21.02.2023

Achtung: Rückwirkende steuerliche Nichtanerkennung eines Gewinnabführungsvertrags bei fehlendem Ausweis von Verlustausgleichsanspruch oder Gewinnabführungsverpflichtung

Es reicht nicht aus, alle aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten auszugleichen. Sie müssen auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden. Ein Buchungsfehler während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren kann insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft führen.

Es reicht nicht aus, alle aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten auszugleichen
Es reicht nicht aus, alle aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten auszugleichen (credit:adobestock)

Das entschied der BFH mit dem am 09.02.2023 veröffentlicht Urteil vom 02.11.2022, I R 37/19.

Was war passiert?

Zur Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft schlossen Muttergesellschaft M (GmbH) und Tochtergesellschaft T (GmbH), ab dem Jahr 01 einen wirksam begründeten Gewinnabführungsvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 AktG [eigentlich: Ergebnisabführungsvertrag, abgekürzt EAV] und führten ihn bis 04 auch steuerlich unbedenklich durch, erstellten unbeanstandete Jahresabschlüsse und gaben zutreffende Steuererklärungen ab.

Für das Jahr 05 ergab sich für T ein Verlust. Die Angaben in der Körperschaftsteuererklärung wurden entsprechend der Vorjahre vorgenommen. In Zeile 21 der Anlage ORG („Vom Organträger an die Organgesellschaft zum Ausgleich eines sonst entstehenden Jahresfehlbetrages zu leistender Betrag„) nahm T versehentlich keine Eintragung vor. Die Bilanz 05 berücksichtigte eine Forderung der T gegenüber M nicht. Allerdings wies der Steuerberater der T in seinem Bericht über die Erstellung des Jahresabschlusses 05 unter „Rechtliche Verhältnisse“ und in einem an T gerichteten Begleitschreiben darauf hin, dass der Verlust nach dem EAV von M zu erstatten sei. M zahlte unter Angabe eines entsprechenden Überweisungszwecks den Verlustausgleich an T.

Das Finanzamt vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 iVm § 17 KStG) sei mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen, da der Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des im Jahr 05 erwirtschafteten Verlusts weder bei der T noch bei der M bilanziell berücksichtigt worden sei.

Klage und Revision beim BFH hatten keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Voraussetzung: Tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags (EAV)

  • Die unabdingbare tatsächliche Durchführung des EAV setzt voraus, dass er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Dies bedeutet u.a., dass die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden.
  • Verrechnung“ in diesem Zusammenhang bedeutet die einer tatsächlichen Zahlung gleichstehende Aufrechnung; die reine Buchung der Forderung ohne Erfüllungswirkung ist nicht ausreichend.
  • Für die tatsächliche Durchführung des EAV erschöpft sich aber nicht in Zahlung oder Verrechnung aller aus dem EAV resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Vielmehr wird der EAV nur dann durchgeführt, wenn er während der gesamten Geltungsdauer tatsächlich „gelebt“ wird. D.h. schon vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung oder Verrechnung muss also objektiv erkennbar sein, dass sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft ihre zivilrechtlichen Vertragspflichten aus dem EAV erfüllen werden. Daraus folgt, dass die entsprechenden Forderungen/Verbindlichkeiten auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden müssen.
  • Dies beruht zum einen auf dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, Manipulationen zu verhindern. Es handelt es sich bei den Regelungen über die Organschaft um eine Ausnahme vom steuerrechtlichen Grundprinzip der getrennten Besteuerung der einzelnen Steuersubjekte, so dass eine strenge Auslegung der vom Gesetzgeber hierfür vorgegebenen Anforderungen geboten ist, so der BFH.

Keine Heilung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG möglich

Der BFH lässt eine Heilung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG nicht zu. Danach gilt der Gewinnabführungsvertrag unter bestimmten Voraussetzungen auch dann als durchgeführt, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält.

  • Der Anwendungsbereich dieser Heilungsvorschrift ist auf fehlerhafte Bilanzansätze mit einer Wirkung auf den abgeführten Gewinn oder ausgeglichenen Verlust beschränkt und bezieht sich auf die Höhe des abzuführenden Gewinns oder auszugleichenden Verlusts.
  • Nicht erfasst ist dagegen der fehlerhafte Ausweis eines in der Organgesellschaft verbleibenden Gewinns oder Verlusts durch den unterlassenen Ausweis einer Forderung (Verlustausgleichsanspruch) oder einer Verbindlichkeit (Gewinnabführungsverpflichtung) der Organgesellschaft.

Rückwirkende Nichtanerkennung des Gewinnabführungsvertrags

Nach dem BFH folge aus § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG (Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren), dass eine Nichtdurchführung des EAV während der Mindestvertragslaufzeit die Organschaft insgesamt rückwirkend entfallen lässt und nicht nur unterbricht.

Der EAV gilt danach als von Anfang an nicht durchgeführt, was unübersehbare Folgen und Korrekturen nach sich ziehen kann.

Autor: Andreas Jahn

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Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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