27.03.2023 -
Eine Entscheidung des Bundessozialgerichts klärt die Frage, ob eine Psychiatrische Institutsambulanz einen eigenen ärztlichen Leiter braucht.
Eine Entscheidung des Bundessozialgerichts klärt die Frage, ob eine Psychiatrische Institutsambulanz einen eigenen ärztlichen Leiter braucht. (credit:adobestock)

In einer aktuellen Entscheidung hat sich das Bundessozialgericht mit einer wichtigen Frage zum Betrieb und zur Ermächtigung Psychiatrische Institutsambulanzen befasst. Die Entscheidung schafft erfreuliche Klarheit in Bezug auf die ärztliche Leitung.

Was sind Psychiatrische Institutsambulanzen?

Psychiatrische Institutsambulanzen (of auch als „PIA“ abgekürzt) sind spezialisierte ambulante Einrichtungen im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie. Psychiatrische Institutsambulanzen erfüllen einen spezifischen Versorgungsauftrag. Geholfen wird dort Kranken, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung eines solchen besonderen, krankenhausnahen Versorgungsangebotes bedürfen. PIAs sind an Krankenhäuser angegliedert. PIAs benötigen eine Ermächtigung des Zulassungsausschusses, um an der ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung teilzunehmen.

Was sind die Regelungen für Psychiatrische Institutsambulanzen?

Die wesentlichen gesetzlichen Regelungen zu PIAs finden sich in § 118 des Sozialgesetzbuch V (SGB V), die die „normalen“ Ermächtigungsregelungen ergänzen. Zu finden z.B. hier. Darüber hinaus sind Details zu den PIA auch im Rahmen einer Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geregelt. Die Informationen dazu veröffentlicht die KBV.

Wer kann Psychiatrische Institutsambulanzen einrichten?

Ursprünglich war nur psychiatrischen Fachkrankenhäusern die Einrichtung von Psychiatrischen Institutsambulanzen möglich. Seit dem Jahr 2000 sind auch psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern zur Einrichtung von PIA ermächtigt. Auch in den Folgejahren kam es zu weiteren Modifikationen der gesetzlichen Regelungen, insbesondere auch mit Detailregelungen für psychosomatische Krankenhäusern sowie für Krankenhäuser mit selbstständigen, fachärztlich geleiteten psychosomatischen Abteilungen zur ambulanten Behandlung psychisch Erkrankter.

Wer arbeitet in einer PIA?

Eine PIA hat den Facharztstandard (Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie, Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie) zu erfüllen. Darüber hinaus sind in PIAs in der Regel weitere, auch nicht-ärztliche Fachkräfte im Sinne eines multiprofessionellen Teams tätig. Details hierzu finden sich wiederum in der Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der KBV.

Braucht eine PIA einen eigenen ärztlichen Leiter?

Trotz umfangreicher Regelungen zu den PIAs schweigt das Gesetz aber zu der Frage, ob eine PIA einen eigenen ärztlichen Leiter braucht. Diese Frage hat nun das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 23.03.2023 (Az. B 6 KA 6/22 R) entschieden.

Der vom BSG entschiedene Fall – worum ging es?

Geklagt hatte die Trägerin eines Psychiatrischen Krankenhauses mit mehreren Standorten, darunter eine Tagesklinik, wo sie eine nach § 118 Ab. 1 SGB V ermächtigte PIA betreibt. Durch die Zusammenfassung mehrerer ursprünglich eigenständiger Krankenhäuser erhöhte sich die Zahl der Standorte dieser Trägerin auf insgesamt neun. Neuer ärztlicher Leiter des gesamten Krankenhauses mit allen Standorten, einschließlich der genannten PIA, wurde ein Arzt. Den Wechsel des ärztlichen Leiters zeigte die Trägerin dem Zulassungsausschuss an und bat um Anpassung des Ermächtigungsbescheids für die PIA. Der Zulassungsausschuss tat dies auch. Gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses legten aber die Krankenkassen und ihre -verbände Widerspruch ein. Beim Berufungsausschuss waren sie damit erfolgreich: Der Berufungsausschuss war der Auffassung, es sei nicht ausreichend, wenn der eine ärztliche Leiter des Krankenhauses auch für die PIA zuständig sei. Die PIA müsse über einen eigenen ärztlichen Leiter verfügen, der tatsächlich in der Lage sei, seine Funktion wahrzunehmen. Der Berufungsausschuss kündigte an, der Trägerin die Ermächtigung für die PIA zu entziehen, wenn sie keinen ärztlichen Leiter der PIA benenne.

