25.03.2009

 

Das Bundeskabinett hat am 18.02.2009 den Entwurf des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) verabschiedet (als PDF-Datei im Anhang). Danach sollen die steuerliche Absetzbarkeit von Vorsorgeaufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung ausgeweitet und die Steuerpflichtigen um rund 9,33 Milliarden EUR p.a. entlastet werden.

Hintergrund und Ziel des Gesetzesentwurfs

Nach geltendem Recht sind die Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung nur in stark eingeschränktem Umfang steuerlich abziehbar. Sonstige Vorsorgeaufwendungen, die nicht zu den Altersvorsorgeaufwendungen gehören (z.B. Beiträge zu Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen), können steuerlich als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Hierbei steht ein Abzugsvolumen in Höhe von maximal 2.400 EUR zur Verfügung. Dieser Betrag vermindert sich auf 1.500 EUR, wenn der Steuerpflichtige z.B. einen steuerfreien Arbeitgeberanteil zu seiner Krankenversicherung erhält oder wenn er über einen entsprechenden Beihilfeanspruch verfügt.

Der vorliegende Gesetzentwurf soll sicherstellen, dass künftig alle Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden, soweit diese dazu dienen, ein Leistungsniveau abzusichern, das im Wesentlichen der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflege-Pflichtversicherung entspricht. Gesetzlich und privat Kranken- und Pflege-Pflichtversicherte, ihre Ehepartner sowie ihre mitversicherten Kinder sollen, soweit möglich, steuerlich gleichbehandelt werden.

Der Gesetzentwurf trägt zugleich den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 – 2 BvL 1/06, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05 u. a. – Rechnung: Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schütze danach nicht nur das so genannte sächliche Existenzminimum, sondern auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall, soweit diese existenznotwendig sind. Für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwands sei auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 01. Januar 2010 eine Neuregelung zu treffen, die auch die gesetzlich kranken- und Pflege-Pflichtversicherten Steuerpflichtigen einbezieht.

Geplante Neuregelung

Der heutige Sonderausgabenabzug für alle sonstigen Vorsorgeaufwendungen, die neben Aufwendungen für die Altersvorsorge abziehbar sind, wird in einen Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge und Beiträge für eine gesetzliche Pflegeversicherung (soziale Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversicherung) umgestaltet – so die Gesetzesbegründung.

Die Höchstgrenzen für die sonstigen Versicherungsbeiträge sollen ab 2010 entfallen. Künftig soll der Sonderausgabenabzug alle Beiträge zur privaten oder gesetzlichen Kranken- und Pflegepflichtversicherung auf sozialhilferechtlich gewährleistetem Leistungsniveau umfassen. Das beinhaltet auch den Abzug der Kosten für den Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner und für Kinder, für die Anspruch auf Kindergeld besteht. Neben diesem Kernelement sind weitere Folgeänderungen geplant. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

  • Beim Sonderausgabenabzug ist vorgesehen, dass alle Beiträge für eine Basis-Krankenversicherung angesetzt werden können. Hierzu gehört demnach auch ein von der gesetzlichen Krankenversicherung gegebenenfalls erhobener Zusatzbeitrag.
  • Beiträge für einen zusätzlichen Versicherungsschutz, die über die medizinische Grundversorgung hinausgehen – beispielsweise Chefarztbehandlung, Einbettzimmer im Krankenhaus – werden nicht abziehbar sein.
  • Beiträge für eine gesetzliche Pflegeversicherung (soziale Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversicherung) sind grundsätzlich in voller Höhe als Sonderausgaben abziehbar.
  • Es bleibt aber ein Teil der Beiträge bei der Einkommensteuer unberücksichtigt, soweit damit ein Absicherungsniveau erworben wird, welches über das der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgeht. Wegen der neuen Basisabsicherung können dann alle weiteren sonstigen Vorsorgeaufwendungen, wie z.B. Beiträge für Haftpflicht-, Arbeitslosen-, Berufsunfähigkeits- oder Unfallversicherungen nicht mehr abgezogen werden. Um eine Schlechterstellung zu vermeiden, ist eine Günstigerprüfung zwischen altem und neuem Recht über die Veranlagungen bis zum Jahr 2019 vorgesehen.
  • Die als Sonderausgaben abziehbaren Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sollen bereits im Lohnsteuerverfahren in pauschalierter Form grundsätzlich in allen Steuerklassen berücksichtigt werden. Damit wirken sich die regelmäßig anfallenden Vorsorgeaufwendungen für die Kranken- und Pflegepflichtversicherung nicht erst bei der Einkommensteuerveranlagung, sondern bereits im laufenden Jahr aus.
  • Der Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 EUR ist auch für die Steuerklasse V vorgesehen. Im Gegenzug soll die Verdoppelung in der Steuerklasse III entfallen.
  • Da dem Finanzamt für die Einkommensteuervorauszahlungen 2010 noch keine Angaben zur Höhe der Versicherungsbeiträge vorliegen, sollen 80 % der privaten bzw. 96 % der gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge angesetzt werden, die bei der letzten Veranlagung berücksichtigt wurden.

Anmerkungen zum Gesetzesvorhaben

Der Gesetzentwurf setzt die durch die Beschlüsse des BVerfG vom 13.02.2008 verlangte Freistellung des Existenzminimums in Bezug auf Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung um.

Verfassungsrechtlich bedenklich ist jedoch, dass wohl zur Gegenfinanzierung der Abzug der weiteren Vorsorgeaufwendungen wie Beiträge an eine Haftpflicht-, Arbeitslosen-, Berufsunfähigkeits- oder Unfallversicherung oder auch für Beiträge zugunsten bestimmter Kapitallebensversicherungen, nicht mehr nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 EStG, sondern nur noch im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 10 Absatz 5 EStG steuerlich berücksichtigt werden kann.

Erste Stimmen aus der Rechtsliteratur stellen bereits in Frage, ob diese Einschränkung einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung standhält (vgl. Elke Gunter, DStR 2009, 565). Denn nach dem Leitfaden zum Arbeitslosengeld II bzw. für die Sozialhilfe nach SGB VII gehören jedenfalls die Beiträge z. B. zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen zum sozialhilferechtlichen Grundbedarf. Da das BVerfG im Urteil vom 13.02.2008 ausdrücklich erwähnt, dass das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums einen Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau gewährleistet, liegt die Problematik auf der Hand. Zweifelhaft ist auch, ob die vorgesehene Günstigerprüfung die verfassungsrechtlichen Bedenken beseitigen kann. Denn auch nach der bisherigen Regelung kommt es bei Berücksichtigung der weiteren Vorsorgeaufwendungen nur zu einer durch Höchstbeträge begrenzten steuerlichen Berücksichtigung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Dies entspricht nicht den Vorgaben des BVerfG im Beschluss vom 13.02.2008.

Und schließlich führt die bis 2019 geplante parallele Anwendung des neuen und des alten Rechts im Rahmen der Günstigerprüfung nicht zu einer Steuervereinfachung, sondern zu einer weiteren Verkomplizierung.

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber im weiteren Verfahren die verfassungsrechtlichen Bedenken aufgreifen wird.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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