Genehmigtes Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts in der Aktiengesellschaft

Genehmigtes Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechtes der bisherigen Aktionäre gehört heute zur Grundausstattung einer Aktiengesellschaft (AG).
Genehmigtes Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechtes der bisherigen Aktionäre gehört zur Grundausstattung einer Aktiengesellschaft (AG) (credits:adobesstock).

Genehmigtes Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechtes der bisherigen Aktionäre gehört heute zur Grundausstattung einer Aktiengesellschaft (AG). Als schnelle und flexible Möglichkeit der Kapitalerhöhung hat das genehmigte Kapital die ordentliche Kapitalerhöhung beinahe verdrängt. Der zentrale Vorteil des genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechtes besteht darin, dass der Vorstand auf spontane Entwicklungen im schnelllebigen Wirtschaftsverkehr reagieren kann. Beispiele sind Unternehmenskäufe durch Ausgabe neuer Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts oder die Beschaffung von Liquidität. Die Kehrseite ist, dass die Hauptversammlung und damit die Aktionäre mit der Ermächtigung des Vorstands ihr zentrales Recht aus der Hand geben, wer, wann und wie Aktionär der AG wird. Das so entstehende Spannungsverhältnis zwischen den Aktionären auf der einen und dem Vorstand auf der anderen Seite ist immer wieder Anlass für Streit.

Der Grundkonflikt

Die Genehmigung zusätzlichen Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts bringt zwei entscheidende Vorteile mit sich: So bedarf es lediglich in einem ersten Schritt einer Ermächtigung durch die Hauptversammlung im Wege eines Beschlusses, während die spätere Durchführung der Kapitalerhöhung im zweiten Schritt selbständig von dem Vorstand durchgeführt werden kann. Voraussetzung ist aber immer, dass die Satzung der AG genehmigtes Kapital vorsieht. Sollte die Satzung die Schaffung genehmigten Kapitals nicht vorsehen, muss zunächst die Satzung geändert werden. Auf der anderen Seite des Spannungsfeldes stehen die Aktionäre. Eine Kapitalerhöhung durch die Ausgabe neuer Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts bedeutet, dass der relative Anteil der bisherigen Aktionäre am Grundkapital sinkt (die „Verwässerung“ der Anteile). Aus diesem Grund stellt die Entscheidung über die Gesamtzahl der Aktien ein zentrales Recht der Aktionäre dar, das grundsätzlich in der Hauptversammlung ausgeübt wird. Die Übertragung dieses Rechts auf den Vorstand bedeutet damit eine erhebliche Einschränkung der Aktionäre in ihren Rechten. Das Gesetz sieht zum Schutz der Aktionäre vor einer Selbstentmachtung in § 202 Abs. 1 AktG für das genehmigte Kapital lediglich eine höhenmäßige Begrenzung und eine zeitliche Grenze vor: Das genehmigte Kapital darf die Hälfte des Grundkapitals nicht überschreiten und die Ermächtigung ist auf eine Dauer von höchstens 5 Jahren beschränkt.

Die bisherige Rechtsprechung

Das Gesetz selbst beinhaltet also nur geringe Hürden für eine Genehmigung neuen Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts. Gleichzeitig kann dieses weitreichende Folgen für die Aktionäre haben. Daher überrascht es nicht, dass sich die Rechtsprechung bereits mehrfach mit der Frage zu beschäftigen hatte, welche weiteren Anforderungen an den Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zu stellen sind

Eine Genehmigung neuen Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie unter gebührender Berücksichtigung der Folgen, die für die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre eintreten, durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist. Die Voraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluss mussten im Beschlusszeitpunkt so konkret feststehen und offengelegt werden, dass die Hauptversammlung sie endgültig beurteilen kann. Mit der Entscheidung Siemens/Nold (BGH, Urteil vom 23.06.1997 – II ZR 132/93) wich der BGH von dieser Rechtsprechung ab. Eine konkrete Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtfertigung der Maßnahme ergäbe, mache es dem Vorstand unmöglich, rasch auf vorteilhafte Angebote oder sich ansonsten bietende Gelegenheiten zu reagieren. Um dem genehmigten Kapital die notwendige Flexibilität zu verleihen, genüge im Rahmen des Ermächtigungsbeschlusses eine abstrakte Bezeichnung der Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden soll.

