27.09.2023 -

Verbot der Handynutzung zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit: Mitbestimmung des Betriebsrats?

Hinsichtlich eines Verbots der Handynutzung während der Arbeitszeit hat das LAG Niedersachsen eine Beschwerde eines Betriebsrats zurückgewiesen.
Ein Verbot der Handynutzung während der Arbeitszeit ist seitens des Betriebsrats nicht mitbestimmungspflichtig (credits: adobestocks).

Der Betriebsrat hat bei Fragen, die das Ordnungs- und/oder Arbeitsverhalten der Mitarbeiter im Betrieb betreffen, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Zwischen den Betriebspartnern kommt es dabei oft zu Streit über die Frage, ob dieses Ordnungsverhalten betroffen ist oder es sich bei der Regelung durch den Arbeitgeber nur um eine Konkretisierung der bestehenden Arbeitspflicht handelt. Wird nämlich lediglich die Arbeitspflicht konkretisiert und geregelt, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat nun klargestellt, dass das Verbot der Handynutzung während der Arbeitszeit das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betrifft und die entsprechende Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen (LAG Niedersachsen v. 13.10.2022, 3 TaBV 24/22).

Der Fall:

Der Arbeitgeber ist ein produzierender Betrieb im Bereich der Automobilzulieferindustrie. Bei ihm werden ca. 200 Mitarbeiter beschäftigt. Es besteht ein Betriebsrat.

Der Arbeitgeber hat durch die Werksleitung per Aushang im Wege einer Mitarbeiterinformation zu dem Thema „Regeln zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ auf Folgendes hingewiesen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit weisen wir darauf hin, dass jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet ist. Sofern gegen dieses Verbot verstoßen wird, ist mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen – bis hin zur fristlosen Kündigung – zu rechnen.“

Im Betrieb kam es allerdings immer wieder auch zu Leerlaufzeiten und auch Wartezeiten für die Mitarbeiter. Diese konnten in der Produktion bspw. dann entstehen, wenn ein Maschinenumbau notwendig ist und vom Maschinenbediener der Button „Warten auf Einrichter“ gedrückt wird. Im Versand und auch im Wareneingang fallen Wartezeiten an, in denen auf einen neuen Arbeitsvorgang gewartet wird.

In solchen Leerlaufzeiten werden allerdings die betroffenen Beschäftigten regelmäßig anderweitig eingesetzt. Auch sollen die Beschäftigten selbständig Nebenarbeiten ausführen, ohne Anweisung im Einzelfall.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe hier ein Mitbestimmungsrecht. Dies folge aus dem Umstand, dass zumindestens auch das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen sei. Die Nutzung eines Smartphones kollidiere nicht notwendigerweise und zwingend mit der arbeitsvertraglichen Pflichtenerfüllung.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats, gerichtet auf Unterlassung des Handyverbotes, zurückgewiesen. 

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Mitbestimmung des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat nicht immer mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG liegt nur in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer vor. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren, bspw. durch ein Verbot des Radiohörens am Arbeitsplatz oder durch sonstige allgemeine Regelungen. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer an diesen Verboten zu beteiligen. Sie sollen an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen.

II. Keine Mitbestimmung bei Konkretisierung der Arbeitspflicht

Dagegen sind Regelungen und Weisungen, welche die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisieren, nicht mitbestimmungspflichtig. Man spricht hier vom sogenannten Arbeitsverhalten. Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt. Entscheidend ist der jeweilige objektive Regelungszweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahme sowie nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens.

III. Handyverbot betrifft Arbeitsverhalten

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend klargestellt, dass ein Verbot, während der Arbeitszeit Smartphones zu privaten Zwecken zu nutzen, nicht mitbestimmungspflichtig ist. Es handelt sich hier nach dem Zweck der Weisung um die Festlegung, welche Tätigkeiten die Beschäftigten während ihrer Arbeitszeit zu unterlassen haben. Das betrifft das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Es geht darum, ein Verhalten der Arbeitnehmer zu regeln, das während ihrer Arbeitszeit einer tatsächlichen Arbeitsleistung entgegenstehen würde. So können Beschäftigte, die ihr privates Handy nutzen, regelmäßig keine Arbeitsleistung erbringen. Der Blick auf das Telefon, dessen Entsperren und die weitere Beschäftigung damit, verhindern, dass die Beschäftigten gleichzeitig ihrer Arbeit nachgehen können.

Hinweis für die Praxis:

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Radiohören während der Arbeitszeit hingegen das Ordnungsverhalten betrifft und damit ein Verbot des Radiohörens mitbestimmungspflichtig ist. Beide Verbote sind aber nicht zu vergleichen. Denn allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer während der Arbeit Radio hört, führt nicht notwendigerweise zu einem Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Pflicht zur Arbeitsleistung. Auch kann die Frage des Radiohörens andere Beschäftigte stören. Dies berührt unmittelbar die betriebliche Ordnung. Die Handynutzung während der Arbeitszeit stört aber nicht die Kollegen. Schließlich ändert auch die Tatsache, dass während der Arbeitszeit immer wieder Warte- oder Leerlaufzeiten entstehen, nichts an diesem Ergebnis. Jedenfalls ist überwiegend das Arbeitsverhalten betroffen. Leerlaufzeiten betreffen nicht den hauptsächlichen Teil der Arbeitsleistung.

Fazit:

Konkretisiert der Arbeitgeber die Arbeitspflicht und das Arbeitsverhalten, sind diese Regeln nicht mitbestimmungspflichtig. Das betrifft immer Fragen, die sich auf die Arbeitszeit und deren Erbringung beziehen. Dies gilt z.B. auch dann, wenn angeordnet wird, dass während der Arbeitszeit nicht geraucht werden kann. Auch hier ist nur das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betroffen.

Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen