20.12.2022 -

Der Betriebsrat hat bekanntlich einen Schulungsanspruch. Dieser Schulungsanspruch betrifft aber nicht Ersatzmitglieder. Dennoch gibt es immer wieder Konstellationen, in denen der Betriebsrat die Schulung eines Ersatzmitgliedes für erforderlich hält und dessen Teilnahme an Schulungsveranstaltungen beschließt. Mit einem solchen Fall hatte sich jetzt das Hessische Landesarbeitsgericht zu befassen und insbesondere die Frage zu klären, ob die vom Arbeitgeber abgelehnte Kostenübernahme zutreffend war (Hessisches Landesarbeitsgericht v. 17.1.2022 – 16 TaBV 99/21). Wir möchten die Entscheidung zum Anlass nehmen, um die für die Praxis wichtige Differenzierung einer Kostenübernahmepflicht hier zu erläutern.

Die Schulung von Betriebsratsmitgliedern führt in der Praxis immer wieder zu Streit (credit:adobestock)

Der Fall:

Bei dem Unternehmen handelt es sich um einen Direktvertrieb von Tiefkühllebensmitteln. Es werden ca. 35 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Betriebsrat besteht aus drei Mitgliedern.

Die Betriebspartner streiten über die Kostenübernahme für die Teilnahme des ersten Ersatzmitgliedes des Betriebsrates an einer Betriebsratsschulung.

Der Betriebsrat hat in seiner regulären Sitzung die Entsendung des ersten Ersatzmitgliedes zu dem Seminar „BR-1“ in der Zeit vom 31. August bis 4. September 2020 beschlossen. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat mitgeteilt, dass er mit der Schulungsteilnahme nicht einverstanden ist. Gleichwohl hat das Ersatzmitglied an der Schulung teilgenommen. Der Schulungsveranstalter hat gegenüber dem Ersatzmitglied die Erstattung der Seminargebühren und die Begleichung der Übernachtungs- und Verpflegungskosten in Höhe von insgesamt 995,00 € brutto geltend gemacht.

Der Betriebsrat hat daraufhin beschlossen, den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht auf Gleichstellung von Seminargebühren und Übernachtungs- und Verpflegungskosten in Anspruch zu nehmen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrates zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen den Anträgen stattgegeben

I. Schulung von Ersatzmitgliedern regelmäßig nicht erforderlich

Die Erforderlichkeit der Schulung in betriebsverfassungsrechtlichem Grundwissen ist bei Ersatzmitgliedern anders zu beurteilen als bei ordentlichen, ständig heranzuziehenden Betriebsratsmitgliedern. Sie lässt sich insbesondere nicht generell bejahen. So darf der Betriebsrat die Schulung von Ersatzmitgliedern nur unter besonderen Umständen für erforderlich halten. So genügt allein die Erwartung von Vertretungsfällen aufgrund des Urlaubs oder der vorrübergehenden Erkrankung ordentlicher Betriebsratsmitglieder zur Rechtfertigung der Schulung von Ersatzmitgliedern nicht. Vielmehr hat der Betriebsrat in diesen Fällen zu prüfen, ob er seine Arbeitsfähigkeit nicht durch andere ihm zumutbare und für den Arbeitgeber finanziell weniger belastenden Maßnahmen gewährleisten kann

Hinweis für die Praxis:

Gerade bei kleineren Betriebsräten erscheint es nicht ausgeschlossen, bei kurzzeitiger Verhinderung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds eine Sitzung, bei der es um schwierige und wichtige Fragen geht, auf den Zeitpunkt zu verlegen, an dem keines der ordentlichen Mitglieder verhindert ist.

II. Längerfristiger Ausfall als erforderlicher Sachgrund geeignet

Die Besonderheiten des hier zu beurteilenden Falles lagen darin, dass der Betriebsratsvorsitzende für längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt war. So muss er sich einer Reha-Maßnahme für die Dauer von mindestens zwölf Wochen unterziehen. Er konnte daher seine durchgehende Arbeitsfähigkeit für das Betriebsratsgremium für einen längeren Zeitraum nicht sicherstellen. Es war daher absehbar, dass das Ersatzmitglied sehr häufig als Vertretung herangezogen werden musste. Dies war für das Gericht ausschlaggebend, um den Schulungsanspruch zu bejahen.

Fazit

Die Schulung von Betriebsratsmitgliedern führt in der Praxis immer wieder zu Streit. Dieser Streit wird aber von den Arbeitsgerichten regelmäßig zugunsten der antragstellenden Betriebsräte aufgelöst. Immer dann, wenn sachliche Gründe für eine Schulung vorhanden sind, ist die Schulung auch erforderlich im Sinne des BetrVG. Der Prüfungsmaßstab ist bei Ersatzmitgliedern deutlich strenger. Auch hier kann es aber notwendig sein, dass auch Ersatzmitglieder regelmäßig zur Betriebsratstätigkeit herangezogen werden. In diesen Fällen benötigen sie die für die Betriebsratsarbeit nötigen Grundkenntnisse. Das führt zu einem entsprechenden Schulungsanspruch und auch einem Freistellungsanspruch in Bezug auf die Kosten gegenüber dem Arbeitgeber.

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