07.08.2023

Der BFH konkretisiert Kriterien für die Bemessung der Fremdüblichkeit anhand des Grundsatzes des Margenteilung – auch in Niedrigzinsphasen

GmbH und beherrschender Gesellschafter: Verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) bei nicht fremdüblicher Verzinsung einer Darlehensforderung
In der Praxis sollte darauf geachtet werden, schriftliche Vereinbarungen über Verrechnungskonten, Verzinsung und Besicherung zu treffen (credit: adobestock)

Mit seinem Urteil vom 22.02.2023, I R 27/20, hat der BFH über den zugrundeliegenden Sachverhalt hinaus eine für GmbH und ihre Gesellschafter bedeutsame Entscheidung getroffen. Das Urteil betrifft die steuerrechtlich angemessene und fremdübliche Verzinsung von Gesellschafterdarlehen und Gesellschafter-Verrechnungskonten (§ 42 Abs. 3 GmbHG).

Der Fall (verkürzt)

Mehrheitsgesellschafter X (beherrschender Gesellschafter) hatte über mehrere Jahre ein negatives Verrechnungskoto gegenüber der GmbH auflaufen lassen. X befand sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Das Finanzamt vollstreckte gegen ihn wegen Steuerschulden. Die GmbH leistete weitere Zahlungen für Rechnung des X und verbuchte die entsprechenden Beträge auf dem Verrechnungskonto. Eine Verzinsung erfolgte nicht. Schriftliche Vereinbarungen über die Forderung der GmbH existierten ebenfalls nicht.

Nach Auffassung des Finanzamts lag in der zinslosen Überlassung des auf dem Verrechnungskonto ausgewiesenen Betrags eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Den fremdüblichen Zinssatz schätze das Finanzamt aus 4,5 % (Streitjahre 2014/2015). Klage und Revision zum BFH bleiben ohne Erfolg

Aus den Entscheidungsgründen

a.    Verdeckte Gewinnausschüttung

Unter einer vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) ist – vereinfacht – eine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis wird unterstellt, wenn die GmbH ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte („Fremdvergleich„).

Gewährt die GmbH ihrem Gesellschafter ein Darlehen, kommt eine vGA in Betracht, wenn der Kredit zinslos oder zu einem unangemessen niedrigen Zins gewährt wird. Denn laut BFH sei es zwischen fremden Dritten grundsätzlich nicht vorstellbar, dass Kapital und die damit verbundene Nutzungsmöglichkeit (Ertragschance) unentgeltlich und – wie im Streitfall – ohne Sicherheiten zur Verfügung gestellt werde.

b.    Fremdvergleich, Fremdvergleichspreis, Methoden

Festzustellen ist, in welchem Umfang bei Geschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren beherrschendem Gesellschafter die tatsächlich vereinbarten Preise von denjenigen abweichen, die zwischen fremden Dritten vereinbart worden wären.

Preisvergleichsmethode

Zur Bestimmung des angemessenen und fremdüblichen Zinses ist vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden. Nach dem BFH ist die die Grundmethode zur Bestimmung angemessener Preise.

Margenteilungsgrundsatz

In Fällen eines Verrechnungskontos (§ 42 Abs. 3 GmbHG) hält der BFH zur Bemessung des angemessenen Zinssatzes den Margenteilungsgrundsatz sachgerecht. Es ist zu unterscheiden:

  • Die GmbH nimmt selbst Bankkredite in Anspruch:
    • Die für den Ansatz einer vGA erforderliche verhinderte Vermögensmehrung errechnet sich nach den der GmbH durch die Bank in Rechnung gestellten Sollzinsen.
  • Die GmbH nimmt selbst keine Bankkredite in Anspruch:

Es ist ein Zwischenwert der verhinderten Vermögensmehrung zu ermitteln

  • der banküblichen Habenzinsen als Untergrenze (statistischer Wert der Deutschen Bundesbank für Einlagen nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften mit täglicher Fälligkeit – Zeitreihe BBK01.SUD107)

und

  • der banküblichen Sollzinsen als Obergrenze (bei kontokorrentmäßig geführten Verrechnungskonten: Statistischer Wert der Deutschen Bundesbank für revolvierende Kredite und Überziehungskredite an private Haushalte – Zeitreihe BBK01.SUD112).

Dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, kommt erhöhende Bedeutung zu. Es widerspreche allgemeinen Erfahrungssätzen, dass ein fremder Dritter für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen (vgl. BFH, Urteil vom 18.05.2021 – I R 62/17, BStBl II 2023, 723).

Betreibt die GmbH keine Bankgeschäfte, hat die GmbH auch nicht den damit verbundenen Aufwand (mindernder Faktor.

  • Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.

Der Margenteilungsgrundsatz erfasse laut BFH nur die Situation einer privaten Gelegenheitskreditvergabe durch eine personalistisch strukturierte Gesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter. Nur insoweit sei der Margenteilungsgrundsatz als praktikables Hilfsmittel für den Fall anzuerkennen, dass keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar sind („im Zweifel“).

c.    Niedrig- und Nullzinsphase

Ein Niedrigzinsniveau oder sogar eine Phase der „Strafzinsen“ (Verwahrentgelte) entkräften die verhinderte Vermögensmehrung nicht. Der bankübliche Habenzins ist nicht der alleinige Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung. Vielmehr ist dann immer auch der bankübliche Sollzinssatz heranzuziehen.

Anmerkung und Empfehlung

Das Urteil kommt für die Praxis letztlich nicht überraschend. Der Grundsatz der Margenteilung führt allerdings nicht zwangsläufig zur Bildung eines Mittelwerts aus banküblichem Soll- und Habenzins.

Der maßgebliche Fremdvergleichspreis ist unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ermitteln, im Regelfall durch Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 AO. Zu beachten ist, dass es häufig für die betreffende Leistung nicht „den“ einen und richtigen Fremdvergleichspreis, sondern eine Bandbreite von Preisen geben wird. Für einen solchen Fall stellt der BFH erfreulich klar, ist bei der Berechnung der vGA von dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Vergleichspreis auszugehen.

Die Praxis sollte darauf achten, schriftliche Vereinbarungen über Verrechnungskonten, Verzinsung und Besicherung zu treffen.

Autor: Andreas Jahn

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

Autor

Bild von  Andreas Jahn
Partner
Andreas Jahn
  • Rechtsanwalt und Steuerberater
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Ihr Ansprechpartner für
  • Steuerrechtliche und gesellschaftsrechtliche Begleitung von Unternehmenstransaktionen, Umwandlungen, Umstrukturierungen
  • Erbschaftsteuer und Erbschaftsteuerplanung
  • Steuerrecht der Non-profit-Organisationen, Vereine, Verbände, Stiftungen
  • Familienunternehmen und Familienstiftungen
  • Steuerstrafrecht, Selbstanzeigeberatung

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen