Namensnennung in Werbeflyer nach Beschäftigungsende: Kein DSGVO-Schadensersatz
Verstöße gegen die DSGVO können bekanntlich zu einem immateriellen Schadensersatzanspruch führen. Das folgt aus Art. 82 DSGVO. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte jetzt einen durchaus praxisüblichen Fall zu entscheiden, nämlich die versehentliche weitere Namensnennung einer bereits ausgeschiedenen Mitarbeiterin in einem Werbeflyer (LAG Rheinland-Pfalz v. 22.8.2024, 5 SLa 66/24). Trotz des durchaus erheblichen Verstoßes wurde hier ein Schadensersatzanspruch der Mitarbeiterin abgelehnt.

Der Fall:
Die Klägerin war mehrere Jahre als Pflegedienstleiterin in einer Senioreneinrichtung beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.10.2021. Nach ihrem Ausscheiden wurde die Klägerin als Pflegedienstleiterin in einer anderen Seniorenresidenz weiter tätig.
Während ihrer Beschäftigungszeit bei dem früheren Arbeitgeber wirkte die Klägerin an der Erstellung eines Flyers mit, den der Arbeitgeber als Werbemittel drucken ließ.
Auszug aus dem Flyer:
In dem Flyer heißt es auszugsweise:
„Herzlich willkommen in unserer Tagespflege!
Hier gestalten wir Ihren Tag in familiärer Atmosphäre.
Hilfe- und betreuungsbedürftige Menschen, auch mit demenzieller Erkrankung, heißen wir von Montag bis Freitag von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr willkommen.
Durch unsere Aktivitäten fördern wir das Wohlbefinden unserer Gäste und stärken deren Alltagskompetenzen, um ihre Selbständigkeit soweit wie möglich zu erhalten.
Die Tagespflege befindet sich im Gebäude „Betreutes Wohnen“ im Erdgeschoss auf einer Fläche von ca. 115 m².
Der Garten im Innenhof (eigener Zugang) kann bei gutem Wetter genutzt werden.
Wir arbeiten eng mit den Angehörigen unserer Tagespflegegäste zusammen.
Die Familie kennt Vorlieben, Gewohnheiten und den Tagesrhythmus am besten.
Deshalb führen wir Vorgespräche mit Angehörigen und Betreuern und bitten Sie, einen Biografiebogen auszufüllen.
Nach Vereinbarung sind wir bereit, Ihre Angehörigen auch für halbe Tage zu betreuen und zu pflegen.
So können Sie ganz in Ruhe wichtige Termine wahrnehmen, während Ihre Angehörigen unsere Tagespflegeeinrichtung besuchen.
Unsere qualifizierten Fachkräfte beraten Sie gerne und unverbindlich.
Ihre Ansprechpartnerin A. ist unter 02631 8373-61 zu erreichen und berät Sie gerne zu kostenlosen Schnuppertagen.“
Flyer wird auch nach Ausscheiden der Arbeitnehmerin verwendet
Am Ende des Flyers sind also Vor- und Nachname der Klägerin zusammen mit einer dienstlichen Telefonnummer angegeben. Nach dem Ausscheiden der Arbeitnehmerin verwendete der Arbeitgeber die Druckvorlage dieses Flyers erneut im März 2023 für einen weiteren Werbeflyer. Der Flyer wurde in einer Auflage von 78.500 der Wochenzeitung „K“ beigefügt und in mehreren Gemeinden verteilt.
Nach Kenntniserlangung dieses Fehlers verfasste der Personalleiter umgehend eine E-Mail an die Klägerin und entschuldigte sich für das Missgeschick. Er erklärte, die alte Druckvorlage sei nach ihrem Ausscheiden versehentlich nicht angepasst und jetzt sofort aus dem Verkehr gezogen worden.
Die Arbeitnehmerin verlangte daraufhin Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000,00 € und machte diesen Anspruch klageweise geltend. Sie sei nach Verteilung der Wochenzeitung von zahlreichen Personen angeschrieben, angerufen und auch persönlich angesprochen worden. Sie benannte elf Personen als Zeugen. Gegenüber diesen Personen habe sie sich grechtfertigen und erklären müssen. Sie habe auch bei ihrem neuen Arbeitgeber Angst um den Arbeitsplatz gehabt. So hätte ihr neuer Arbeitgeber durchaus den Eindruck gewinnen können, sie betreibe eine verbotene Konkurrenztätigkeit.
