13.03.2024 -
In gerichtlichen Vergleichen nach Kündigungen werden häufig sog. Turboklauseln vereinbart. Dabei vereinbaren die Parteien ein bestimmtes Beendigungsdatum, meist die Zahlung einer Abfindung und schließlich auch das Recht, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden.
Die gesetzlich vorgesehene Schriftform in § 623 BGB ist bei dem Ausspruch von Kündigungen zwingend einzuhalten. Dies gilt auch bei der Vereinbarung einer sogenannten Turboklausel (credits: adobestock).

In vielen Fällen kommt es nach dem Ausspruch einer Kündigung zu einem gerichtlichen Vergleich. In dem Vergleich vereinbaren die Parteien dann ein bestimmtes Beendigungsdatum, meist die Zahlung einer Abfindung und schließlich auch das Recht, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden (sogenannte Turboklausel). Diese Turboklausel ermöglicht es dem Arbeitnehmer im Rahmen der vereinbarten Kündigungsfrist vorzeitig aus dem noch bestehenden Arbeitsverhältnis auszuscheiden und sich dann die restlichen Gehälter (ggf. anteilig) als zusätzliche Abfindung auszahlen zu lassen.

Dieses vorzeitige Ausscheiden muss aber gegenüber dem Arbeitgeber erklärt werden. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat dazu klargestellt, dass es sich auch bei dieser Erklärung um eine Kündigung im Sinne von § 623 BGB handelt und zwingend die dort vorgesehene Schriftform beachtet werden muss (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 9.5.2023, 2 Sa 146/22). In dem Fall hatte der Prozessbevollmächtigte des Arbeitnehmers das vorzeitige Ausscheiden mittels elektronischem Dokument und qualifizierter elektronischer Signatur mitgeteilt. Dieser Weg ist aber unzulässig.

I. Der Fall

Der Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber als Küchenleiter seit ca. 14 Jahren beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.6.2021 ordentlich zum 30.11.2021. In dem wegen dieser Kündigung geführten Rechtsstreit schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich.

1. Inhalt des gerichtlichen Vergleichs:

1.

Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17.6.2021 mit Ablauf des 30.11.2021 enden wird. Die Beklagte hält die im Zusammenhang mit den Kündigungen erhobenen Vorwürfe nicht weiter aufrecht.

2.

3.

Das Arbeitsverhältnis kann durch den Kläger unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einer Woche vorzeitig durch schriftliche Erklärung gegenüber der Beklagten beendet werden. Die vorzeitige Beendigung liegt im Interesse der Beklagten. Im Falle der vorzeitigen Beendigung erhält der Kläger die ihm nach der vorzeitigen Beendigung bis zur ursprünglichen nach § 1 vorgesehenen Beendigungsdatum noch ausstehende monatliche Bruttovergütung (ausschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) als Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG. Macht der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch, so gilt der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird, als Beendigungsdatum im Sinne des § 1.“

2. Weiter Verlauf des Falls

Der Prozessbevollmächtigte des Arbeitnehmers teilte dem Arbeitgeber mit Schreiben vom 20.7.2021 mit, dass dieser das Arbeitsverhältnis vorzeitig zum 31.7.2021 beendet. Dieses Schreiben versah der Anwalt mit einer qualifizierten Signatur und übersandte es über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an den Arbeitgebervertreter.

Die Parteien hatten für die Dauer der Freistellung bis zum ursprünglichen Beendigungszeitpunkt (30.11.2021) ein monatliches Festgehalt in Höhe von 1.800,00 € brutto vereinbart. Der Kläger forderte daher den Arbeitgeber auf, ihm die durch die vorzeitige Beendigung auf Basis der Turboklausel zustehenden vier Gehälter, also 7.200,00 € brutto, auszuzahlen. Der Arbeitgeber weigerte sich unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Schriftform des § 623 BGB. Die elektronische Form über das beA sei hier unzulässig gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Besondere Formanforderungen seien an das vorzeitige Ausscheiden nicht zu stellen. Die Schriftform könne auch durch die elektronische Erklärung im Sinne des § 126a BGB ersetzt werden. Zudem gelte § 623 Halbsatz 2 BGB hier nicht und sei teleologisch zu reduzieren. Wegen der schon erfolgten Beendigung zum 30.11.2021 bedürfe es keines zusätzlichen Schutzes durch die Schriftform.

II. Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung aufgehoben und die Berufung zurückgewiesen. Ein Zahlungsanspruch bestehe wegen Verstoßes gegen die Schriftform nicht.

1. Schriftform einer Kündigung

Die Vorschrift des § 623 BGB sieht die Schriftform für Kündigungen vor. Wird die erforderliche Schriftform nicht gewahrt, ist die Kündigung gem. § 125 Satz 1 BGB nichtig.

Hinweis für die Praxis:

Die Schriftform wird durch eigenhändige Unterschrift eingehalten. Dem Empfänger muss das Original auch zugehen. Eine Paraphe reicht nicht aus. Auch reichen nicht andere Formen der Zustellung z.B. durch SMS, E-Mail oder WhatsApp aus. Maßgeblich ist nur der Zugang einer Original-Unterschrift.

2. Ersetzung durch elektronische Form?

Die elektronische Form kann die Schriftform ausnahmsweise ersetzen. Dies steht in § 126a BGB. Dies gilt aber nur, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt, § 126 Abs. 3 BGB. Genau diese Regelung enthält aber § 623 Halbsatz 2 BGB. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass „die elektronische Form ausgeschlossen ist.“

Das Landesarbeitsgericht hat dazu klargestellt, dass es sich auch bei dem vorzeitigen Ausscheiden und der damit verbundenen Erklärung um eine Kündigung im Sinne des § 623 BGB handelt. Die Vereinbarung einer Turboklausel und das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden stellt ein in § 12 Satz 1 KSchG vergleichbares Sonderkündigungsrecht dar. Zudem hat das Bundesarbeitsgericht bereits im Jahre 2015 klargestellt, dass bei einem Abwicklungsvertrag eine Erklärung zum vorzeitigen Ausscheiden dem Schriftformgebot unterliegt im Sinne des § 623 BGB.

Hinweis für die Praxis:

Die elektronische Form wird daher auch dann nicht gewahrt, wenn ein Prozessbevollmächtigter hierzu das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nutzt und das elektronische Dokument qualifiziert signiert. Die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts sind von denen des Prozessrechts strickt zu unterscheiden. Die elektronische Signatur dient der Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren. Sie ersetzt jedoch nicht die Formvorschriften des BGB.

III. Fazit

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass die gesetzlich vorgesehene Schriftform in § 623 BGB bei dem Ausspruch von Kündigungen zwingend einzuhalten ist. Sie gilt auch für das vorzeitige Ausscheiden im Rahmen gerichtlicher Vergleiche bei der Vereinbarung von sogenannten Turboklauseln. Die Schriftform ist unabdingbar. Die elektronische Signatur und andere elektronische Formen können die Einhaltung der Schriftform nicht ersetzen. Verstöße führen unweigerlich zur Nichtigkeit.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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