22.11.2023 -
Kündigungen bedürfen bekanntlich der Schriftform nach § 623 BGB. Nur die Originalunterschrift erfüllt dieses Formerfordernis. Handzeichen bzw. Paraphen reichen hingegen nicht aus.
Kündigungen bedürfen der Schriftform. Erforderlich somit eine Originalunterschrift. Handzeichen (Paraphe) genügen hingegen nicht. (credits:adobestock).

Kündigungen bedürfen bekanntlich der Schriftform nach § 623 BGB. Nur die Originalunterschrift erfüllt dieses Formerfordernis. Handzeichen bzw. Paraphen reichen hingegen nicht aus. Oftmals kommt es dabei in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten, ob es sich um eine Unterschrift oder um eine Paraphe handelt. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Merkmale in einer aktuellen Entscheidung nochmals präzisiert und klargestellt, dass ein bloßes Handzeichen das Schriftformerfordernis nicht erfüllt (LAG Hamm v. 28.6.2022, 17 Sa 1400/21). Die Entscheidung macht deutlich, dass auch der formale Aspekt bei dem Ausspruch einer Kündigung sorgfältig und zwingend beachtet werden muss. Fehler führen zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verletzung der Schriftform!

Der Fall (verkürzt):

Bei dem beklagten Arbeitgeber handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen mit etwa 750 Arbeitnehmern, die ungefähr 2.500 Menschen mit Einschränkungen betreuen.

Der am 31.12.1969 geborene und verheiratete Arbeitnehmer und Kläger ist bei dem Unternehmen seit dem 01.04.2005 als Betreuer mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 3.785,32 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem TVöD/Bund.

Dem Arbeitnehmer werden zahlreiche Arbeitszeitverstöße und Arbeitszeitbetrug vorgeworfen. Nach weiteren Recherchen und Aufklärungen und nach Anhörung des Betriebsrats wurde das unkündbare Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. In der Folge kam es dann noch zu mehreren weiteren fristlosen Kündigungen. Gegenstand des Rechtsstreits ist hier die erste Kündigung. Das Kündigungsschreiben enthält in der Unterschriftenzeile nebeneinander die maschinengeschriebenen Namen von Herrn Dr. D., dem Werkstattleiter, und Frau F., der kaufmännischen Leiterin. Beide haben Gesamtprokura. Das handschriftliche Zeichen über dem maschinengeschriebenen Namen von Frau F. besteht aus einer nahezu senkrecht verlaufenden Linie und einem kurzen wellenförmigen Auslauf. Daneben sind handschriftlich die Buchstaben „ppa“ aufgeführt.

Der Arbeitnehmer hat gegen alle Kündigungen Kündigungsschutzklage fristgerecht erhoben. Die erste Kündigung vom 19.5.2021 ist dem Kläger am 20.5.2021 zugegangen. Er hat am gleichen Tag Klage einreichen lassen und in der Klage die Nichteinhaltung der Schriftform geltend gemacht. Er hat beanstandet, das Kündigungsschreiben sei von den Prokuristen nicht unterzeichnet, sondern lediglich paraphiert worden. Selbst wenn es sich bei der Unterschrift von Herrn Dr. D. nicht um eine Paraphe, sondern tatsächlich um eine Unterschrift gehandelt haben solle, sei jedenfalls die zweite Unterschrift von Frau F. eine Paraphe. Da beide Prokuristen nur Gesamtprokura hätten, könne eine Person allein nicht wirksam kündigen. Die Klageschrift ist dem Arbeitgeber am 26.5.2021 zugestellt worden.

Das Arbeitsgericht hat in 1. Instanz der Klage stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Es handele sich bei dem Schriftzeichen von Frau F. um eine Paraphe. Die Kündigung scheitere daher an der Schriftform.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls die Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlender Einhaltung der Schriftform bestätigt.

