Diese Regelung knüpft nämlich an das wiederholte Nichtablegen des Examens an, ohne in erforderlichem Maße danach zu differenzieren, aus welchen Gründen eine Teilnahme an der Prüfung nicht erfolgt ist.

So ist es nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlichthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Jedenfalls müssen praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.

§ 5 des Fortbildungsvertrages nennt drei Tatbestände, die eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers auslösen können.

Der Arbeitgeber hat hier die Rückzahlungspflicht auf Nr. 3 gestützt, das wiederholte Nichtablegen des Examens durch den Arbeitnehmer. Die Regelung in § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages wird durch die Rückzahlungsmodalitäten zu Nr. 3 konkretisiert. Diese sehen eine Verpflichtung zur Rückzahlung auch für Fälle vor, in denen der Angestellte die Prüfung nicht antritt, weil das Unternehmen u.a. aufgrund eigener Kündigung oder eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber oder sonstiger Auflösung aus gleichem Grund verlässt. Diese Rückzahlungspflicht soll unabhängig von den Gründen, aus denen der Arbeitnehmer die Eigenkündigung ausspricht, eintreten. § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrages sieht damit eine Rückzahlung auch vor in Fällen, in denen der Arbeitnehmer das Examen deshalb wiederholt nicht ablegt, weil ihm die Fortführung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens nicht mehr zumutbar ist und er es deshalb beendet. Es ist aber nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts unangemessen, dem Arbeitnehmer auch für diesen Fall eine Rückzahlungsverpflichtung aufzuerlegen.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitgeber hatte zwar eine Härtefallregelung in den Rückzahlungsmodalitäten zu § 5 Nr. 3 vorgesehen. Auch diese hat aber das Bundesarbeitsgericht nicht ausreichen lassen. Denn die vom Arbeitgeber mitverantwortete Kündigung des Arbeitnehmers stellt im Arbeitsleben keinen so seltenen und fernliegenden Tatbestand dar, dass er nicht ausdrücklich und gesondert erwähnt werden müsste. Daran fehlte es hier aber.

Fazit:

Aus diesen Gründen hat das Bundesarbeitsgericht die Rückzahlungsvereinbarung insgesamt für unwirksam erachtet. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass es für diese Unwirksamkeit unerheblich ist, aus welchen Gründen die Arbeitnehmerin tatsächlich das Examen nicht abgelegt hat. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tritt abstrakt ein. Das beanstandete Risiko, das hier nicht geregelt wurde, muss sich nicht im Entscheidungsfall konkret realisiert haben. Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass wirksame Rückzahlungsvereinbarungen äußerst schwer zu formulieren sind. Sie sind zwar möglich, die Fallstricke sind aber zahlreich. Arbeitgeber, die Rückzahlungsvereinbarungen abschließen möchten, sollten sich daher genau mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auseinandersetzen und dazu beraten lassen.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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