15.05.2024 -
Homeoffice: Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hatte zu entscheiden, ob die Arbeitnehmerin zur Lohnrückzahlung verpflichtet war, weil die Arbeitsleistung vom Arbeitgeber nicht nachvollzogen werden konnte.
Genügt für eine Lohnrückzahlung die pauschale Vermutung, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung im Homeoffice nicht oder nicht vollständig erbracht habe? (credits: adobestock)

Die Arbeit im Homeoffice hat sich in vielen Unternehmen und Betrieben als normaler Arbeitsort durchgesetzt. Die im Betrieb übliche Kommunikation und Überwachung von Mitarbeitern ist aber bei Tätigkeiten im Homeoffice so nicht in gleichem Maße möglich. Es kommt daher immer wieder zu Auseinandersetzungen über die Frage, ob der Mitarbeiter im Homeoffice tatsächlich die volle Arbeitsleistung gleich wie am betrieblichen Arbeitsort erbracht hat.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte nun in einer solchen Konstellation zu entscheiden, ob die Arbeitnehmerin zur Lohnrückzahlung von über 300 Arbeitsstunden verpflichtet war, weil der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht nachvollziehen konnte (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 28.9.2023, 5 Sa 15/23). Die Entscheidung ist für die betriebliche Praxis von großer Bedeutung, denn sie liegt auf der ständigen Linie des Bundesarbeitsgerichts zu den Anforderungen an eine Lohnrückzahlung und überträgt diese nun auch auf Tätigkeiten im Homeoffice.

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin ist diplomierte Pflegewirtin und verfügt über einen Magisterabschluss in Medizinpädagogik. Ihre Tätigkeit trat sie zum 1.12.2021 bei dem beklagten Pflegedienst mit einem Monatsgehalt von 4.100,00 € brutto an.

Der Arbeitgeber betreibt neben dem Pflegedienst eine Tagespflegeeinrichtung sowie eine Einrichtung des betreuten Wohnens. Der Klägerin war dabei gestattet, ihre Tätigkeiten auch im Homeoffice zu erbringen. Die Arbeitszeiten waren monatlich in einer vorgegebenen Tabelle nach Arbeitsbeginn und Arbeitsende zu erfassen. Die Klägerin hatte dabei insbesondere die Aufgabe, das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen zu überarbeiten.

In der Zeiterfassung für den Monat Dezember 2021 trug die Klägerin 116,15 Stunden im Homeoffice ein, bei einer Gesamtarbeitszeit von 199,15 Stunden. Am 14.12.2021, einem Arbeitstag im Homeoffice, übersandte die Klägerin einer anderen Mitarbeiterin eine E-Mail, in der sie um nähere Informationen zu Betreuungsverträgen zur Regelung mit den Auszubildenden bat.

Im Monat Januar wies die Gesamtarbeitszeit 166,15 Stunden aus, davon 107,45 Stunden im Homeoffice. Am 20. und 21.1. übersandte die Klägerin jeweils aus ihrem Homeoffice E-Mails an Mitarbeiterinnen zu verschiedenen Qualitätsmanagement-Arbeiten. Auch nahm sie nochmals Bezug auf ihre E-Mail aus Dezember 2021. Sie äußerte sich in den E-Mails auch zur Zusammenarbeit mit anderen Pflegefachkräften und über verschiedene Gespräche mit Mitarbeitern. Am 31.1.2022 berichtete sie, wiederum aus dem Homeoffice, über aufgetretene Konflikte mit Mitarbeiterinnen. Zudem bemängelte sie eine fehlende Rückinfo zu den übersandten Dokumenten.

Im Februar 2022 war sie bei insgesamt 167,45 Stunden im Homeoffice in einem Umfang von 60,15 Stunden tätig. Im März 2022 wiesen die Homeofficezeiten 16,30 Stunden aus, bei insgesamt 188,45 Stunden. Seit dem 28.3.2022 war sie aufgrund eines Arbeitsunfalls krankheitsbedingt arbeitsunfähig.

Die Entgeltfortzahlung endete am 8.5.2022. Mit Schreiben vom 16.5.2022 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Probezeit ordentlich zum 31.5.2022. Die Klägerin verfügte noch über einen Resturlaubsanspruch von neun Tagen.

Der Beklagte forderte die Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 23.6.2022 zur Rückzahlung von gezahltem Bruttolohn für 300,75 Arbeitsstunden im Homeoffice in Höhe von insgesamt 7.112,74 € brutto auf. Der Beklagte erklärte die Aufrechnung gegen noch offene Lohnansprüche aus der Entgeltfortzahlung und der Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Aufrechnung sei unzulässig. Ein Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt für Arbeitsstunden im Homeoffice bestehe nicht. Sie habe ihre Tätigkeiten im Homeoffice sehr wohl erbracht. Dies ergebe sich schon aus dem E-Mailverkehr.

Die Klägerin hat daher den einbehaltenen Arbeitslohn in Höhe von 3.447,56 € netto sowie einbehaltene Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.845,00 € brutto (neun Urlaubstage) klageweise geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben und die Widerklage des Arbeitgebers auf Zahlung von 7.112,75 € brutto abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landearbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn!

Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt ganz oder teilweise, wenn er seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfange nachkommt. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Vergütung aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen ist, z.B. wegen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Rechtsprechung hat hierzu den Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ kreiert. Die Erbringung der Arbeitsleistung ist eine Fixschuld, die an feste Zeiten, also an bestimmte Tage und Stunden gebunden ist und grundsätzlich nicht nachgeholt werden kann.

II. Arbeitgeber trägt Darlegungs- und Beweislast

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Erst wenn der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nachgekommen ist, kann dann der Arbeitnehmer hierauf substantiiert erwidern.

Das Landesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall klargestellt, dass dieser Grundsatz uneingeschränkt auch bei Arbeitsleistungen im Homeoffice besteht. Arbeitnehmer müssen also im Homeoffice nicht von sich aus im Einzelnen darlegen und beweisen, welche Tätigkeiten sie erbracht haben. Erst wenn der Arbeitgeber ihnen konkret vorhält, an welchen Tagen sie nicht und aus welchem Grund gearbeitet haben sollen, können sie dann hierauf detailliert erwidern und sich verteidigen.

III. Pauschale Vermutungen reichen nicht aus

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber nicht konkret dargelegt, in welchem Umfang die Klägerin im Homeoffice ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt und keine Arbeitsleistungen erbracht haben soll. Der Arbeitgeber hat weder eine Nichtleistung im Umfang von 300,75 Stunden noch in geringerer Anzahl belegt.

Das Gericht hat im Gegenteil darauf verwiesen, dass sie im Homeoffice verschiedene Arbeitsleistungen erbracht hatte, was sich insbesondere aus den E-Mails ergibt, die die Klägerin während ihrer Homeofficetage an den Arbeitgeber und an andere Beschäftigte versandt hatte. Soweit den E-Mails Anlagen beigefügt waren, ließen diese auf weitere vorangegangene Arbeitsleistungen schließen.

Allein die Tatsache, dass sie das gewünschte Qualitätshandbuch nicht vollständig zu Ende gearbeitet hat, ließe noch nicht darauf schließen, dass sie im Homeoffice überhaupt nicht gearbeitet hat. Es sei auch unerheblich, ob die Klägerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder dem gewünschten Umfang erledigt hat. Das Landesarbeitsgericht verweist insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Arbeitnehmer seiner Leistungspflicht genügt, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet.

Fazit:

Wird Homeoffice vereinbart, haben Arbeitnehmer den vollen Vergütungsanspruch. Die pauschale Vermutung, Arbeiten würden nicht oder nicht vollständig erbracht, reicht nicht für eine Lohnrückzahlung oder aber den Einbehalt von Arbeitslohn aus. Wir weisen aber darauf hin, dass dem Arbeitgeber natürlich auch bei Tätigkeiten im Homeoffice weiterhin das volle Direktionsrecht zusteht. Arbeitgeber sind daher frei, bestimmte Tätigkeiten zu übertragen und die Mitarbeiter im Homeoffice entsprechend anzuweisen. Letztlich kann das Direktionsrecht auch in Zweifelsfällen dazu genutzt werden, Tätigkeitsnachweise für jeden Tag auszufüllen. Der pauschale Einbehalt von Lohn oder die Rückforderung sind aber nicht möglich.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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