15.02.2023 -

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Beendigung alternierender Telearbeit (Homeoffice)

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Beendigung alternierender Telearbeit (Homeoffice)?
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Beendigung alternierender Telearbeit (Homeoffice)? (credit:adobestock)

Die Pandemie hat zu vielen Fragen im Zusammenhang mit Homeoffice geführt. Wir haben bereits häufig darüber berichtet. Die Tätigkeit im Homeoffice, auch Telearbeit genannt, ist in vielen Unternehmen mittlerweile Realität geworden. Nun kommt es verstärkt zu Einzelfragen. Dazu gehören u.a. betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Beschluss klargestellt, dass es sich bei der Beendigung von alternierender Telearbeit um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung nach § 99 BetrVG handelt (BAG v. 20.10.2021 – 7 ABR 34/20 ).

Der Fall (verkürzt):

Bei dem antragstellenden Arbeitgeber handelt es sich um ein Unternehmen, das zum Konzern der Deutschen Telekom AG gehört. Antragsgegner in dem Verfahren ist der dort gebildete Betriebsrat.

Der Arbeitgeber vereinbarte mit einer Arbeitnehmerin nach deren Elternzeit schon seit dem Jahre 2007 die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes sowie die Beschäftigung in alternierender Telearbeit. In der Folgezeit erbrachte die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistung dann auch ganz überwiegend an ihrem häuslichen Arbeitsplatz im Homeoffice.

In der Vereinbarung über diese Telearbeit war der Widerruf der Telearbeit mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende ohne Angaben von Gründen vereinbart vorgesehen. Zudem fand auf das Arbeitsverhältnis ein spezieller „Telearbeits-Tarifvertrag für die Mitglieder des agv:comunity“ Anwendung.

Der Arbeitgeber widerrief die Vereinbarung im April 2019 gegenüber der Arbeitnehmerin und forderte sie auf, zum 1. Juli 2019 wieder an ihrem eingerichteten Arbeitsplatz in der Betriebsstätte die Arbeitsleistung zu erbringen.

Gleichzeitig wurde dem Betriebsrat eine Mitbestimmungsvorlage nach § 99 BetrVG zugleitet. Diese enthielt u.a. folgende Information:

„Widerruf des Telearbeitsplatzes zum 1. Juli 2019, weil der damalige Grund für die Einrichtung dieses alternierenden Telearbeitsplatzes, die Betreuung eines Kindes nach zwölf Jahren zwischenzeitlich weggefallen ist. Zudem macht es die Veränderung in den Aufgaben die durch T entstandene Mehrarbeit und Aufgabenstellung notwendig, dass hier engere und kurzfristige Abstimmungen im Team erfolgen müssen und eine Anwesenheit vor Ort erfordern.“

Der Betriebsrat hat der Versetzung nicht zugestimmt. Er hat sich dabei insbesondere auf die Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 BetrVG berufen. Der Widerruf entspreche auch nicht billigem Ermessen. Allein der Wegfall der Kinderbetreuungsnotwendigkeit reiche für einen Widerruf nicht aus. Zudem werde die Mitarbeiterin durch den Widerruf wegen der entstehenden Wegezeiten und Fahrtkosten benachteiligt. Auch seien betriebliche Notwendigkeiten nicht gegeben. Die Erbringung der Arbeit sei nach wie vor von dem alternierenden Telearbeitsplatz aus möglich.

Das Arbeitsgericht hat dem Zustimmungsversetzungsantrag des Arbeitgebers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrates dagegen zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Ende Telearbeit/Homeoffice als Versetzung

Der Begriff der Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG ist in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG definiert. Es handelt sich dabei um die Zuwendung eines anderen Arbeitsbereiches, der die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Voraussetzungen hier bejaht. Die Beendigung der alternierenden Telearbeit und ihre ausschließliche Beschäftigung an der Betriebsstätte ist mit einem dauerhaften Wechsel des Arbeitsortes verbunden. Schon aus diesem Grund ist sie als Versetzung anzusehen. Eine Versetzung liegt nämlich immer dann vor, wenn ein anderer Arbeitsort zugewiesen wird. Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob sich die Arbeitsaufgaben ändern oder der Mitarbeiter in eine andere organisatorische Einheit eingegliedert wird. Auch diese Voraussetzungen wären hier aber erfüllt. Denn durch die Einordnung der Arbeitnehmerin in die Arbeitsabläufe in der Betriebsstätte wird der Arbeitsbereich grundlegend geändert.

Hinweis für die Praxis:

Damit steht nun für die Praxis fest, dass sowohl die Versetzungen von der Betriebsstätte in das Homeoffice wie auch umgekehrt mitbestimmungspflichtig sind. Besteht also ein Betriebsrat und wird mit einem Mitarbeiter die volle oder auch nur alternierende Telearbeit vereinbart, muss der Betriebsrat beteiligt werden. Erfolgt eine Rückversetzung in den Betrieb und die Beendigung der Homeoffice-Vereinbarung führt dies ebenfalls wiederum zu einer neuen mitbestimmungspflichtigen Versetzung.

II. Welche Zustimmungsverweigerungsgründe gelten?

Der Betriebsrat hat sich hier auf die Zustimmungsverweigerungsgründe der Nummern 1. und 4. berufen. Bei der Nummer 1. geht es um die Zustimmungsverweigerung, wenn die personelle Maßnahme gegen Rechtsvorschriften verstößt. Hier hat das Bundesarbeitsgericht eine erfreuliche Klarstellung gemacht. Die Frage der individualrechtlichen Zulässigkeit des Widerrufs ist nicht Gegenstand des Zustimmungsverweigerungsgrundes nach Nummer 1. Die Voraussetzungen für die individualrechtliche Wirksamkeit, die zur Beendigung der alternierenden Telearbeit führen, betreffen nicht den Einsatz in der Betriebsstätte als Realakt. Nur dieser fällt dabei unter den Zweck der betreffenden Norm.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellung und Versetzung ist dagegen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle. Es ist also nicht Aufgabe des Betriebsrats im Rahmen des § 99 Abs. 2 Nr. 1. BetrVG, die Einhaltung des Inhalts des Arbeitsvertrages zu überwachen. Daher konnte sich der Betriebsrat nicht mit Erfolg auf eine etwaige Unwirksamkeit des Widerrufs aus individualrechtlichen Gründen berufen.

Der weitere Verweigerungsgrund nach Nummer 4. bezieht sich auf eine etwaige Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers durch die Personalmaßnahme. Der Betriebsrat muss dann darlegen können, dass diese Benachteiligung auch nicht aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist. Auch dazu hat das BAG erfreuliche Hinweise gegeben. So ist eine Versetzung, die durch den Vollzug einer unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers bedingt ist, in der Regel aus betrieblichen Gründen immer gerechtfertigt. Denn die unternehmerische Entscheidung ist im Rahmen von Nummer 4. nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern als vorgegebener betrieblicher Grund vom Betriebsrat hinzunehmen. Der Betriebsrat kann deshalb nicht über einen auf diese Vorschrift gestützten Widerspruch erzwingen, dass die unternehmerische Entscheidung rückgängig gemacht wird.

Hinweis für die Praxis:

Oft ist aber die Organisationsentscheidung und die darauf beruhende Versetzungsmaßnahme praktisch deckungsgleich. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber seiner Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit verdeutlichen und die Organisationsmaßnahme auf sachlich nachvollziehbare, plausible Gründe stützen. Diese plausiblen Gründe haben die Gerichte vorliegend bejaht.

Fazit:

Versetzungen im Rahmen vereinbarter Telearbeit/Homeoffice sind mitbestimmungspflichtig nach § 99 BetrVG. Der Betriebsrat kann aber die Gründe für eine Versetzung oder die Rückversetzung nicht individualrechtlich prüfen. Das ist nicht Aufgabe des Mitbestimmungsverfahren nach §§ 99 ff. BetrVG. Organisatorische Entscheidungen des Arbeitgebers sind regelmäßig gerechtfertigt, wenn sie auf sachlich nachvollziehbaren plausiblen Gründen beruhen.

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