06.06.2023

Schon die (geringfügige) Übernahme von Hausreinigungen kann die erweiterte Gewerbesteuerkürzung § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausschließen

Immobilienunternehmen und speziell Wohnungsunternehmen müssen infolge der erweiterten Gewerbesteuerkürzung regelmäßig keine Gewerbesteuer entrichten (credit: adobestock)

Der Steuerstreit um die erweitere Gewerbesteuerkürzung ist ein leidiger Dauerbrenner für die Immobilienwirtschaft. Kein Wunder, ist doch § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG mit seinen Tatbestandsvoraussetzungen, den zahlreichen Ausnahmetatbeständen, dem Ausschließlichkeitsgebot und dem weitgehenden Fehlen von Bagatellschwellen ein echtes steuerliches Minenfeld.

Eine weitere solche „Mine“ hat jetzt der BFH mit Urteil vom 16.02.2023, III R 49/20, (veröffentlicht am 01.06.2023) hinzugefügt.

I. Der Fall:

Gegenstand des klagenden Grundstücksunternehmens X-GmbH ist der An- und Verkauf von Grundbesitz sowie die Bebauung von Grundstücken für eigene und fremde Rechnung. Die X-GmbH ist Eigentümerin fremdvermieteter Wohnimmobilien, die von einer anderen GmbH verwaltet wurden. Ihr Büro hatte die X-GmbH im Obergeschoss eines im Eigentum ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer stehenden Gebäudes mit weiteren Wohnungen. Sie übernahm für das Objekt die Reinigung des Treppenhauses und des Hauseingangspodests und berechnete den Gesellschaftern hierfür 1.647,00 € für das Jahr 01 und 1.647,84 € für das Jahr 02.

Das Finanzamt und das erstinstanzliche FG Berlin-Brandenburg vertraten die Auffassung, die X-GmbH habe Reinigungsleistungen erbracht und damit gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verstoßen habe. Die strittigen Reinigungsleistungen seien begünstigungsschädlich. Die Übernahme der Reinigung eines Treppenhauses könne selbst nicht als Bewirtschaftungsbetreuung angesehen werden. Eine Gebäudereinigung gehört zwar zu den Tätigkeiten, die für eine ordnungsmäßige Instandhaltung eines Gebäudes erforderlich sind, die isolierte Reinigungsleistung sei aber keine Betreuungsleistung. Zu unterscheiden sei die Betreuungsleistung (Beauftragung und Überwachung der Gebäudereinigung) von der tatsächlichen Durchführung (Erbringung der Reinigungsleistung), ansonsten würde jede Handwerksleistung, die regelmäßig in einem Wohnungsbau anfällt zugleich eine Baubetreuung darstellen.

Die Revision der X-GmbH beim BFH hatte keinen Erfolg.

II. Aus den Entscheidungsgründen

1. Erweitere Gewerbesteuerkürzung

Kapitalgesellschaften wie die X-GmbH sind kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig.

  • Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gemäß § 8 GewStG um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt (einfache Gewerbesteuerkürzung).
  • Auf Antrag tritt gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder bestimmte Immobilien errichten und veräußern, an Stelle der einfachen Kürzung die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Gewerbesteuerkürzung). In vielen Fällen lässt sich die Gewerbesteuer so insgesamt eliminieren.

2. Ausschließlichkeitsgebot

  • Die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bedeutet, dass grundsätzlich nur die begünstigte Tätigkeit ausgeübt werden darf.
  • Es muss sich ausnahmslos um eigenen Grundbesitz handeln.
  • Nebentätigkeiten sind ausnahmsweise begünstigungsunschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und ‑nutzung angesehen werden können. Die nicht begünstigungsschädlichen, selbst jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt, darunter die Betreuung von Wohnungsbauten.

3. Betreuung von Wohnungsbauten (Bewirtschaftungsbetreuung)

Entgeltliche Reinigungsleistungen unterfallen nicht der steuerunschädlichen Betreuung von Wohnungsbauten. Unter Betreuung eines Gebäudes versteht man sowohl die Baubetreuung als auch die Bewirtschaftungsbetreuung des bereits fertiggestellten Gebäudes.

Die Bewirtschaftungsbetreuung umfasst die Verwaltung der Immobilie und die praktische Betreuung des Gesamtobjekts vor Ort. Eine Immobilie im diesem Sinne betreut nur, wer sie verwaltet oder wer die Hauptverantwortung vor Ort in dem Sinne trägt, dass er sich um das Gesamtobjekt kümmert und in Abwesenheit der Eigentümer und eines Vertreters der Verwaltung die Hauptverantwortung für das Objekt trägt und als Hauptansprechpartner dient.

Danach gehört die Reinigung der in fremden Eigentum stehenden Gemeinschaftsflächen gegen Entgelt nicht zur Betreuung von Wohnungsbauten und auch nicht zur Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes.

  • Eine über ihren Reinigungsauftrag hinausgehende Verantwortung der X-GmbH für die Immobilie bestand nicht.
  • Die bloße Reinigung von Gemeinschaftsflächen ist keine Bewirtschaftungsbetreuung.
  • Die X-GmbH hat sich vor Ort nicht um das Gesamtobjekt gekümmert und war auch nicht Hauptansprechpartnerin.
  • Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an.
  • Vom Ausschließlichkeitsgebot sind auch in Bagatellfällen keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten.

Anders zu beurteilen wäre der Fall der Reinigung von Gemeinschaftsflächen in einer eigenen Immobilie durch den Vermieter, nicht (wie im Streitfall) in einer fremden Immobilie durch den Nutzer gegen Entgelt (vgl. BFH-Urteil vom 14.07.2016, IV R 34/13).

III. Fazit und Empfehlung

Immobilienunternehmen und speziell Wohnungsunternehmen müssen infolge der erweiterten Gewerbesteuerkürzung regelmäßig keine Gewerbesteuer entrichten. Diese steuerliche Vergünstigung hängt oft am seidenen Faden, wie die umfangreiche Rechtsprechung belegt. Jeder Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot durch noch so geringe gewerbliche Tätigkeit macht diese Vergünstigung zunichte. Bagatellschwellen gibt es nicht. Lediglich die die im GewStG abschließend aufgeführten unschädlichen Nebentätigkeiten sind auch wirklich steuerunschädlich.

Die sich als letzter Strohhalm bietende Argumentation,

„dass die entgeltlichen Reinigungsleistungen in dem fremden Gebäude als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes der Klägerin und als unschädliche Nebentätigkeit im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden können“,

hilft in der Regel nicht weiter. Dass Immobiliengesellschaften sich darauf nicht verlassen sollten, belegt das aktuelle Urteil des BFH.

Die Empfehlung für die betroffene Immobilienwirtschaft kann nur lauten, jegliche nicht im Gesetz aufgeführte steuerunschädliche Nebentätigkeit konsequent zu vermeiden. Geschäftsführer sollten darauf unbedingt achten. Im Zweifel muss steuerrechtlicher Rat eingeholt werden.

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