01.03.2023 -
Fortbildungskosten
Die Rechtsprechung zu Fortbildungskosten und zu wirksamen Rückzahlungsvereinbarungen wird immer unübersichtlicher. (credit:adobestock)

Viele Arbeitgeber ermöglichen ihren Arbeitnehmern Fortbildungen, um eine höhere Qualifikation zu erlangen. Die höhere Qualifikation ist dann auch im Sinne des Arbeitgebers, um die Mitarbeiter besser qualifiziert beschäftigen zu können. Insoweit handelt es sich um eine Investition in die Qualifikation der Arbeitnehmer. Zum Zwecke der Bindung der Arbeitnehmer im Anschluss an die Qualifikation an das Unternehmen und auch, um nicht Arbeitnehmer mit finanziellem Aufwand zu qualifizieren und sie dann schnell zu verlieren, werden regelmäßig sogenannte Rückzahlungsvereinbarungen abgeschlossen. Diese Vereinbarungen dienen dem Zweck, den Mitarbeiter für eine bestimmte Dauer an das Unternehmen zu binden und im Falle der vorzeitigen Kündigung den Arbeitnehmer dann an den Ausbildungskosten (nachträglich) zu beteiligen. Allerdings legt die Rechtsprechung sehr strenge Anforderungen an die Wirksamkeit von solchen Vereinbarungen. Immer wieder kommt es zu neuen Urteilen, die bestehende Klauseln für unwirksam erklären. Eine solche Unwirksamkeit einer durchaus gängigen Klausel hat nun das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 3.5.2022, 5 Sa 210/21). Wir möchten die Entscheidung zum Anlass nehmen, auf die strengen Anforderungen hier nochmals ausdrücklich hinzuweisen.

Der Fall:

Die Parteien haben eine Fortbildungsvereinbarung abgeschlossen. Die Arbeitnehmerin war seit Anfang 2016 entsprechend ihrer Ausbildung zur Diplom-Sozialarbeiterin/Diplom-Sozialpädagogin bei dem Arbeitgeber als Fachgebietsleiterin „Jugend“ beschäftigt. Auf Anregung des Arbeitgebers schlossen die Parteien im Hinblick auf eine spätere Verwendung der Arbeitnehmerin als Fachdienstleiterin eine Fortbildungsvereinbarung.

Die Arbeitnehmerin nahm daraufhin ein berufsbegleitendes Masterstudium auf. Grundlage der Fortbildungsvereinbarung war eine Dienstvereinbarung zwischen dem klagenden Landkreis und dem Personalrat. In der Dienstvereinbarung heißt es u.a. zu der Rückzahlung von Fortbildungskosten wie folgt:

„§ 4 Kosten  

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die innerhalb von 3 Jahren nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme auf eigenen Wunsch die Dienststelle verlassen, haben die vom Arbeitgeber getragenen Fortbildungskosten zu erstatten.

Die Erstattung wird wie folgt gestaffelt:

– bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 1. Jahr – Erstattung der Teilnahmegebühren in voller Höhe

– bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 2. Jahr – Erstattung von 2/3 der Teilnahmegebühren

– bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 3. Jahr – Erstattung von 1/3 der Teilnahmegebühren“

Der Dienstvereinbarung war als Anlage 1 ein Muster für eine Fortbildungsvereinbarung beigefügt. Dieses Muster nahmen die Parteien dann als Grundlage für ihre Fortbildungsvereinbarung. In Ziffer 4. dieser Vereinbarung heißt es wie folgt:

„4. Rückzahlung / Ausgleich der Freistellung

Bei Kündigung der Fortbildungsvereinbarung sowie bei vorzeitigem Abbruch der Fortbildungsmaßnahme durch Frau [Beklagte] sind die dem Arbeitgeber entstandenen Teilnahmegebühren zu erstatten. Gleiches gilt bei Nichtbestehen der Abschlussprüfung.

Scheidet Frau [Beklagte] vor Ablauf der Bindungsfrist von 3 Jahren aus persönlichen Gründen aus der Dienststelle aus, sind die dem Arbeitgeber entstandenen Teilnahmegebühren ebenfalls zu erstatten.