Was hatten die Vorinstanzen entschieden?

Die Trägerin des Krankenhauses klagte gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses beim Sozialgericht. Dort war sie erfolgreich. Das Sozialgericht stellte fest, dass der (eine) Arzt ärztlicher Leiter (auch) der PIA sein könne.

Das von den Beklagten angerufene Landessozialgericht sah dies genauso: Eine PIA bedürfe keiner gesonderten, von der Leitung des Krankenhauses zu unterscheidenden ärztlichen Leitung. Das Gesetz enthalte weder ein entsprechendes ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. Noch eine Regelungslücke.

Die Revision zum Bundessozialgericht:

Der Berufungsausschuss sowie die Krankenkassen legten Revision zum BSG ein. Sie argumentierten weiter, dass der eine Arzt, der ärztlicher Leiter (auch) der PIA sei, seiner Funktion als ärztlicher Leiter nicht an allen Standorten gleichzeitig nachkommen könne. Aus § 118 Absatz 1 Satz 3 SGB V folge auch die Verpflichtung des Krankenhausträgers, die für die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung erforderlichen Ärzte zur Verfügung zu stellen. Psychiatrische Institutsambulanzen müssten wie alle anderen ermächtigten Institute über eine eigene ärztliche Leitung verfügen und könnten nicht auf die ärztliche Leitung eines anderen Leistungserbringers – hier: des Krankenhauses – verweisen.

Die Begründung des BSG:

Der Berufungsausschuss und die Krankenkassen waren aber auch beim BSG nicht erfolgreich. Das BSG stellt in seiner Entscheidung vom 23.03.2023 fest, dass die Vorinstanzen der Klage der Krankenhausträgerin zu Recht und mit zutreffenden Gründen stattgegeben haben. Die hier betroffene Psychiatrische Institutsambulanz müsse nicht über eine gesonderte ärztliche Leitung verfügen, sondern diese könne von der Leitung des Krankenhauses wahrgenommen werden.

Das BSG betont in seiner Pressemitteilung wörtlich: „Erforderlich ist allein die ärztliche Leitung des Krankenhauses, die sich allerdings auf eine Ambulanz, die über keine gesonderte Leitung verfügt, erstrecken muss. Auch aus der in § 118 Abs. 1 Satz 3 SGB V geregelten Verpflichtung des Krankenhausträgers, die für die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung erforderlichen Ärzte und nichtärztlichen Fachkräfte zur Verfügung zu stellen, kann nicht die Vorgabe abgeleitet werden, dass die Psychiatrische Institutsambulanz über eine gesonderte ärztliche Leitung verfügen müsse“.

Das Gericht konnte zwar die Überlegungen des Berufungsausschusses nachvollziehen, der betonte, dass die Durchsetzung der gesetzlichen personellen Anforderungen in der Praxis auf Schwierigkeiten stoße. Es erscheine aber bereits fraglich, so das Gericht, ob möglichen Defiziten durch die Formulierung von Anforderungen gerade an eine gesonderte ärztliche Leitung der Ambulanz begegnet werden könnte. Es könne jedenfalls nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, Vorgaben zu einer gesonderten ärztlichen Leitung von Psychiatrische Institutsambulanzen zu entwickeln, für die es keine konkreten gesetzlichen oder untergesetzlichen Anknüpfungspunkte gebe.

Fazit:

Die Entscheidung des BSG ist nachvollziehbar und zu begrüßen. Wenn das Gesetz keine weitergehenden Anforderungen stellt, können diese auch nicht von den Zulassungsgremien „hinzuerfunden“ werden. Ob zusätzliche Anforderungen an die Ermächtigungsvoraussetzungen einer PIA sinnvoll sind oder nicht, muss der Gesetzgeber entscheiden. Mit seinem Urteil hat das BSG zunächst Rechtssicherheit geschaffen.

Autor: Wolf Constantin Bartha

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