24.01.2024 -
Immer wieder kommt es zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu Streit über die Voraussetzungen von Zielvereinbarungen. Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat nun entschieden, dass eine gestaffelte Regelung unwirksam ist, wenn die vertraglichen Regelungen nicht klar und verständlich sind
Sieht der Arbeitsvertrag vor, dass Zielvereinbarungen vereinbart werden sollen, muss geregelt sein, wann die Ziele zwischen den Parteien als „nicht vereinbart“ gelten sollen (credits:adobestock).

Immer wieder kommt es zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu Streit über die Voraussetzungen von Zielvereinbarungen. Die Rechtsprechung unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen einvernehmlichen Vereinbarungen über Ziele und der einseitigen Vorgabe von Zielen durch die Arbeitgeberseite. Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat nun entschieden, dass eine gestaffelte Regelung unwirksam ist, wenn die vertraglichen Regelungen nicht klar und verständlich sind (LAG Hamburg v. 16.1.2023, 5 Sa 14/22). Die Entscheidung ist für die Vertragsgestaltung von großer Bedeutung und soll daher hier besprochen werden.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Reedereiunternehmen als Spezialist für die Entwicklung von speziellen Containerschiffen beschäftigt. Die Geschäftsidee des Unternehmens basierte auf dem modularen, containerbasierten Bau von Hospitalschiffen.

Es handelt sich um ein einzigartiges Geschäftskonzept. Zu diesem Zweck haben die Parteien neben einem hohen Fixgehalt auch eine besondere Tantieme vereinbart. Der Anstellungsvertrag regelt dazu konkret Folgendes:

Arbeitsvertrag:

§ 4

Vergütung, freiwillige Leistungen

4.1 Der Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein festes Jahresgehalt von EUR 180.000,- brutto … zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen von EUR 15.000,- brutto … jeweils am Monatsende.

4.2 Der Mitarbeiter kann darüber hinaus eine erfolgsabhängige variable Vergütung (‚Tantieme‘) erzielen. Die jährliche Tantieme beträgt maximal EUR 180.000,- brutto … Die Festlegung einer Tantieme und deren Höhe hängen von dem Erreichen von Zielen ab, deren drei wesentliche Kriterien jedes Jahr, erstmals zum Ende der Probezeit, zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden.  Sollten die drei Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben.  Die Tantieme wird je nach Erreichungsgrad der vereinbarten oder vorgegebenen Ziele durch den Arbeitgeber nach seinem Ermessen fixiert. Im Falle des Ein- oder Austritts während eines Kalenderjahres wird eine eventuelle Tantieme zeitanteilig, gerechnet nach Kalendermonaten und für Teile von Kalendermonaten nach Kalendertagen, ausgezahlt. Ein Rechtsanspruch auf eine Tantieme besteht nicht. Wird dem Mitarbeiter eine Tantieme gewährt, erfolgt dies freiwillig mit der Maßgabe, dass auch durch eine wiederholte Zahlung kein Rechtsanspruch, weder dem Grunde noch der Höhe nach, weder für die Vergangenheit noch die Zukunft, begründet wird.“

Weiteres Geschehen:

Im Jahre 2020 kam es dann zwischen den Vertragsparteien zu Zerwürfnissen.

Mit E-Mail vom 25. Juni 2020 forderte der Kläger die Beklagte auf, in Verhandlungen über eine Zielvereinbarung einzutreten.

Es kam in der Folgezeit zu Erkrankungen und dem Ausspruch von Abmahnungen. Im August forderte die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf § 4 Nr. 4.2 des Anstellungsvertrages auf, bis zum 7. August 2020 einen Vorschlag zum Abschluss einer Zielvereinbarung zu ermitteln. Mit weiterem Schreiben vom 13. August 2020 teilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Folgendes mit:

Da Sie mir auch keinen Vorschlag zum Abschluss einer Zielvereinbarung zugesandt haben, erhalten Sie in der Anlage unsere Zielvorstellungen für dieses Kalenderjahr 2020 mit der Bitte um Ihre Rückmeldung bis zum 19.08.2020.“

Der Arbeitnehmer antwortete dann am 19. August mit folgender E-Mail:

„Die mir seitens der X. Management vorgelegte Zielvereinbarung vom 13.08.2020 ist aus meiner Sicht unangemessen, da meine seit März 2020 ausgeführten Tätigkeiten darin völlig ausgeblendet sind.

Eine Zielvereinbarung sollte aber das gesamte Rumpfjahr 2020 abbilden.

Ich sende Ihnen darum meinen Vorschlag zu einer Zielvereinbarung mit der Bitte um Ihre Rückmeldung.“

Hierauf antwortete die Beklagte und legte die Ziele für 2020 unter Hinweis auf den Arbeitsvertrag einseitig nach billigem Ermessen fest.

Der Kläger kündigte dann das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31. Dezember 2020. Eine Tantiemezahlung erhielt er nicht.

Mit seiner Klage verfolgt er die Tantiemezahlung im Wege eines Schadensersatzanspruchs in Höhe von 97.000,00 €. Die einseitige Zielvorgabe entspreche nicht billigem Ermessen.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Wesentlichen bestätigt und lediglich den Zahlungsbetrag von 97.000,00 € auf 82.607,14 € brutto reduziert.

I. Unterscheide Zielvereinbarung und Zielvorgabe

Zielvereinbarungen und Zielvorgaben unterscheiden sich grundlegend. Bei Zielvereinbarungen sind nach der vertraglichen Regelung die Ziele, von deren Erfüllung die Bonuszahlung abhängt, von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam festzulegen.

Hingegen werden Zielvorgaben allein vom Arbeitgeber getroffen, dem dafür ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt wird.

Hinweis für die Praxis:

Die Frage, welches System angewandt werden soll, hat daher erhebliche Auswirkungen. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber eine Kombination aus beiden Möglichkeiten vereinbart, allerdings unwirksam (dazu sogleich).

II. AGB-Kontrolle bei unklaren Regelungen!

Der Arbeitgeber hatte hier zunächst eine einvernehmliche Regelung, also eine Zielvereinbarung vorgesehen. Dafür spricht bereits der Wortlaut der oben dargestellten Klausel. Dort heißt es: „Die Festlegung einer Tantieme und deren Höhe hängen von dem Erreichen von Zielen ab, deren drei wesentliche Kriterien jedes Jahr, erstmals zum Ende der Probezeit, zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden.“

Die im Folgesatz vorgesehene Zielvorgabe ist nachrangig gegenüber dem zunächst von den Parteien zu unternehmenden Versuch, Ziele mit drei wesentlichen Kriterien jährlich gemeinsam zu vereinbaren. Erst wenn diese drei Kriterien zwischen den Parteien nicht vereinbart werden, soll die Beklagte diese Kriterien nach billigem Ermessen vorgeben, mithin einseitig bestimmen dürfen.

Das Landesarbeitsgericht hat allerdings die Berechtigung, bei fehlender Vereinbarung einseitig eine Zielvorgabe bestimmen zu dürfen, hier für unwirksam gehalten. Die Bestimmung ist nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht klar und verständlich (vgl. § 307 Abs. 1 BGB). Es fehlt die erforderliche Bestimmung von rechtlichen Voraussetzungen dafür, wann die Ziele zwischen den Parteien als „nicht vereinbart“ gelten sollen. So fehlten inhaltliche Voraussetzungen dazu völlig. Damit bleibt aber unklar, ob die Parteien eine Zielvereinbarung oder eine Zielvorgabe vereinbart haben, so das Landesarbeitsgericht. Wäre es nämlich der Arbeitgeberseite ohne weiteres gestattet, ohne jede ernsthafte Verhandlung über eine gemeinsam zu treffende Zielvereinbarung auf eine einseitige Zielvorgabe umzustellen, liefe die Bestimmung über eine vorrangig abzuschließende Zielvereinbarung letztlich leer. Die Arbeitgeberseite könnte dann die Verhandlung von Zielen jederzeit verweigern, um sogleich die Ziele einseitig vorgeben zu können. Dies entspricht aber nicht der vertraglich gewollten Reihenfolge von dem vorrangigen Bemühen um eine Zielvereinbarung.

Hinweis für die Praxis:

Das Gericht hat daher festgestellt, dass keine einvernehmliche Zielvereinbarung hier zu Stande gekommen war. Damit hat der Arbeitgeber seine Pflicht zum Abschluss einer solchen Zielvereinbarung nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts schuldhaft verletzt. Für die Zeit bis zum Ablauf der Eigenkündigung hat dann das Gericht die halbe Tantieme angesetzt, abzüglich für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlungsanspruch und auch abzüglich eines 10%igen Mitverschuldensanteils und kam dann auf den ausgeurteilten Betrag von 82.607,14 € brutto.

Fazit

Die Vereinbarung von variablen Vergütungen ist bei Führungskräften üblich. Es wird ein Fixgehalt und zusätzlich eine von bestimmten weiteren Vorgaben abhängige variable Vergütung vertraglich vereinbart. Im Detail sind aber solche Klauseln durchaus schwierig zu formulieren, denn die Arbeitsgerichte wenden auch auf variable Vergütungsvereinbarungen die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle in vollem Umfange an. Unklare und unverständliche Regelungen gehen dabei stets zu Lasten der Arbeitgeberseite. Der Praxis ist daher dringend zu empfehlen, Verträge klar und verständlich zu formulieren und sich dann auch an die eigenen Vereinbarungen zu halten. Nur so können Rechtsnachteile verhindert werden.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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