
Diskriminierungen wegen des Geschlechts sind bekanntlich nach dem AGG unzulässig. Es gibt aber immer wieder Einzelfälle, in denen der Arbeitgeber berechtigt ist, eine bestimmte Position auch nur mit einem bestimmten Geschlecht zu besetzen. Diese Einzelfälle sind selten und müssen begründet sein. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu entscheiden, ob die Position einer Gleichstellungsbeauftragten im Bundesland Schleswig-Holstein nur mit einer Frau besetzt werden durfte bzw. ob die Bewerbung einer zweigeschlechtlichen Person und deren Ablehnung diskriminierend war (BAG v. 17.10.2024, 8 AZR 214/23). Das BAG hat eine Diskriminierung, anders als die Vorinstanzen, abgelehnt und das Urteil präzise begründet. Wir verzichten hier auf eine umfangreiche Darstellung der ausführlichen Entscheidungsgründe, möchten aber das wichtige Urteil hier für die Praxis kurz vorstellen.
Der Fall:
Der beklagte Arbeitgeber ist ein Landkreis in Schleswig-Holstein. Er veröffentlichte im Oktober 2019 eine Stellausschreibung u.a. mit folgendem Wortlaut:
„Beim Kreis D ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Position der
Gleichstellungsbeauftragten
unbefristet zu besetzen. Es handelt sich um eine Vollzeitstelle (derzeit 39 Wochenstunden), die grundsätzlich teilbar ist.
Die Gleichstellungsbeauftragte trägt zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Kreisverwaltung und im Kreisgebiet bei.
Die Tätigkeit umfasst folgende Aufgabenschwerpunkte: (…)“
Auf diese Stelle bewarb sich die klagende Partei. Sie verfügt über einen Hochschulabschluss als Magistra Juris/Master of Laws LL.M. und war mehrere Jahre akademisch-wissenschaftlich im höheren Dienst an verschiedenen Universitäten beschäftigt. Zudem ist sie zweigeschlechtlich geboren und kann weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Sie bezeichnet sich u.a. als Hermaphrodit. Sie ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Die klagende Partei wurde zu einem Auswahlgespräch eingeladen. Mit E-Mail wurde ihr dann mitgeteilt, dass sich die Auswahlkommission für eine andere Bewerberin entschieden habe.
Die klagende Partei hat die Auffassung vertreten, sie sei u.a. wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Die Stellenausschreibung, die nur Frauen anspreche, begründe eine Vermutung für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Sie hat einen Entschädigungsanspruch in Höhe von mindestens 7.000,00 € klageweise geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe eines Entschädigungsanspruches von 3.500,00 € zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung des Landkreises hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung der Vorinstanzen aufgehoben und jegliche Ansprüche abgewiesen. Eine Diskriminierung hat nicht vorgelegen.
I. Verfolgung eines rechtmäßigen Zwecks
Das BAG hat vor allem die Frage geprüft, ob mit der Vorgabe, Stellen für Gleichstellungsbeauftragte ausschließlich mit Frauen zu besetzen, der Landesgesetzgeber Schleswig-Holstein einen rechtmäßigen Zweck verfolgt hat. Das BAG hat dies bejaht.
Die Entscheidung stellt eine wesentliche, entscheidende und angemessene berufliche Anforderung im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG dar. Die Gleichstellungsbeauftragte hat dasselbe Geschlecht aufzuweisen, wie die Gruppe der weiblichen Beschäftigten, deren Gleichstellung sie zu fördern hat.
Damit ist die Beschränkung auf Personen weiblichen Geschlechts als Gleichstellungsbeauftragte im Verhältnis nicht nur zu männlichen, sondern auch gegenüber zweigeschlechtlichen Bewerbern gerechtfertigt. Sehr ausführlich prüft das BAG insoweit die einschlägigen Vorschriften des AGG und auch der Art. 3, 33 GG.
Hinweis für die Praxis:
Die Beschränkung einer Stellenausschreibung und der Bewerberauswahl auf nur ein bestimmtes Geschlecht ist in der Regel diskriminierend. Es müssen schon sehr gute und nachvollziehbare Gründe vorliegen, um eine ausgeschriebene Stelle nur mit einem Bewerber eines bestimmten Geschlechtes zu besetzen zu dürfen. Diese Voraussetzungen waren hier (ausnahmsweise) gegeben.
II. Keine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung
Das BAG hat auch die Frage der Diskriminierung wegen der bestehenden Schwerbehinderung geprüft. Ein Kausalzusammenhang mit der bestehenden Schwerbehinderung hat das BAG nicht gesehen. Ist eine bestimmte Anforderung, hier das weibliche Geschlecht, unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit, ist in der Regel nicht davon auszugehen, dass ein Kausalzusammenhang zu anderen Diskriminierungsmerkmalen besteht. Die zwingende Anforderung des weiblichen Geschlechts war hier das maßgebliche Kriterium.
Fazit:
Stellenausschreibungen sind auch nach dieser Entscheidung weiterhin geschlechtsneutral auszuschreiben. Verstöße können eine Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellen und damit Entschädigungsansprüche nach dem AGG auslösen. Nur in seltenen Ausnahmefällen ist eine Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht zulässig. Die vorliegende Entscheidung bestätigt dies.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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