I. Abgrenzung Unterschrift zu Handzeichen / Paraphe

Die Vorschrift des § 623 BGB ordnet die Schriftform einer Kündigung an. Schriftform bedeutet in diesem Sinne gem. § 126 Abs. 1 BGB die eigenhändige Unterschrift unter das Kündigungsschreiben. Nur die eigenhändige Originalunterschrift erfüllt daher das Schriftformerfordernis.

Eine Unterschrift in diesem Sinne setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter, von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichneter Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein. Die Unterschrift ist von einer bewussten und gewollten Namensabkürzung (Handzeichen / Paraphe) zu unterscheiden. Auch das Gesetz differenziert in § 126 Abs. 1 BGB zwischen einer Namensunterschrift und einem Handzeichen.

Hinweis für die Praxis:

Für die Abgrenzung zwischen Unterschrift und Handzeichen (Paraphe) ist das äußere Erscheinungsbild maßgebend. Der Wille des Unterzeichnenden ist nur von Bedeutung, soweit er in dem Schriftzug seinen Ausdruck gefunden hat. Im vorliegenden Fall hatte Frau F. lediglich eine nahezu senkrecht verlaufende Linie mit einem kurzen wellenförmigen Auslauf unter das Kündigungsschreiben gesetzt. Dieses Schriftzeichen stellte sich nicht als Wiedergabe eines Namens, sondern lediglich als Handzeichen, also als eine bewusste und gewollte Namensabkürzung dar. Der Nachname von Frau F. besteht im Übrigen aus zwölf Buchstaben. Ein Vergleich mit sonstigen Unterschriften machte im Prozess deutlich, dass die übliche Namensunterschrift unmissverständlich länger und aus einem mehrere Zentimeter langen Schriftgebilde besteht. Eindeutig handelte es sich also hier um eine Paraphe.

II. Fristgerechte Zurückweisung der Kündigung erforderlich?

Im vorliegenden Fall wurde das Kündigungsschreiben allerdings von einer weiteren Person, einem Prokuristen, Herrn Dr. D., unterzeichnet. Es stellte sich daher die Frage, ob nicht diese Unterschrift ausreichend war. Allerdings hatten sowohl Herr Dr. D. als auch Frau F. jeweils nur Gesamtprokura. Ein einzelner Prokurist kann aber nicht wirksam kündigen, wenn lediglich Gesamtprokura eingeräumt ist. Die einzelne Unterschrift von Herrn Dr. D. reichte nicht aus.

Diese fehlende Einzelvertretung muss dann aber immer noch ergänzend innerhalb von einer Woche entsprechend §§ 174, 180 BGB gerügt und zurückgewiesen werden. Unterschreibt nicht das eigentliche Vertretungsorgan, sondern eine bevollmächtigte Person, sind Kündigungen immer dann unwirksam, wenn dies innerhalb einer Woche gegenüber dem Kündigenden gerügt wird. Diese Wochenfrist war hier gewahrt, da die Kündigung am 20. Mai zugegangen ist und die Rüge durch Zustellung der Klage schon am 26. Mai fristgerecht beim Arbeitgeber eingegangen ist.

Hinweis für die Praxis:

Wir können der Praxis nur erneut dringend empfehlen, dass stets das vertretungsberechtigte Organ, die Geschäftsführung oder der Vorstand, unmittelbar unterzeichnen und nicht andere Personen mit der Kündigung bevollmächtigt und beauftragt werden. Im letzteren Fall müssen dann diese Personen ebenfalls eine Originalvollmacht der Kündigung beilegen. Dabei ist auch bei Organen darauf zu achten, dass bei Gesamtvertretung zwei Organe unterzeichnen bzw. die satzungsrechtlich vorgegebenen Vertretungsverhältnisse auch durch Originalunterschriften beachtet werden. Werden diese Vorgaben nicht beachtet, können Kündigungen innerhalb einer Woche zurückgewiesen werden. Im Falle der Zurückweisung ist dann die Kündigung unwirksam! Müssen Fristen beachtet werden, können diese zwischenzeitlich abgelaufen sein. Die Einhaltung der Schriftform und auch die Gewährleistung des fristgerechten Zugangs sind daher von großer Bedeutung und zwingend zu beachten.

Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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