11.05.2023

Der sog. Versorgungsausgleich ist eine wichtige, aber häufig unbekannte Scheidungsfolgesache. Wird eine Ehe geschieden, sind durch den Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften zwischen den Ehegatten aufzuteilen.

Der Versorgungsausgleich ist grundsätzlich eine sog. zwingende Scheidungsfolgesache. So ist es gesetzlich vorgeschrieben. Dies bedeutet, dass das Gericht grundsätzlich auch ohne den Antrag eines Ehegatten gemeinsam mit der Ehescheidung über den Versorgungsausgleich zu entscheiden hat. Über andere Scheidungsfolgen (z.B. Unterhalt, Zugewinnausgleich, Ehewohnungs- und Haushaltssachen) hat das Gericht hingegen nur dann zu entscheiden, wenn ein Ehegatte dies beantragt. Schon dieser gesetzliche Unterschied zeigt deutlich die Bedeutung des Versorgungsausgleichs.

Der sog. Versorgungsausgleich ist eine wichtige, aber häufig unbekannte Scheidungsfolgesache
Der sog. Versorgungsausgleich ist eine wichtige, aber häufig unbekannte Scheidungsfolgesache (credit: adobestock).

Wie läuft das Verfahren ab?

Die Aufteilung der Rentenanrechte muss im Regelfall nicht beantragt werden (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG). Das Gericht wird grundsätzlich von Amts wegen tätig, wenn ein Ehegatte einen Scheidungsantrag einreicht. Nach Eingang des Scheidungsantrages und Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses sendet das Familiengericht beiden Ehepartnern Formulare zum Versorgungsausgleich zu. In diesem Formular sind Angaben zu machen, bei welchen Versorgungsträgern die Ehegatten Anrechte erworben haben können. Dies können insbesondere die gesetzliche Rentenversicherung sein, aber zum Beispiel auch berufsständische Versorgungswerke, betriebliche oder private Altersversorgungen, etc. Die ausgefüllten Formulare sind an das Gericht zurückzusenden. Danach schreibt das Gericht die einzelnen Versorgungsträger von sich aus an und bittet diese um Auskunft darüber, in welcher Höhe die Ehegatten jeweils während der Ehezeit Versorgungsanrechte erwirtschaftet haben.

Die einzelnen Versorgungsträger berechnen die erworbenen Anrechte und auch den Ausgleichswert, den der jeweils andere Ehegatte erhalten soll. Bis alle Auskünfte über die aufzuteilenden Anrechte vorliegen, kann einige Zeit vergehen. Daher kann auch ein Scheidungsverfahren, bei welchem außer der Scheidung selbst und dem Versorgungsausgleich nichts weiter zu regeln ist, etwa sechs bis neun Monate dauern.

Wenn dem Gericht alle Auskünfte vollständig vorliegen und auch in Bezug auf die Scheidung selbst (und etwaige andere Folgesachen) nichts mehr zu klären ist, bestimmt das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung. In diesem Scheidungstermin wird unter anderem der Versorgungsausgleich erörtert, bevor die Ehescheidung ausgesprochen wird. Außerdem ergeht eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich.

Was ist der sog. öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich? Und wie unterscheidet sich dieser vom sog. schuldrechtlichen Versorgungsausgleich?

Insbesondere ein Ehegatte, der in der Ehe nicht oder nur eingeschränkt berufstätig war, soll durch den Versorgungsausgleich eine eigenständige Absicherung im Alter erhalten. Daher werden für jeden Ehegatten, welcher bei der Ehescheidung Anrechte von dem anderen Ehegatten erhält, grundsätzlich eigene Anrechte bei einem Versorgungsträger begründet. Dies ist der sog. öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich. Wird zum Beispiel ein Anrecht des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung aufgeteilt, muss dieser den Ausgleichswert nicht selbst an die Ehefrau zahlen bzw. überweisen. Sondern der Ausgleichswert wird unmittelbar von der Deutschen Rentenversicherung auf ein (neues oder bereits vorhandenes) Konto zugunsten der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung übertragen. Wenn dann später alle Voraussetzungen für den Bezug der Rente vorliegen, erhält die Ehefrau eigenständige Rentenzahlungen von der Deutschen Rentenversicherung. Dieses Prinzip gilt grundsätzlich auch für andere Arten der Altersvorsorge (z.B. Pensionen, Lebensversicherungen, betriebliche Altersversorgungen, etc.).

