10.04.2024 -

Diffamierung des Arbeitgebers: Fristlose Kündigung?

Der Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes gilt nicht schrankenlos. Arbeitnehmer dürfen sich nicht in diffamierender und bloßstellender Art und Weise über ihre Arbeitgeber äußern.
Der Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes gilt nicht schrankenlos. Arbeitnehmer dürfen sich nicht in diffamierender und bloßstellender Art und Weise über ihre Arbeitgeber äußern (credits: adobestock).

Arbeitnehmer sind berechtigt, Missstände aufzudecken und zu melden. Das Hinweisgeberschutzgesetz, das seit dem 2.7.2023 in Kraft getreten ist, regelt umfassend die damit einhergehenden Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Wir haben darüber bereits ausführlich berichtet. Das Thüringer Landesarbeitsgericht hatte sich nun mit einem Fall zu befassen, in dem der Arbeitnehmer in öffentlich diffamierender Art und Weise Äußerungen über seinen Arbeitgeber kundgetan hat (Thüringer Landesarbeitsgericht v. 19.4.2023, 4 Sa 269/22). Der Arbeitgeber hat diese Äußerungen mit einer fristlosen Kündigung geahndet. Wir möchten die Entscheidung für die Praxis vorstellen:

Der Fall:

Der Kläger war bei dem beklagten Arbeitgeber als Mitarbeiter im therapeutischen Team seit dem 1.10.2020 beschäftigt. Er war einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Der Arbeitgeber betreibt eine Fachklinik für im Maßregelvollzug untergebrachte Personen.

Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst am 17.1.2022 fristlos gekündigt. Hintergrund war der Vorwurf, der Kläger habe im Rahmen seiner Arbeit gegenüber im Maßregelvollzug Untergebrachten vorgeschlagen, für eine andere Mitarbeiterin einen Holzdildo als Weihnachtsgeschenk zu basteln.

Am 24.1. erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger für den verstorbenen Untergebrachten A im Internet eine Gedenkseite eingerichtet hatte. Dort formulierte er wörtlich:

„A… durfte nach einem ungleichen Kampf, den er nicht gewinnen konnte, friedlich einschlafen, den er den B… Fachkliniken C… mit seiner Oberärztin D … mit zu verdanken hatte, die ein fachärztliches Konzil über Monate hinauszögerte.“

Weiter verfasste der Kläger unter dem Pseudonym „E…“ in einer Internetpublikation online einen Artikel. Dort schrieb er unter der Überschrift „Bossing und Mobbing“ davon, dass der Thüringer Maßregelvollzug noch nicht verstaatlicht worden sei und kritisierte permanente Rechtsbrüche von privaten Betreibern.

Am 25.1.2022 erhielt die Beklagte einen Brief des Klägers, bei dem auf dem Briefumschlag angegeben war „B… Fachklinik für Bossing und Mobbing & inklusive Verleumdungen und Datenschutzverletzungen“. Nach Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, des Betriebsrats und Zustimmung des Integrationsamtes kündigte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 21.2.2022 erneut fristlos das Arbeitsverhältnis.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung vom 17.1. wegen fehlender Beteiligung der Gremien für unwirksam erklärt, die Kündigung vom 21.2.2022 hingegen für wirksam.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Schutz der Meinungsfreiheit

Der Schutz der Meinungsfreiheit ist durch Art. 5 GG geschützt. Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, die erkennen lassen, dass sie durch Elemente einer Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, fallen unter den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit.

Hinweis für die Praxis:

Abzugrenzen von der Meinungsfreiheit ist die reine Schmähkritik. Diese fällt nicht unter den Schutz von Art. 5 GG. Eine Schmähung ist eine Äußerung, die unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext, allein die Diffamierung einer anderen Person beabsichtigt. Das Arbeitsgericht hat hier zugunsten des Klägers unterstellt, dass er neben seiner überzogenen und überspitzten Kritik auch eine Auseinandersetzung in der Sache gewollt hat.

II. Grenzen der freien Meinungsäußerung

Das Recht auf Meinungsfreiheit gilt allerdings nicht schrankenlos. Diese Grenzen hatte der Kläger hier überschritten. So sind Arbeitnehmer nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verpflichtet, Tatsachen, die sie öffentlich machen wollen, selbst zunächst einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, bevor sie damit an die Öffentlichkeit gehen.

Im vorliegenden Fall konnte der Kläger im Prozess nicht darlegen und beweisen, dass er überhaupt Überprüfungen vorgenommen hat. Vielmehr hat er sich in vor allem diffamierender Weise Schlagworten wie „Bossing und Mobbing“ bedient. Insoweit machte er auch eine Überprüfung seiner Behauptungen durch den Arbeitgeber unmöglich. In aller erster Linie wollte er seinen Arbeitgeber diffamieren und bloßstellen. Die Äußerungen sind von einer aggressiven und feindlichen Einstellung gegenüber seinem Arbeitgeber geprägt, dem er durch die Äußerungen in der Öffentlichkeit auch Schaden zufügen wollte, so das Landesarbeitsgericht.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitgeber steht hier letztlich nur am Pranger und konnte sich nicht effizient zur Wehr setzen. Dafür waren die Vorwürfe zu unkonkret. Das alles hat das Landesarbeitsgericht für eine fristlose Kündigung ausreichen lassen.

III. Anwendung des Hinweisgeberschutzgesetzes?

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Falles war das neue Hinweisgeberschutzgesetz noch nicht endgültig in Kraft getreten. Allerdings hätte sich der Kläger hier auch nicht auf den Schutz des Gesetzes berufen können. Der sachliche Anwendungsbereich wäre nicht eröffnet gewesen. Ein einschlägiger Verstoß, den er hätte melden wollen (welcher?) konnte hier nicht festgestellt werden. Auch der direkte Weg an die Öffentlichkeit wäre von dem Hinweisgeberschutzgesetz nicht gedeckt gewesen. Dieser ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Gang an die Öffentlichkeit das letzte Mittel ist, um eine Notsituation aufzulösen. Das wäre z.B. der Fall, wenn nur geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird, bspw. weil Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten. Auch diese Voraussetzungen lagen hier erkennbar nicht vor.

Fazit

Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt vor allem Hinweisgeber. Dennoch ist der Schutz nicht schrankenlos. Arbeitnehmer dürfen sich nicht in diffamierender und bloßstellender Art und Weise über ihre Arbeitgeber äußern und sich direkt an die Öffentlichkeit wenden. In diesen Fällen kann das Arbeitsverhältnis, der vorliegende Fall macht das deutlich, sogar fristlos gekündigt werden.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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