Am 10.10.2005 ergingen gleich zwei Urteile des BGH (Mangusta/Commerzbank I und Mangusta/Commerzbank II) zur Thematik genehmigtes Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts in der Aktiengesellschaft. In seiner ersten Entscheidung Mangusta/Commerzbank I (BGH, Urt. v. 10.10.2005 – II ZR 148/03) bezog der BGH Stellung zu der Frage, ob und in welchem Ausmaß der Vorstand die Aktionäre über den Bezugsrechtsausschluss und dessen Gründe, vor Ausübung seiner Ermächtigung, zu unterrichten hat. Der BGH verneinte dies. Eine schriftliche Berichterstattung an alle Aktionäre würde einerseits zu einer erheblichen Zeitverzögerung führen und andererseits die notwendige Geheimhaltung im Falle eines Unternehmenskaufs untergraben. Es genüge daher, wenn der Vorstand nach Inanspruchnahme der Ermächtigung über die Einzelheiten seines Vorgehens auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft berichte und Rede und Antwort stehe. Mit der zweiten Entscheidung Mangusta/Commerzbank II (BGH, Urteil vom 10. 10. 2005 – II ZR 90/03) äußerte sich der BGH sodann zu den Rechtsschutzmöglichkeiten der Aktionäre gegen eine pflichtwidrige Ausnutzung des genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts. Insoweit lehnten die Karlsruher Richter eine Anfechtungsklage, wie auch eine aktienrechtliche Nichtigkeitsklage ab, räumten den klagenden Aktionäre jedoch die Möglichkeit einer allgemeinen Feststellungsklage ein. Das so ergehende Urteil habe dann zwar keine unmittelbar vorteilhafte Wirkung für die Aktionäre, könne aber Grundlage für die Geltendmachung konkreter Sekundäransprüche im Klagewege sowie entsprechende Anträge in der Hauptversammlung, etwa auf Versagung der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, auf Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder oder auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen bilden.

Die aktuelle Entscheidung und ihre Folgen

Mit seiner aktuellen Entscheidung (BGH, Urteil vom 23.5.2023 – II ZR 141/21) führt der BGH seine zugunsten des Vorstands großzügige Rechtsprechung fort. Zum einen müssen die rechtfertigenden Gründe für den Bezugsrechtsausschluss nicht abschließend, sondern nur beispielhaft aufgezählt werden. Diese Aufzählung muss zudem nicht in dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung selbst erfolgen. Es genüge, wenn die beispielhaften Gründe in einem Vorstandsbericht nach Maßgabe der §§ 203 II, 186 IV S. 2 AktG der Hauptversammlung zugänglich gemacht werden.

Problematisch erscheint im Falle einer lediglich beispielhaften Aufzählung, inwieweit sich die Ausschlussentscheidung des Vorstands noch auf den legitimierenden Hauptversammlungsbeschluss zurückführen lässt. Schließlich bildet eine solche Aufzählung nur eine fragmentarische Informationsgrundlage für die Hauptversammlung für einen Ermächtigungsbeschluss. Zugleich erscheint unter diesen Umständen eine Anfechtung des Ermächtigungsbeschlusses unter Verweis auf die Nichteinhaltung des Erfordernisses einer sachlichen Rechtfertigung schwer begründbar. Der BGH begegnet dem drohenden Rechtsschutzverlust der Aktionäre mit einem Hinweis auf mögliche Sekundäransprüche gegen die AG und der Möglichkeit einer Versagung der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.

Auch wenn die aktuelle Entscheidung des BGH weitreichende Erleichterungen für den Ermächtigungsbeschluss mit sich bringt, liegt hierin kein Freifahrtschein für den Vorstand. Die bestimmten Gründe für einen Bezugsrechtsausschluss müssen sich aus dem Ermächtigungsbeschluss oder zumindest aus dem Vorstandsbericht ergeben. Insoweit kann der Vorstandbericht zur Auslegung des Ermächtigungsbeschlusses herangezogen werden. Aus den so ermittelten Ausschlussgründe ergeben sich die Grenzen für den Gestaltungsspielraum des Vorstands bei seiner Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts.

Sollte der Vorstand pflichtwidrig handeln, stehen den Aktionären weiterhin Rechtsschutzmöglichkeiten wie die (vorbeugende) Unterlassungsklage sowie die allgemeine Feststellungsklage oder Sekundäransprüche wie Versagung der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, der Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder oder der Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu.


Autoren: Dr. Andreas Menkel, Constantin Dorschu

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