27.08.2025 -
Gilt das Kündigungsschutzgesetz für abberufene Geschäftsführer? Vertragsgestaltung und Kündigungszeitpunkt sind entscheidend.
Kündigungsschutz für Geschäftsführer? Entscheidend sind Vertragsform und Zeitpunkt der Abberufung (credits: adobestock).

Das Kündigungsschutzgesetz gilt nicht für Geschäftsführer, § 14 Abs. 1 KSchG. Geschäftsführer sind auch keine Arbeitnehmer, § 5 Abs. 1 ArbGG. In der Praxis kommt es immer wieder zu der Frage, ob sich ein Geschäftsführer, der zwar abberufen, aber noch nicht gekündigt wird, auf den Kündigungsschutz berufen kann, wenn die Kündigung erst zeitlich später erfolgt. Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte nun eine spezielle Fallgestaltung zu dieser Problematik zu entscheiden (Hessisches Landesarbeitsgericht v. 28.2.2025, 14 SLa 578/24). Es handelt sich zwar um eine sehr spezielle Fallkonstellation. Dennoch bietet die Entscheidung Anlass für allgemeine Hinweise zur Vertragsgestaltung und soll daher hier besprochen werden.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Unternehmen seit dem 1.4.2021 als „Geschäftsführer“ zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von rund 20.429,34 € beschäftigt. Der Vertrag lautet auszugsweise:

§ 2 Aufgabengebiete

Der Mitarbeiter wird als Geschäftsführer A (Vice President für A) eingestellt.

Der Mitarbeiter ist leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Er ist hierarchisch dem Generaldirektor der B in Deutschland (…) und funktional dem Generaldirektor der Marke A (…) unterstellt. (…)

§ 2a Geschäftsführertätigkeit

Im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter wird dieser auf Wunsch der Konzernleitung als Geschäftsführer bei der Gesellschaft oder einer anderen Konzerngesellschaft tätig. Ein Anspruch auf die Übertragung einer Geschäftsführerstelle wird durch diesen Vertrag nicht begründet.“

Der Kläger wurde zum Geschäftsführer bestellt und auch in das Handelsregister eingetragen. Am 8.11.2022 wurde ihm mitgeteilt, dass er als Geschäftsführer abberufen werde. Ab diesem Zeitpunkt nahm er keine Geschäftsführeraufgaben mehr wahr. Er wurde fortan bei der Beklagten im Organigramm als seinem Nachfolger unterstellter „Special Project Manager“ geführt. Der Kläger nahm diese Aufgaben aber nicht wahr.

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 1.2.2023 wurde die Bestellung als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung widerrufen. Die Gesellschaft suchte für den Kläger nach dessen Abberufung als Geschäftsführer erfolglos eine gleichwertige Stelle.

Einige Monate am 28.6.2023 erhielt der Kläger ein Kündigungsschreiben mit Wirkung zum 31.12.2023. Der Geschäftsführer hat sich auf die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz berufen. Die Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG greife für ihn nicht, da er nach seiner Abberufung nicht direkt gekündigt worden sei. Für die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG komme es vielmehr darauf an, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die organschaftliche Stellung bestanden habe.

Das Arbeitsgericht hat ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtkräftig festgestellt. Es hat aber den Kläger als Geschäftsführer im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG angesehen und daher den Kündigungsschutz abgelehnt. Lediglich die Kündigungsfrist wurde gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB auf sieben Monate verlängert. Das Arbeitsgericht hat daher die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2024 festgestellt.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes bejaht und festgestellt, dass die ausgesprochene Kündigung nicht sozial gerechtfertigt war.

I. Sonderfall hier: Arbeitsvertrag

Im vorliegenden Fall hatte das Arbeitsgericht bereits rechtskräftig festgestellt, dass die Parteien eigentlich einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatten und es sich nicht um einen Geschäftsführerdienstvertrag gehandelt hat, also einen Dienstvertrag. Stellt aber ein Arbeitsvertrag die Grundlage für die Geschäftsführertätigkeit dar, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur zeitgleich mit der Abberufung als Geschäftsführer kündigen und so den allgemeinen Kündigungsschutz des Arbeitnehmers verhindern. Im vorliegenden Fall hatte aber der Arbeitgeber genau diesen Weg nicht gewählt. Vielmehr wurde der Geschäftsführer abberufen und erst Monate später gekündigt. Durch die Abberufung entfiel dann aber das Privileg des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG.

Hinweis für die Praxis:

Sieht ein Arbeitgeber von sich aus davon ab, das Arbeitsverhältnis während der Organstellung des Arbeitnehmers zu kündigen, führt dies unweigerlich zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes. Die später ausgesprochene Kündigung muss dann dem Maßstab des § 1 KSchG genügen, also sozial gerechtfertigt sein.

II. Vertragsgestaltung beachten

Im vorliegenden Fall kam ein Weiteres hinzu. Der Arbeitgeber hatte sich ausdrücklich das Recht vorbehalten, dem Arbeitnehmer unabhängig von dessen Organstellung Arbeitsaufgaben zuzuweisen. Das LAG hat insoweit ausgeführt, dass es widersprüchlich sei, wenn der Arbeitgeber einerseits zum Ausdruck bringt, sich eine Beschäftigung des Arbeitnehmers unabhängig von dessen Amtsstellung vorstellen zu können und diese auch beanspruchen zu wollen, andererseits aber im Entfallen der Anstellung allein einen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erblickt, so dass es auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht ankommen soll.

Fazit:

Die Entscheidung macht zunächst deutlich, dass besonderes Augenmerk auf die Vertragsgestaltung zu legen ist. Aus Arbeitgebersicht ist es dringend zu empfehlen, keinen Arbeitsvertrag mit einem Geschäftsführer abzuschließen, sondern einen Geschäftsführerdienstvertrag. Zudem sollte man sich nicht ausdrücklich vorbehalten, einen Geschäftsführer nach dessen Abberufung auch mit anderweitigen Aufgaben weiterbeschäftigen zu können.

Als zweites gilt der dringende Hinweis, mit der Abberufung als Organ zeitgleich auch eine Kündigung auszusprechen. Erfolgt keine zeitgleiche Kündigung, sondern wird die Kündigung erst später ausgesprochen, kann dies zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes führen. Legt ein Geschäftsführer sein Amt als Geschäftsführer allein deshalb nieder, um in den Genuss des Kündigungsschutzes zu gelangen, wird er sich hierauf nach Auffassung des LAG in entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB nicht berufen können. Eine Niederlegung zum Schein ist also aus Sicht des Geschäftsführers zu vermeiden, da er anderenfalls schon deshalb seinen Kündigungsschutz verliert. Das Verfahren ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 2 AZR 89/25 anhängig, aber noch nicht terminiert. Wir werden über die weitere Entwicklung der Rechtsprechung berichten.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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