19.03.2009

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 18. März 2009 – XII ZR 74/08 – die erste grundlegende Entscheidung zur Dauer des nachehelichen Betreuungsunterhalts nach der Unterhaltsrechtsreform getroffen. Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden. Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Die wesentlichen Gesichtspunkte ergeben sich aber schon aus der Pressemitteilung.

Die Parteien hatten in 2000 geheiratet. In 2001 wurde der gemeinsame Sohn geboren. In 2003 erfolgte die Trennung, in 2006 wurden die Parteien rechtskräftig geschieden. Der gemeinsame Sohn besucht seit September 2007 die Schule und im Anschluss bis 16.00 Uhr einen Hort. Die Klägerin ist Beamtin und mit knapp 7/10 einer Vollzeitstelle berufstätig.

Die Parteien streiten über die Höhe und über die Dauer des nachehelichen Betreuungs- und Aufstockungsunterhalts. Das Amtsgericht hatte den Beklagten zur Zahlung nachehelichen Betreuungs- und Aufstockungsunterhaltes in Höhe von monatlich 837,00 € verurteilt. Die Berufung des Beklagten, mit der er Herabsetzung des Nachscheidungsunterhaltes sowie eine Begrenzung der Unterhaltsdauer begehrte, war vom Kammergericht zurückgewiesen worden. Der BGH hat jetzt die Entscheidung des Kammergerichts aufgehoben und die Sache zur Neuverhandlung an das Kammergericht zurückverwiesen.

Nach dem seit dem 1. Januar 2008 geltenden neuen Unterhaltsrecht besteht ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt für den Zeitraum nach der Scheidung uneingeschränkt nur in den ersten drei Lebensjahren des Kindes. In diesen ersten drei Jahren könne – so der BGH – der betreuende Elternteil frei entscheiden, ob er berufstätig sei oder nicht. Dem betreuenden Elternteil stehe es auch frei, eine Erwerbstätigkeit zugunsten der Kindesbetreuung aufzugeben. Übe der betreuende Elternteil trotzdem eine Beschäftigung in den ersten drei Lebensjahren des Kindes aus, seien die erzielten Einkünfte grundsätzlich überobligatorisch. Die Einkünfte können zwar nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, werden aber nach den Umständen des Einzelfalles für die Unterhaltsberechnung gekürzt.

Nach Ablauf der ersten drei Lebensjahre des Kindes sieht das Gesetz nur noch einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus Billigkeitsgründen vor. Maßgeblich sind hierfür kind- und elternbezogene Gründe.

An erster Stelle stehen die kindbezogenen Gründe. Es sei – so der BGH – zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Betreuung des Kindes auf andere Weise gesichert sei. Hierbei seien insbesondere die vom Staat vorgesehenen Betreuungseinrichtungen zu beachten. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres staatlich betreut werden könne, kann sich der betreuende Elternteil nicht mehr auf eine persönliche Betreuung des Kindes berufen. Das bis zur Unterhaltsrechtsreform geltende Altersphasenmodell, das die Erwerbsobliegenheiten des betreuenden Elternteils an das Alter der Kinder anknüpfte (bis zum 8. Lebensjahr keine Erwerbsobliegenheit, bis zum 15. Lebensjahr eine Verpflichtung zur Teilerwerbstätigkeit, ab dem 15. Lebensjahr Verpflichtung zur Vollerwerbstätigkeit) sei nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht mehr haltbar.

Sollte die Betreuung des Kindes durch staatliche Betreuungseinrichtungen sichergestellt sein, seien elternbezogene Gründe zu prüfen. Diese seien die Doppel-Belastung des betreuenden Elternteils mit Erwerbstätigkeit und Betreuung des gemeinsamen Kindes, ein gewachsenes Vertrauen des betreuenden Elternteils in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung sowie die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung.

In dem konkreten Fall wies der BGH darauf hin, dass das gemeinsame Kind bis 16.00 Uhr betreut sei. Das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, ob anstelle der Betreuung durch den Hort aus kindbezogenen Gründen eine persönliche Betreuung durch die Klägerin notwendig sei. Wenn dies nicht festgestellt werden könne, sei die Klägerin grundsätzlich zu einer Erwerbstätigkeit in dem Zeitraum der Hort-Betreuung verpflichtet. Hierbei müsse zudem noch festgestellt werden, ob die Klägerin als Lehrerin bei einer vollen Erwerbstätigkeit über 16.00 Uhr hinaus arbeiten müsse.

Fazit:

Der BGH hat eine Reihe von grundlegenden Feststellungen zum neuen Unterhaltsrecht getroffen; andere Fragen mussten wegen des Sachverhaltes offen bleiben. Nach der Entscheidung wird sich die Praxis auf folgende Grundsätze einzustellen haben:

  • Es besteht keine Erwerbsverpflichtung innerhalb der ersten drei Lebensjahre des gemeinsamen Kindes. Eine Erwerbstätigkeit kann in dieser Zeit aufgegeben werden, ohne dass dies nachteilig ist. Einnahmen aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit können nur anteilig berücksichtigt werden.
  • Nach Vollendung des dritten Lebensjahres ist der betreuende Elternteil grds. in dem zeitlichen Umfang zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, wie staatliche Betreuungsmöglichkeiten (z.B. Kindergarten, Schule, Ganztagsschule, Horte) bestehen. Es ist Sache des betreuenden Elternteils, darzulegen und zu beweisen, weshalb bestehende Betreuungseinrichtungen nicht bzw. nicht in dem zeitlichen Umfang in Anspruch genommen werden.
  • Wenn eine Betreuung des Kindes in staatlichen Einrichtungen sichergestellt ist, kann der betreuende Elternteil elternbezogene Gründe geltend machen, die einer Erwerbstätigkeit entgegenstehen. Nach der Pressemitteilung sind dies z.B. die Doppel-Belastungen durch eine Berufstätigkeit sowie Betreuung des Kindes, das Vertrauen in eine während der Ehe vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung („Hinzuverdienerehe“) sowie eine gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung. Bei dem letztgenannten Gesichtspunkt – „gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung“ – ist allerdings unklar, was genau der BGH darunter versteht.

Noch völlig ungeklärt ist der Umfang der Erwerbsobliegenheit, wenn ein Elternteil mehrere Kinder betreut. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

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