08.10.2025 -
LAG Niedersachsen: Betriebsratsmitglieder haben Anspruch auf personalisierte E-Mail-Adressen – § 40 Abs. 2 BetrVG gilt auch für einzelne Mitglieder.
Das LAG Niedersachsen hatte zu entscheiden: Haben einzelne Betriebsratsmitglieder Anspruch auf personalisierte E-Mail-Adressen? (credits: adobestock)

In vielen Betrieben ist für den Betriebsrat eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet. Unter dieser E-Mail-Adresse können die Mitarbeiter den Betriebsrat erreichen. Gerade in größeren Betrieben wird dies aber häufig als nicht ausreichend empfunden. Für die Sacharbeit unterhalten dann auch die einzelnen Betriebsratsmitglieder personalisierte E-Mail-Adressen. Richtet der Arbeitgeber dies freiwillig ein, ergeben sich keinerlei Rechtsprobleme. Wie verhält es sich aber, wenn der Arbeitgeber sich weigert? Haben die einzelnen Betriebsratsmitglieder dann Anspruch auf Bereitstellung von personalisierten E-Mail-Adressen? Diese wichtige Frage hat nun das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in einem aktuellen Beschluss für die Praxis bejaht (LAG Niedersachsen v. 25.4.2025, 17 TaBV 62/24).

Der Fall:

Der beteiligte Arbeitgeber betreibt mehrere hundert Supermärkte in ganz Deutschland. Auf der Grundlage eines Zuordnungstarifvertrages nach § 3 BetrVG sind Betriebsratsbezirke festgelegt worden.

Die Antragsteller des vorliegenden Falles sind Betriebsratsmitglieder des im Betriebsratsbezirk 5 gewählten Betriebsrats.

Diesem Betriebsrat steht eine eigene E-Mail-Adresse unter der von dem Arbeitgeber betriebenen Domian „n.-online.de“ zur Verfügung. Auf diese E-Mail-Adresse können die Betriebsratsmitglieder zugreifen. Den antragstellenden Betriebsratsmitgliedern hat der Arbeitgeber demgegenüber keine personalisierten E-Mail-Adressen zur Nutzung zur Verfügung gestellt.

Anderen Mitarbeitern, z.B. freigestellten Betriebsratsmitgliedern, stellt der Arbeitgeber personalisierte E-Mail-Adressen zur Verfügung. Zum Teil sind diese derart konfiguriert, dass mit ihnen E-Mails auch an E-Mail-Adressen außerhalb der betriebseigenen Domain geschrieben und von solchen Adressen E-Mails empfangen werden können. Andere E-Mail-Adressen lassen lediglich eine Kommunikation mit Adressen derselben Domain zu.

In jeder Filiale des Arbeitgebers hängt eine Liste der Telefonnummern der freigestellten Betriebsratsmitglieder aus. Mitarbeiter können so Kontakt mit Mitgliedern des Betriebsrats aufnehmen.

Die Antragsteller haben vorgetragen, die von ihnen verlangten E-Mail-Adressen mit entsprechender Konfiguration sowohl für interne als auch externe Kommunikation seien notwendig, um im Rahmen ihrer Betriebsratstätigkeit angemessen mit den Arbeitnehmern kommunizieren zu können. Nennenswerte Kosten verursache dies nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge in 1. Instanz zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das LAG dem Arbeitgeber aufgegeben, die personalisierten E-Mail-Adressen zur Verfügung zu stellen.

I. Anspruch auf erforderliche Informations- und Kommunikationstechnik

Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung zur Verfügung zu stellen. Dieser Anspruch steht nach Ansicht des LAG nicht nur dem Betriebsrat als Gremium zu, sondern vielmehr auch jedem einzelnen Betriebsratsmitglied. Auch ein einzelnes Betriebsratsmitglied kann Ansprüche auf § 40 Abs. 2 BetrVG stützen, sofern Sachmittel für seine Tätigkeit in eigener Verantwortung erforderlich sind. Dies deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Ansprüche aus § 40 Abs. 1 BetrVG ebenfalls einzelnen Betriebsratsmitgliedern zustehen können (z.B. zur Erstattung von Kinderbetreuungskosten oder Reisekosten).

II. Betriebsratsbeschluss nicht erforderlich!

Der Arbeitgeber hatte hier weiter eingewandt, der Anspruch scheitere auch daran, dass der Betriebsrat als Gremium keinen entsprechenden Betriebsratsbeschluss über die personalisierten E-Mail-Adressen gefasst hätte. Auch dem ist das LAG entgegengetreten. Der Wortlaut von § 40 Abs. 2 BetrVG macht Ansprüche nicht von einem Beschluss des Gremiums abhängig. Auch in § 40 Abs. 1 BetrVG findet sich eine solche Einschränkung nicht. Wird ein Betriebsratsmitglied in eigener Verantwortung tätig und darf auch tätig werden, darf es dann seine Rechte auch eigenständig verfolgen.

Fazit:

Sachmittel im Sinne von § 40 Abs. 2 BetrVG können auch einzelnen Betriebsratsmitgliedern zustehen. Dies ist immer dann der Fall, wenn Betriebsratsmitglieder in eigener Verantwortung handeln. In solchen Fällen, insbesondere bei personalisierten E-Mail-Adressen, ist ein Betriebsratsbeschluss des Gremiums nicht erforderlich.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2025, 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2025, 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen