06.03.2024 -

Zustimmungsersetzungsverfahren bei fristloser Kündigung von Betriebsratsmitgliedern: Zwingende formale Anforderungen beachten!

Verweigert der Betriebsrat die ausdrückliche Zustimmung der fristlosen Kündigung, kann der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht einleiten.
Werden die Formvorschriften beim Antrag zum Zustimmungsersetzungsverfahren nicht eingehalten, kann dies weitreichende Konsequenzen für eine Kündigung haben (credits: adobestock).

Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern unterliegt besonderen und sehr strengen Voraussetzungen. Nur wer das Zusammenspiel von § 15 KSchG, § 103 BetrVG und § 626 BGB genau beachtet und alle Fristen einhält, vermeidet Unwägbarkeiten und Risiken (Ausführlich dazu Nicolai Besgen, Besonderheiten des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG, NZA 2011, 133 ff.). Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung den vielen zu beachtenden Prüfungspunkten nun einen weiteren hinzugefügt (LAG Hamm v. 4.4.2023 – 7 TaBV 177/22). Die Entscheidung macht deutlich, dass nicht nur auf die materiellen Kündigungsgründe und die Einhaltung der Fristen nach den vorgenannten Vorschriften zu achten ist, sondern auch der jeweils beauftragte Prozessbevollmächtigte auf die Einhaltung eines zulässigen gerichtlichen Antrages besondere Sorgfalt verwenden muss.

Der Fall:

Der antragstellende Arbeitgeber erbringt Gebäudemanagement-Dienstleistungen. Es sind über 500 Mitarbeiter beschäftigt. Es besteht ein Betriebsrat.

Der Arbeitgeber hat aufgrund der Belastungen während der Corona-Pandemie allen Mitarbeitenden einen zusätzlichen freien Tag gewährt. Dieser freie Tag sollte unabhängig von dem ansonsten etablierten Urlaubs-Bewilligungsverfahren nach Rücksprache nur durch den jeweiligen Vorgesetzten bewilligt werden.

Am 25. Juli 2022 kam es zu einem Gespräch zwischen der Betriebsratsvorsitzenden und ihrem Teamleiter. Die Vorsitzende bat für den 26. oder den 27. Juli um ihren freien Tag. Der Inhalt der Gespräche ist zwischen den Beteiligten streitig. Eine ausdrückliche Genehmigung wurde jedenfalls nicht erteilt. Die Vorsitzende erschien dann am 26. Juli 2022 nicht zur Arbeit.

Wegen dieser aus Sicht des Arbeitgebers eigenmächtigen Urlaubsnahme wurde die fristlose Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden beim Betriebsrat beantragt. Der Betriebsrat hat die Zustimmung verweigert. Daraufhin wurde ein Zustimmungsersetzungsverfahren beim zuständigen Arbeitsgericht eingeleitet.

Dieses Zustimmungsersetzungsverfahren wurde allerdings nicht von einem beauftragten Rechtsanwalt über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht. Vielmehr ist der Antrag über ein besonderes Behördenpostfach (beBPo) eingereicht worden. Als persönlich bezeichnete Absenderin wurde dort eine Syndikusrechtsanwältin genannt. Eine qualifizierte Signatur wurde hingegen nicht verwendet. Als Namen für die Sachbearbeitung des Antrages wurde eine andere Rechtsanwältin genannt. Der Antrag wurde lediglich einfach signiert.

Das Arbeitsgericht hat wegen der eigenmächtigen Urlaubsnahme die Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung ersetzt.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben. Über die Frage, ob eine eigenmächtige Urlaubsnahme vorlag und damit die Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung ersetzt werden durfte und musste, hat jedoch das Landesarbeitsgericht nicht entschieden. Vielmehr hat es den Antrag des Arbeitgebers deshalb zurückgewiesen, da innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB kein zulässiger Antrag beim Arbeitsgericht zur Zustimmungsersetzung gestellt wurde.

I. Formwirksamer Antrag notwendig

Soll ein Betriebsratsmitglied außerordentlich gekündigt werden, muss der Betriebsrat dazu nicht nur nach § 102 BetrVG angehört werden, sondern nach § 103 BetrVG bedarf es hierzu der ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des betroffenen Betriebsratsmitglieds. Wird diese Zustimmung vom Betriebsrat nicht erteilt, muss innerhalb von zwei Wochen, also der Frist des § 626 Abs. 2 BGB, ein Zustimmungsersetzungsantrag beim Arbeitsgericht eingehen. Wird diese Frist versäumt, kann die Kündigung schon aus diesem Grund nicht mehr ausgesprochen werden.

Dieser Antrag muss formgerecht und fristgerecht eingehen. Für die Form bedarf es nach den Bestimmungen des § 80 Abs. 2 ArbGG, § 46 Abs. 2 ArbGG und § 130 Nr. 6 ZPO der Unterzeichnung des Antrages. Auf das Erfordernis der Unterschrift kann nicht verzichtet werden. Möglich ist auch die qualifizierte Signatur nach § 46c ArbGG, wenn ein sicherer Übermittlungsweg gewählt wird.

Im vorliegenden Fall wurde aber die qualifizierte Signatur über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach gerade nicht gewählt. Vielmehr wurde der Antrag über ein besonderes Behördenpostfach eingereicht und zusätzlich noch nicht einmal qualifiziert signiert. Dieses Behördenpostfach steht aber privaten Arbeitgebern nicht zu. Selbst wenn man dies hier anders sehen wollte, fehlte es zusätzlich an der qualifizierten Signatur.

II. Formfehler führen zur Unwirksamkeit des Antrages

Der Antrag wurde also damit bei Gericht nicht formgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingereicht. Dies wiederum führte dazu, dass die Frist versäumt wurde. Diese Fristversäumnis führte zu einem unzulässigen Antrag und damit zur Prozessniederlage. Obwohl also in 1. Instanz der Arbeitgeber das Verfahren noch gewonnen hatte, scheiterte dann im Ergebnis der Rechtsstreit für den Arbeitgeber an einem formwirksamen und fristgerechten Prozessantrag beim Arbeitsgericht.

Hinweis für die Praxis:

Diese Fristversäumnis konnte auch nicht durch einen späteren wirksamen Antrag geheilt werden. Die Formvorschriften sind zwingend. Darauf können die Prozessparteien nicht verzichten. Auch aus der Tatsache, dass in 1. Instanz diese Problematik zwischen allen Prozessparteien und auch vom Arbeitsgericht nicht thematisiert wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Heilung dieses Formfehlers war hier nicht möglich.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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