21.02.2023

Der BFH legt mit seinem am 09.02.2023 veröffentlichten Urteil vom 15.11.2022, IX R 4/20, die Latte für die steuerliche Anerkennung sehr hoch

Nießbrauch und Quotennießbrauch am Gesellschaftsanteil einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft
Gesellschafter und Nießbraucher sind gut beraten, ihre Vertragslage zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen (Credit:adobestock)

Worum geht es ?

Der Fall [hier vereinfacht] klingt zunächst banal und unverdächtig. Die Eltern bringen ihre vermietete Immobilie in eine vermögensverwaltende Familiengesellschaft ein. Der Vater V räumt seinem Sohn S schenkweise einen Nießbrauch mit einer Quote von 50 % an seinem Gesellschaftsanteil ein (sog. Quotennießbrauch). Das kann wie im Streitfall auch zeitlich befristet geschehen, um bspw. Kindern während des Studiums eine Einkünftequelle anstatt steuerlich unbeachtlicher Unterhaltszahlungen zu gewähren.

Der Vertrag sieht vor, dass

  • in laufenden Angelegenheiten der GbR im Hinblick auf den Quotennießbrauch das einheitliche Stimmrecht aus dem Anteil nur gemeinsam ausgeübt werden kann. Wenn V und S keine Einigung erzielen können, hat eine Stimmenthaltung des V zu erfolgen hat.
  • bei Beschlüssen, welche die Grundlage der GbR oder den Kernbereich der Mitwirkungsrechte (wie etwa das Verbot der Änderung der Gewinnbeteiligung oder der Beschneidung des Auseinandersetzungsguthabens) betreffen, V das Stimmrecht allein ausübt, wobei sich S sein Zustimmungsrecht nach § 1071 BGB vorbehält.

Das Finanzamt ordnete den Gewinn der GbR dem V in Höhe seiner Beteiligung zu. Einen Gewinnanteil für S wurde nicht berücksichtigt. Die aufgrund des Nießbrauchs an S gezahlten Beträge behandelte das Finanzamt als steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung. Klage und Revision des V bleiben ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen

Die Vorüberlegungen des BFH lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Wenn S anteilig Vermietungseinkünfte zugerechnet werden sollen, muss S selbst Vermieter sein. Denn Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) sind demjenigen persönlich zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftsart erfüllt hat.
  • Im Regelfall ist dies, wer die rechtliche oder tatsächliche „Macht“ hat, das Objekt anderen entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen; er muss grundsätzlich Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag sein.
  • Schließen sich mehrere Personen zu einer Personengesellschaft zusammen, um gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, sind die Einkünfte den Gesellschaftern anteilig zuzurechnen, wenn sie den Tatbestand der Einkunftsart in gesamthänderischer Verbundenheit verwirklichen.

Für den Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft leitet der BFH daraus ab:

  • Die Einkünftezurechnung beim Nießbraucher setzt voraus, dass ihm kraft der vertraglichen Vereinbarungen über die Nießbrauchbestellung eine Position eingeräumt ist, die der eines Gesellschafters im Wesentlichen entspricht.
  • Es kommt darauf an, ob der Nießbraucher insgesamt oder beim Quotennießbrauch „teilweise“ anstelle des Gesellschafters die diesem in der Gesellschaft zustehenden wesentlichen Mitbestimmungsrechte effektiv ausüben kann, so dass er bei wirtschaftlicher Betrachtung selbst (gegebenenfalls „anteilig“) als Gesellschafter anzusehen ist.
  • Maßgeblich hierfür ist die Ausgestaltung der Verträge (Nießbrauch- und GbR-Vertrag).

Die Verteilung der Stimmrechte ist das entscheidende Kriterium

Stimmrechte sind nicht teilbar. Sie müssen einheitlich ausgeübt werden. Das bedeutet für den

– Nießbrauch:

Dem Nießbraucher eine an die Stellung des Gesellschafters angenäherte Position nur eingeräumt, wenn er die wesentlichen Stimm- und Verwaltungsrechte des Gesellschafters nicht nur diesem gegenüber (intern) ausüben, sondern auch durchsetzen kann. Dies erfordert es, dass der Nießbraucher den Gesellschafter zumindest „blockieren“ und damit verhindern kann, dass der Gesellschafter Entscheidungen mitbeschließen kann, die dem Willen des Nießbrauchers entgegenstehen.

– Quotennießbrauch:

Auch beim Quotennießbrauch ist es erforderlich, dass der Nießbraucher in gleicher Weise wie der Gesellschafter an der Willensbildung der Gesellschaft mitwirken kann. Das ist nur der Fall, wenn der Gesellschafter die Entscheidungen ‑‑und zwar auch solche, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen‑‑ nicht alleine und/oder gegen den Willen des Quotennießbrauchers treffen kann.

Im Streitfall fehlt es an der Berechtigung des Quotennießbrauchers S, auch in Bezug auf die Grundlagengeschäfte der Gesellschaft mitzuwirken. Insoweit hatte sich V vorbehalten, alleine entscheiden. Der Zustimmungsvorbehalt für S gemäß § 1071 BGB versetzt S nicht in die Lage, anstelle des V die diesem in der Gesellschaft zustehenden wesentlichen Mitbestimmungsrechte auszuüben.

Fazit und Empfehlung

Das wegweisende Urteil wird angesichts der Vielzahl in der Praxis vorkommender (Quoten-) Nießbrauchgestaltungen bei vermögenverwaltenden Personengesellschaften, insbesondere bei Familiengesellschaften eine große Tragweite haben. Oftmals wir ein Quotennießbrauch zugunsten des Ehepartners oder des überlebenden Ehepartners ausgesetzt.

Bislang dürfte in den meisten Fällen unproblematisch von einer Einkünftezurechnung auch beim Quotennießbraucher ausgegangen worden sein. Es steht zu befürchten, dass sich das ändern wird.

Gesellschafter und Nießbraucher sind gut beraten, ihre Vertragslage zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen.

Andererseits wird sich der ein oder andere Elternteil die Frage stellen, ob er sich freiwillig derart weitgehende Zustimmungsfesseln seiner Kinder anlegen lassen will. Ob dann mit speziell auf diese Situation angepassten Störfallklauseln im Vertrag über die Gewährung des Nießbrauchs Abhilfe geschaffen werden kann, bliebe zu prüfen.

Autor: Andreas Jahn

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Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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