28.05.2009 -

 

Erbringen Arbeitnehmer nicht die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung und weichen sie von der Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer ab, wird dies arbeitsrechtlich unter dem Begriff des so genannten „low performers“ diskutiert. Unter welchen Voraussetzungen die Kündigung in diesen Fällen möglich und zulässig ist, hatte nun das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zu entscheiden (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.5.2008 – 5 Sa 398/07, NZA-RR 2008, 573). Das interessante Urteil möchten wir für die Praxis vorstellen.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer ist ausgebildeter Maschinenschlosser und Industriemechaniker. Bei dem beklagten Unternehmen ist er seit 1. Januar 1998 als CNC-Fräser eingestellt. Bis Mitte Februar 2007 zählten zu den Aufgaben des Arbeitnehmers das Programmieren, Einrichten und Bedienen von CNC-Fräsmaschinen.

Am 14. Februar 2007 wurde dem Kläger dann mitgeteilt, dass wegen Bedarfs an Wellen („Luftrohr, Abstandsstücke“ u.s.w.) die Drehbank in der Montagehalle in den Fertigungsablauf hineinbezogen werde. Der Kläger wurde angewiesen, diese Teile bis auf weiteres zu fertigen. Ab dem 15. Februar 2007 arbeitete er an der Drehbank und fertigte Luftrohre.

Die Arbeitgeberin erteilte ihm Ende Februar die Rüge, dass seine Arbeitsleistung seit ca. einer Woche stark nachgelassen habe. Eine Woche später wurde dem Arbeitnehmer eine Abmahnung wegen deutlicher Unterschreitung der durchschnittlichen Tagesleistung von 170 Luftrohren (bei 8,5 Stunden) erteilt. Die Durchschnittsleistung habe er an den Tagen 27. Februar (90 Stück), 28. Februar (81 Stück) und 1. März 2007 (74 Stück) nicht erbracht. Die Zeit pro Rohr sei mit 2,5 Minuten vorgegeben, die durchschnittliche Leistung sei mit 3 Minuten pro Rohr daher hinreichend bemessen.

Mitte März folgte eine zweite Abmahnung, da er ausweislich der anliegenden Zusammenfassung seiner Tagesleistungen in der Zeit vom 1. März bis 13. März 2007 die Durchschnittsleistung nur zu etwa 50 %, am 5. März 2007 sogar nur zu 30 % erreicht habe.

Die Arbeitgeberin sprach Mitte April eine ordentliche Kündigung zum 31. Juli 2007 aus.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers abgewiesen.

 

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben und der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

 

I. Erhebliche Minderleistung – Kündigungsvoraussetzungen

Das LAG hat sich zunächst den von dem Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen zur verhaltensbedingten Kündigung aufgrund von erheblicher Minderleistung ausdrücklich angeschlossen (Vgl. zuletzt BAG, Urt. v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/08, NZA 2008, 693). Eine schuldhafte Schlechtleistung in Form einer Minderleistung liegt danach vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund nicht angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit längerfristig die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer in erheblichem Umfang unterschreitet. Da die subjektive Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber aber nur schwer feststellbar ist, genügt der Arbeitgeber insoweit seiner Darlegungspflicht für eine erhebliche Minderleistung, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Erst wenn der Arbeitgeber vorgetragen hat, dass die über einen längeren Zeitraum konkret gemessenen Leistungen des Arbeitnehmers den Durchschnitt im vorgenannten Sinn unterschritten haben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, ggf. das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausgeschöpft hat.

 

Hinweis für die Praxis:

Anknüpfungspunkt für die Feststellung, dass ein Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit gerade nicht angemessen ausschöpft und damit unter Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten bewusst langsam arbeitet, sind einerseits die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung sowie andererseits die durchschnittlichen Leistungen der mit dem betreffenden Arbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer.

 

II. Festlegung des Vergleichsmaßstabes?

Die durchschnittlichen Leistungen der vergleichbaren Arbeitnehmer müssen aufgrund nachvollziehbarer Tatsachen vorgetragen werden. Es reicht daher nicht aus, lediglich einen Testdurchlauf durchzuführen und basierend auf einem solchen Test die Durchschnittsleistung hoch zu rechnen. Im vorliegenden Fall kam der Arbeitgeber aber seiner Darlegungslast nur mit einer solchen Hochrechnung nach. Er ließ die Fertigungsdauer von zwei unterschiedlichen Arbeitnehmern testweise per Stoppuhr messen und kam über dieses Verfahren zu einer durchschnittlichen Fertigungsdauer von 3 Minuten pro Luftrohr.

Solche Art Tests sind nach Auffassung des LAG möglicherweise geeignet, eine überschlägige Machbarkeitsprüfung oder Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen. Sie sind aber nicht zur Ermittlung einer Durchschnittsleistung geeignet. Eine Durchschnittstagesleistung wird in einem solchen Verfahren gerade nicht getestet, sondern ausgehend von der Fertigungsdauer für ein Rohr lediglich hochgerechnet. Geht man davon aus, dass während einer 9-stündigen Schicht die Leistungsfähigkeit gewissen natürlichen Schwankungen unterliegt, kann diese Hochrechnung daher keine geeignete Grundlage zur Festlegung der Durchschnittsleistung sein. Auch die Eintönigkeit und einseitige Belastung der über Stunden zu verrichtenden Arbeit kann im Laufe eines Arbeitstages zu einem ganz normalen Leistungsabfall führen und somit die Durchschnittsleistung negativ beeinflussen.

Zugunsten des Mitarbeiters wurde ferner berücksichtigt, dass die von ihm erlernten und über viele Jahre ausgeübten Fräsarbeiten zu den Arbeiten an der nunmehr erforderlichen Drehbank grundverschieden waren. Es konnte daher nicht erwartet werden, dass solche Tätigkeiten, selbst wenn sie einfacher Art sein sollten, in wenigen Tagen erlernt werden. Schließlich fiel auch die von dem LAG durchgeführte Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers aus.

 

Fazit:

Die Darlegungsvoraussetzungen für die Arbeitgeberseite sind in einem Kündigungsprozess wegen Leistungsminderung („low performer“) erheblich. Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein macht deutlich, dass Hochrechnungen von der Rechtsprechung nicht akzeptiert werden. Die Durchschnittsleistung der vergleichbaren Arbeitnehmer muss auf tatsächlichen Erfahrungswerten beruhen. Vor allem müssen bei einfachen Tätigkeiten die über den Tag verteilten normalen Leistungsschwankungen Berücksichtigung finden. Vor Ausspruch einer Kündigung ist daher genau zu prüfen, ob dieser umfassenden Beweislast genügt werden kann.

 

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