Das Arbeitsgericht hat den Arbeitgeber verurteilt, der Arbeitnehmerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € zu zahlen.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht einen Schadensersatzanspruch abgelehnt und die Klage abgewiesen.
I. Verstoß gegen die DSGVO
Ein Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO lag hier vor. Die Beklagte hat, obwohl das Arbeitsverhältnis bereits zum 31.10.2021 beendet war, noch im März 2023 einen neuen Werbeflyer drucken und als Werbeflyer zu einer kostenlosen Wochenzeitung verbreiten lassen. Die Klägerin war hier namentlich als telefonische Ansprechpartnerin angegeben. Zwar hatte sie im bestehenden Arbeitsverhältnis an der Erstellung des Flyers aktiv mitgewirkt und unstreitig in die Veröffentlichung eingewilligt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin damit aber nicht mehr einverstanden.
Personenbezogene Daten dürfen nicht länger als nötig gespeichert werden. Es kann hier dahinstehen, ab welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber, auch ohne gesonderten Antrag, verpflichtet war, den in der Druckvorlage gespeicherten Namen zu löschen. Jedenfalls war er nicht mehr berechtigt, über ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die noch gespeicherten Daten der Klägerin zu verarbeiten, um einen neuen Werbeflyer drucken und verbreiten zu lassen, der sie namentlich als Ansprechpartnerin aufführt.
II. Trotz Verstoß kein Schaden!
Im Berufungsverfahren hat aber das Landesarbeitsgericht einen Schaden und damit einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO abgelehnt. Zwar können negative Gefühle und Befürchtungen einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens begründen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reicht aber nicht aus.
Anders als noch das Arbeitsgericht in der 1. Instanz hat das Landesarbeitsgericht hier vor allem darauf abgestellt, dass die Klägerin objektiv nicht damit rechnen musste, ihren Arbeitsplatz bei dem neuen Arbeitgeber zu verlieren. So handelte es sich ersichtlich um ein Versehen, das sich mit einfachen Mitteln hätte sofort aufklären lassen. Es gab für den neuen Arbeitgeber keinen Grund anzunehmen, die Klägerin wäre noch bei dem beklagten alten Arbeitgeber weiterhin als Pflegedienstleiterin beschäftigt. Die von der Klägerin behauptete Furcht vor einer außerordentlichen Kündigung wegen verbotener Konkurrenztätigkeit, so das Landesarbeitsgericht ausdrücklich, entbehrte jeder Tatsachengrundlage.
Auch die Tatsache, dass die Klägerin im Freundes- und Bekanntenkreis von nachweisbar elf Personen angesprochen wurde, führte für das Landesarbeitsgericht nicht zu einer anderen Beurteilung. Die lediglich von der Arbeitnehmerin abstrakt behauptete „persönlich/psychologische Beeinträchtigung“ war für das Gericht nicht nachvollziehbar. Auch hier hätte es ausgereicht, auf das Versehen hinzuweisen. Es bestand auch keine Gefahr von unbekannten Personen künftig angesprochen zu werden. In dem Flyer waren kein Foto und keine private Telefonnummer der Klägerin veröffentlicht worden. Daher war auch die Auflagenstärke der kostenlosen Wochenzeitung (78.500) unerheblich.
Hinweis für die Praxis:
Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind nachvollziehbar. Wir weisen aber darauf hin, dass der EuGH und auch das Bundesarbeitsgericht keine Bagatellgrenze für einen Schadensersatzanspruch vorsehen. Auch leichte und geringfügige Verletzungen können einen Schaden begründen und wirken sich dann nur bei der Höhe des Schadensersatzanspruches mindernd aus.
Fazit:
Verstöße gegen die DSGVO, der vorliegende Fall macht es einmal mehr deutlich, können zu unliebsamen Prozessen führen. Ein immaterieller Schadensersatzanspruch erfolgt zwar nicht schon aus einer verspäteten Auskunftserteilung oder aus jedem Verstoß gegen die Vorgabe der DSGVO. Der betroffene Anspruchsteller muss vielmehr auch die Kausalität zwischen der Verletzung und dem Schadenseintritt konkret darlegen. Der Praxis ist dennoch zu empfehlen, die Einhaltung der Vorgaben durch entsprechende Prozessabläufe sicherzustellen.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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