Die Erstattung wird wie folgt gestaffelt:

– bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 1. Jahr – Erstattung der Teilnahmegebühren in voller Höhe

– bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 2. Jahr – Erstattung von 2/3 der Teilnahmegebühren

– bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im 3. Jahr – Erstattung von 1/3 der Teilnahmegebühren

Für den Fall der Kündigung der Fortbildungsvereinbarung oder eines Abbruches der Fortbildungsmaßnahme, die/den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vertreten haben, sind diese verpflichtet, die Zeiten einer Freistellung nach Punkt 3 der Vereinbarung nachzuarbeiten. Insofern eine Nacharbeit aus einem vom Beschäftigten zu vertretenden Grund nicht erfolgen kann, sind die Arbeitsstunden, die dem Nettoeinkommen für die Zeit der Freistellung entsprechen, mit dem Entgelt zu verrechnen.

…“

Die Arbeitnehmerin schloss den Masterstudiengang im April 2019 erfolgreich ab. Der Arbeitgeber schrieb die Stelle der Fachdienstleitung tatsächlich im Jahr 2019 aus und die Arbeitnehmerin bewarb sich. Dennoch wurde sie im Stellenbesetzungsverfahren nicht berücksichtigt. Mangels einer beruflichen Perspektive bewarb sie sich dann bei einem anderen Landkreis. Die Parteien schlossen im Anschluss einen Aufhebungsvertrag.

Der Arbeitgeber hat sodann die Auffassung vertreten, dass die Arbeitnehmerin verpflichtet sei, 2/3 der Teilnahmegebühren an dem berufsbegleitenden Masterstudiengang zu erstatten. Die Arbeitnehmerin lehnte dies ab. Der Arbeitgeber erhob daraufhin Zahlungsklage in Höhe von 4.946,66 € nebst Mahnkosten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, die Rückzahlungsklausel in der Fortbildungsvereinbarung sei auf Basis der AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Die Formulierung „aus persönlichen Gründen“ differenziere nicht ausreichend.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts vollumfänglich bestätigt.

I. AGB-Kontrolle trotz Dienstvereinbarung?

Fortbildungsvereinbarungen unterliegen der Inhaltskontrolle. Es handelt sich um Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert werden. Daran änderte hier auch die Tatsache nichts, dass es sich bei der Fortbildungsvereinbarung um eine Anlage zu einer Dienstvereinbarung handelte. Dienstvereinbarungen unterliegen zwar nicht der AGB-Kontrolle nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB. Vorliegend war allerdings Gegenstand der AGB-Kontrolle nicht die Dienstvereinbarung, sondern der Vertrag selbst, der die Rückzahlung regelte. Daher fand die AGB-Kontrolle hier Anwendung.

II. Begriff der „persönlichen Gründe“?

Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Es ist jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden.

Vorliegend hatten die Parteien eine Rückzahlung an „persönliche Gründe“ geknüpft. Der Begriff „persönliche Gründe“ differenziert aber nicht ausreichend zwischen den möglichen Ursachen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und deren Zuordnung zur Sphäre des Arbeitgebers bzw. derjenigen des Arbeitnehmers. Darunter fallen sowohl von dem Arbeitnehmer zu vertretende als auch von ihm nicht zu vertretende Gründe. Ein nicht zu vertretender Grund liegt beispielsweise vor, wenn es einem Arbeitnehmer unverschuldet dauerhaft nicht mehr möglich ist, die Schuld der Arbeitsleistung aus krankheitsbedingten Gründen zu erbringen. Auch kann eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund familiärer Verpflichtungen ebenfalls ein persönlicher Grund sein, der von dem Arbeitnehmer nicht zu vertreten ist.

Wegen dieser Unklarheiten war die Klausel insgesamt unwirksam!

Hinweis für die Praxis:

Das Gericht hat die Unwirksamkeit auch noch aus einem anderen Grund angenommen. Den Grund für die Beendigung hatte hier der Arbeitgeber gesetzt. Nach dem Ende des Masterstudiums hatte nämlich der Arbeitgeber keine Verwendung mehr für die erhöhte Qualifikation der Arbeitnehmerin. Eine Abwälzung von Fortbildungskosten auf den Arbeitnehmer ist jedoch unzulässig, wenn der Arbeitgeber nicht bereit oder nicht in der Lage ist, den Arbeitnehmer seiner neu erworbenen Qualifikation entsprechend zu beschäftigen.

Fazit:

Die Rechtsprechung zu Fortbildungskosten und zu wirksamen Rückzahlungsvereinbarungen wird immer unübersichtlicher. Die Klauseln müssen ständig den neusten Urteilen angepasst werden. Wir können der Praxis daher nur dringend empfehlen, bei jedem Neuabschluss von Rückzahlungsvereinbarungen die bisherigen Muster nochmals zu überprüfen. Alle Unklarheiten und Klauseln gehen zu Lasten der Arbeitgeberseite.

Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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