26.05.2009

 

Unter zwei verschiedenen Blickwinkeln hat der BFH mit seinem Urteil vom 28.10.2008 – VIII R 69/06 einer interprofessioneller Freiberufler-Personengesellschaft die freiberuflichen Einkünfte versagt und stattdessen sämtliche Einkünfte der Personengesellschaft als gewerblich eingestuft und der Gewerbesteuer unterworfen.

Sowohl

  • unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung eines – im Streitfall sogar nur geringfügig beteiligten – berufsfremden Dritten

als auch

  • unter dem Gesichtspunkt der Doppelstöckigkeit der Personengesellschaften, wenn an der Obergesellschaft auch nur ein einziger berufsfremder Dritter beteiligt ist,

machte der BFH die Gewerblichkeit fest.

Da durch das umfangreiche BFH-Urteil beide trennbare Problemkreise angesprochen sind, haben wir die Kommentierung dieses für alle interdisziplinären bzw. interprofessionellen Freiberuflersozietäten wichtigen Urteils der besseren Übersichtlichkeit halber in zwei separate Kommentierungen aufgespalten und getrennt auf dieser Internetseite eingestellt.

Die vorliegende Kommentierung greift nur den zweiten angesprochenen Problemkreis der gewerblichen Infizierung aller Einkünfte doppelstöckiger Freiberufler-Personengesellschaften auf.

 

Der Fall (vereinfacht wiedergegeben)

Obergesellschaft war eine Ingenieur-Partnerschaftsgesellschaft. Sie war mehrheitlich an verschiedenen Ingenieur-Standortgesellschaften (Untergesellschaften) beteiligt. Die Höhe ihrer Beteiligung an der hier betroffenen Standortgesellschaft, der E GbR, betrug 67 %. Neben der Partnerschaftsgesellschaft waren sieben natürliche Personen Gesellschafter der E GbR, im Wesentlichen Ingenieure.

Gesellschafter der Partnerschaftsgesellschaft als Obergesellschaft waren insgesamt sechs natürliche Personen. Fünf von ihnen waren Ingenieure, der sechste, mit 5 % beteiligte Gesellschafter war der Diplom-Kaufmann (S).

Die Ingenieur-Gesellschafter waren auf der Ebene der Partnerschaft tätig. Sie arbeiteten aber auch bei den operativ tätigen Standortgesellschaften (Ingenieurbüros) an der Bearbeitung der diesen erteilten Planungsaufträge mit. S war kaufmännischer Leiter der Partnerschaftsgesellschaft und wurde zudem auf der Grundlage der Dienstleistungsvereinbarung für diese tätig. Er war an Standortgesellschaften nicht unmittelbar beteiligt und für diese auch nicht gegenüber Dritten tätig. Seine beruflichen Aktivitäten beschränkten sich auf die interne Erledigung kaufmännischer Aufgaben.

Finanzamt und Finanzgericht vertraten die Auffassung, die im Streitfall alleine betroffene E GbR erziele gewerbliche und keine freiberuflichen Einkünfte.

Das bestätigte der BFH, allerdings mit einer abweichenden und rigiden Begründung. Die Gewerblichkeit der E GbR soll sich bereits aus der Gewerblichkeit der (Mutter-)Partnerschaftsgesellschaft ergeben; deren Gewerblichkeit wiederum leitet der BFH aus der Beteiligung des S an der Partnerschaft ab. Letztlich infiziert damit die Beteiligung des S die gesamte ansonsten unproblematisch freiberufliche Unternehmensgruppe.

 

Die Gründe

Nach Auffassung des BFH ist S ist als berufsfremde Person innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft als Obergesellschaft anzusehen und damit nicht als Freiberufler im Sinn des § 18 EStG. Erfüllt auch nur einer der Gesellschafter die Voraussetzungen der Freiberuflichkeit nicht, so erzielen alle Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Eine Aufteilung der Einkünfte in freiberufliche und – für den Berufsfremden – in solche aus Gewerbebetrieb scheidet aus (BFH, Urteil vom 08.04.2008 – VIII R 73/05). Die Einkünfte der gesamten Partnerschaftsgesellschaft sind folglich gewerbliche Einkünfte – insofern hat S bereits die Partnerschaftsgesellschaft als Obergesellschaft gewerblich infiziert.

Das aber lässt der BFH nun auch auf die gesamten Einkünfte der E GbR als Untergesellschaft durchschlagen.

Zur Begründung führt der Senat zunächst an, dem Umstand, dass die freie Berufstätigkeit durch die persönliche, qualifizierte Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt werde, sei auch Rechnung zu tragen, wenn sich eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteilige.

Sämtliche Gesellschafter-Mitunternehmer der Untergesellschaft müssen die Merkmale des freien Berufs erfüllen. Weil aber die Obergesellschaft als solche selbst diese Merkmale nicht erfüllen kann, fordert der BFH zur Anerkennung einer doppelstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft, dass auch alle mittelbar an der Untergesellschaft beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaft die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG in eigener Person erfüllen.

Denn freiberufliche Einkünfte können nicht allein durch das Halten einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung, sondern immer nur dadurch erzielt werden, dass der Steuerpflichtige durch eigene Tätigkeit die Merkmale des freien Berufs in seiner Person erfüllt. Weil jeder Gesellschafter eigenverantwortlich und leitend tätig sein muss, verlangt der BFH zur Anerkennung einer doppelstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft weiter, dass alle Obergesellschafter – zumindest in geringfügigem Umfang – in der Untergesellschaft leitend und eigenverantwortlich mitarbeiten.

Nach diesen Grundsätzen müssen neben den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern der Untergesellschaft auch die mittelbar beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaft die Merkmale des freien Berufs durch ihre Mitarbeit in der Untergesellschaft positiv erfüllen.

Sind die Obergesellschafter dagegen berufsfremd, weil sie entweder nicht Berufsträger sind oder weil sie eine freiberufliche Tätigkeit tatsächlich nicht ausüben, so vermitteln sie der Tätigkeit der Untergesellschaft – gleichgültig, ob man auf die dann gewerblich tätige Obergesellschaft als solche oder auf die mittelbar beteiligten Obergesellschafter als mittelbare Mitunternehmer abstellt – ein schädliches Element der Nichtfreiberuflichkeit. Dann aber greift wieder der Grundsatz: Erfüllt auch nur einer der Gesellschafter die Voraussetzungen der Freiberuflichkeit nicht, so erzielen alle Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Da der Obergesellschafter S in der konkreten Fallgestaltung nach Auffassung des BFH die Merkmale eines Freiberuflers nicht erfüllt und somit keinen freien Beruf ausübt, gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die gesamte, mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit der Personengesellschaft als Gewerbebetrieb – und zwar im Streitfall letztlich die Tätigkeit aller Personengesellschaften im Unternehmensverbund. Denn wenn S die Partnerschaftsgesellschaft als Obergesellschaft gewerblich infiziert, dann infiziert die Beteiligung dieser Obergesellschaft alle Untergesellschaften, an denen sie beteiligt ist, ebenfalls gewerblich.

Dass S mit letztlich nur 3,35 % eine recht geringe und auch nur mittelbare Beteiligung an der betroffenen Standortgesellschaft unterhielt, führt nach Auffassung des Senats nicht dazu, dass die gewerbliche Infizierung wegen „äußerster Geringfügigkeit“ der gewerblichen Betätigung unterbleiben könnte.

 

Hinweis auf die Folgen der Gewerblichkeit

  • Für alle Veranlagungszeiträume, in denen der zur Gewerbesteuer führende Umstand gegeben war, wäre die Veranlagung zur Gewerbesteuer rückwirkend nachzuholen. Gewerbesteuermessbeträge wären rückwirkend festzusetzen, soweit die jeweiligen Festsetzungsfristen noch nicht verstrichen sind.
  • Hinzu kommen die auf die nachzuzahlende Gewerbesteuer entfallenden Zinsen.
  • Die teilweise Anrechnungsmöglichkeit nach § 35 EStG der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer kann allenfalls noch ein kleiner Trost sein.
  • Das bisherige Freiberufler-Büro wird buchführungs- und bilanzierungspflichtig.
  • Im Rahmen des Übergangs von einer bislang praktizierten Einnahme-Überschuss-Rechnung zur Bilanzierung muss der so genannte Übergangsgewinn versteuert werden, d.h. sämtliche offenen Posten müssten als Forderungen ausgewiesen und ertragswirksam der Besteuerung unterworfen werden, ebenso der Gewerbesteuer.
  • Es kommt zu einem Wechsel von der so genannten umsatzsteuerlichen Ist-Versteuerung zur Soll-Versteuerung. Da die erzielten Umsätze nunmehr nicht mehr als Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs bewertet werden können, erfolgt von nun ab eine Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, § 16 UStG.
  • Das bisherige Freiberufler-Büro wäre wohl auch beitragspflichtig für IHK-Beiträge.

 

Fazit

Will sich eine (interdisziplinäre) Freiberufler-Personengesellschaft an einer anderen Freiberufler-Personengesellschaft beteiligen, so müssen die Gesellschafter beider Gesellschaften sorgfältig prüfen, ob jeder der beteiligten Gesellschafter jeweils für sich die Merkmale der Freiberuflichkeit des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Ist an der Obergesellschaft auch nur eine Person aus welchen Gründen auch immer nicht als Freiberufler zu qualifizieren, so schlägt die in beiden Gesellschaften durch und führt nach Auffassung des BFH zwingend zur Gewerblichkeit.

Außerdem ist zwingend darauf zu achten, dass alle Gesellschafter der Obergesellschaft wenn auch nur in geringerem Umfang leitend und eigenverantwortlich in der Untergesellschaft bzw. für die Untergesellschaft tätig werden. Reines Innenhandeln reicht nicht aus.

In letzter Konsequenz bliebe dann nichts anders übrig, als von einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des potentiellen Nichtfreiberuflers abzusehen und ihn lediglich durch Anstellungsvertrag an das Unternehmen zu binden.

 

Theoretischer Gestaltungshinweis

Abfärbung setzt mitunternehmerische Beteiligung des Berufsfremden voraus

Voraussetzung der Abfärbewirkung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 EStG ist immer, dass der Berufsfremde ebenfalls die Stellung eines Mitunternehmers inne hat, was allerdings regelmäßig der Fall sein wird.

Unschädlich ist die somit die mittelbare Beteiligung des berufsfremden Gesellschafters dann, wenn entweder die Obergesellschaft nicht Mitunternehmerin der Untergesellschaft oder der Berufsfremde nicht Mitunternehmer der Obergesellschaft ist. Diesbezüglich seien die für unmittelbare Beteiligungen geltenden Maßstäbe (BFH, Urteil vom 08.04.2008 – VIII R 73/05) auf den Fall der doppelstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft zu übertragen.

Denkbar wären daher Gestaltungen, bei denen eine mitunternehmerische Beteiligung ausgeschlossen wird. Die Kriterien für die Annahme einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft unterscheiden sich nicht von einer gewerblichen Mitunternehmerschaft. Zu bedenken ist aber, dass in der Regel zur Annahme einer Mitunternehmerinitiative bereits die bloßen Kontrollbefugnisse nach § 716 Abs. 1 BGB ausreichen, insbesondere bei einem stark ausgeprägten Mitunternehmerrisiko. Und das ist bei Personengesellschaften wir GbR und Partnerschaftsgesellschaft regelmäßig in Form der unbeschränkten Außenhaftung gegeben. Kommen dann noch Beteiligung an Gewinn und Verlust hinzu, wird eine fehlende mitunternehmerische Beteiligung mit Ausnahme wohl nur theoretischer Ausnahmekonstellationen unter Freiberuflern nicht in Betracht kommen.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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