Nur ausnahmsweise vermittelt der Versorgungsausgleich einem Ehegatten erst nach der Scheidung einen direkten Zahlungsanspruch gegen den anderen Ehegatten, wenn der Ausgleich bei der Scheidung nicht in anderer Weise erfolgen kann. Dann spricht man vom sog. schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Ausländische Anrechte können zum Beispiel nicht bei der Scheidung ausgeglichen werden. Das Gesetz spricht in diesem Fall von fehlender Ausgleichsreife (§ 19 VersAusglG) und ordnet an, dass ein solches Anrecht nach der Scheidung ausgeglichen werden kann. Wenn etwa der Ehemann nach erfolgter Scheidung eine Rente im Ausland erhält, kann die Ehefrau unter bestimmten Voraussetzungen den Ausgleichswert als monatliche Rentenzahlung verlangen (zum Beispiel, wenn sie selbst ihre Altersrente erhält).

Warum ist der Versorgungsausgleich wichtig?

Ziel des Versorgungsausgleichs ist es, die während der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften gleichmäßig zwischen den Ehegatten aufzuteilen. Derjenige Ehegatte, der etwa wegen Kindererziehung bzw. Haushaltsführung nicht oder nur teilweise während der Ehe erwerbstätig war, konnte in dieser Zeit auch keine oder jedenfalls nur geringere eigene Rentenanwartschaften aufbauen. Daraus soll ihm aber bei der Scheidung der Ehe kein Nachteil entstehen. Aus diesem Grund werden die während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte bei der Scheidung jeweils hälftig aufgeteilt. Es findet also ein Hin- und Herausgleich statt, damit am Ende beide Ehegatten gleichwertige Anrechte haben. Auf diese Weise können Unterschiede der während der Ehe erworbenen Anwartschaften ausgeglichen werden.

Wegen dieser Zielrichtung – eine grundsätzlich gleichwertige und eigenständige Absicherung im Alter zu erreichen – ist es wichtig, dass sämtliche bestehenden Versorgungsanrechte sorgfältig aufgeklärt und, soweit möglich, nach dem Grundsatz der Halbteilung aufgeteilt werden. Während des Versorgungsausgleichsverfahrens sind die Berechnungen der Versorgungsträger daher sorgfältig zu überprüfen, ob alle Daten zutreffend sind (z.B. die im Versicherungsverlauf erfassten Zeiten der Beitragszahlung). Offensichtliche Mängeln oder Unstimmigkeiten sind aufzuklären, wozu etwa die Versorgungsträger um nähere Erläuterung der Berechnung aufgefordert werden können.

Die Berechnungen der Versorgungsträger können jedoch im Einzelfall sehr komplex sein. Daher sollte unter Umständen ein Rentensachverständiger hinzugezogen werden. In der Regel sind Kosten für die Überprüfung einer Auskunft durch einen unabhängigen Rentensachverständigen gut investiert. Denn falls sich später, eventuell erst viele Jahre nach der Scheidung, herausstellen sollte, dass Anrechte falsch berücksichtigt oder sogar „vergessen“ wurden und dadurch Nachteile in der Altersversorgung auftreten, ist die Entscheidung über den Versorgungsausgleich in der Regel nicht mehr anfechtbar. Auch wenn die Auswirkung des Versorgungsausgleichs mitunter erst Jahre nach der Scheidung spürbar ist, sollten Ehegatten sich nicht davor scheuen, anwaltliche Beratung zum Versorgungsausgleich in Anspruch zu nehmen sowie im Einzelfall die Unterstützung durch einen unabhängigen Rentensachverständigen.

Autorin: Sarah Schreinemachers

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Sarah Schreinemachers
  • Rechtsanwältin

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