Geschäftsführerhaftung für Gewerbesteuerschulden bei Buchführungsmängeln, Bay VGH Beschluss vom 26.08.2025 – 4 CS 25.602

Einleitung
Der Bay VGH (Beschluss vom 26.08.2025 – 4 CS 25.602) bestätigte die persönliche Haftung eines GmbH-Geschäftsführers für Gewerbesteuerschulden seiner insolventen Gesellschaft. Die GmbH hatte in den Jahren 2013–2015 gravierende Buchführungsmängel: fehlende elektronische Kassendaten, keine Grundprogrammierung, keine Änderungsprotokolle. Aufgrund der daraus resultierenden Hinzuschätzungen für die Jahre 2013 bis 2015 von jeweils 120.000 Euro setzte das Finanzamt höhere Gewerbesteuern fest. Nach Insolvenzeröffnung nahm die Gemeinde den Geschäftsführer per Haftungsbescheid in Anspruch. Das VG München lehnte seinen Eilantrag gegen den Haftungsbescheid ab, der VGH bestätigte dies nun.
Der VGH stellte klar, dass der Geschäftsführer durch falsche Steuererklärungen (§§ 149, 150 AO) seine Pflichten verletzt habe und grob fahrlässig handelte. Nach ständiger Rechtsprechung indiziere bereits der objektive Pflichtenverstoß grobe Fahrlässigkeit. Dass strafrechtlich nicht ermittelt wurde, sei unerheblich. Die Pflichtverletzung sei auch kausal für die Steuerausfälle, da bei rechtzeitiger Erklärung noch Mittel vorhanden gewesen wären.
1. Sachverhalt
Der Antragsteller war alleiniger Geschäftsführer der P. P. Gaststättenbetriebe GmbH von 1998 bis zur Betriebsaufgabe 2019. Eine Betriebsprüfung des Finanzamts München für 2013–2015 stellte massive Buchführungsmängel fest:
- fehlende elektronische Kassendaten und Kassenschnitte,
- keine Grundprogrammierung, keine Änderungsprotokolle oder Bedienerberichte.
Mit dem Geschäftsführer wurde vereinbart, für die Jahre 2013–2015 „Sicherheitszuschläge“ von jeweils 120.000 Euro zu berücksichtigen. Diese Zuschläge erhöhten auch die Gewerbesteuer für 2017. Das Finanzamt erließ daraufhin geänderte Gewerbesteuermessbescheide; die Gemeinde setzte am 5.12.2022 Gewerbesteuern für Jahr 01 (10.784,90 €) und Jahr 02 (15.038,10 €) fest. Im Folgejahr wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Gemeinde nahm den Geschäftsführer mit Haftungsbescheid persönlich für 25.823 € in Anspruch.
Das VG wies seinen Eilantrag gegen den Haftungsbescheid zurück. Dagegen legte er Beschwerde beim ein.
2. Entscheidungsgründe des VGH
„Gemäß § 69 Satz 1 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 AO haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit deren Steuerschulden infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.“
Als Geschäftsführer habe der Antragsteller nach §§ 149, 150 AO vollständige, richtige und rechtzeitige Steuererklärungen abzugeben. Dies sei nicht erfolgt: Die deklarierten Gewinne für 2013–2015 lagen erheblich unter den später – unter Einbeziehung der vereinbarten Hinzuschätzungen (§ 162 AO) – festgestellten Gewinnen. Die Behauptung einer „korrekten, aber technisch veralteten“ Buchhaltung sei unbehelflich, weil nicht nur elektronische, sondern auch papiergebundene Belege fehlten.
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
Formelle Buchführungsmängel berechtigen nach § 162 AO zur Schätzung, wenn sie Zweifel an der sachlichen Richtigkeit begründen (unter Verweis auf, Urteil vom 17.11.1981 – VIII R 174/77). Solche Mängel seien hier massiv gewesen. Der Geschäftsführer habe keine Unterlagen nachgereicht und sich mit den Sicherheitszuschlägen einverstanden erklärt.
Offenbarung von Prüfungsdaten
Dass der Geschäftsführer der Weitergabe des Betriebsprüfungsberichts nicht zugestimmt habe, sei irrelevant.
„Gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ist die Offenbarung steuerlicher Daten zulässig, wenn sie der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen dient.“
Grobe Fahrlässigkeit
Der VGH bejahte grobe Fahrlässigkeit:
„Nach ständiger Rechtsprechung des BFH indiziert der objektive Verstoß eines Vertreters gegen steuerrechtliche Pflichten regelmäßig den für eine Haftung nach § 69 AO erforderlichen gesteigerten Schuldvorwurf in Form grober Fahrlässigkeit.“ (unter Hinweis auf BFH, Urteil vom 20.02.2024 – VII R 16/21)
Dass keine strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet wurden, stehe der Annahme grober Fahrlässigkeit nicht entgegen.
Kausalität
Die Pflichtverletzung sei auch ursächlich für den Steuerausfall. Entscheidend sei, ob bei fiktiver Fälligkeit der Steuern noch Vollstreckungsmöglichkeiten bestanden hätten. Laut Insolvenzgutachten erwirtschaftete die GmbH 2019 noch 380.000 € Gewinn, sodass bei rechtzeitiger Erklärung Mittel zur Zahlung vorhanden gewesen wären.
3. Einordnung und praktische Relevanz für Geschäftsführer
Der Beschluss entfaltet Bedeutung für GmbH-Geschäftsführer, insbesondere in bargeldintensiven Branchen wie der Gastronomie:
- Buchführungspflichten: Geschäftsführer müssen für vollständige, richtige und nachvollziehbare und zeitnahe Buchführungsunterlagen sorgen. Auch bei technisch veralteten Kassensystemen ist eine lückenlose Dokumentation (z. B. Papierbelege) erforderlich.
- Haftungsrisiko: Werden fehlerhafte Steuererklärungen abgegeben, haftet der Geschäftsführer persönlich für dadurch entstehende Steuerschulden, selbst bei späterer Insolvenz.
- Grobe Fahrlässigkeit: Bereits objektive Pflichtverstöße genügen zur Begründung grober Fahrlässigkeit – subjektive Entlastungen (z. B. kein Vorsatz, keine strafrechtliche Verfolgung) helfen nicht.
- Compliance-Pflicht: Geschäftsführer müssen interne Kontrollen etablieren, um Buchführungsmängel zu verhindern, und bei Zweifeln unverzüglich steuerlichen Rat einholen.
Fazit
Der bekräftigt: Geschäftsführer haften persönlich für Steuerausfälle, wenn sie durch gravierende Buchführungsmängel unzutreffende Steuererklärungen abgeben. Selbst ohne Vorsatz genügt grobe Fahrlässigkeit. Entscheidend ist, dass bei rechtzeitiger Steuerfestsetzung noch Vermögen vorhanden gewesen wäre.
Für Geschäftsführer bedeutet dies: Sorgfältige Buchführung und steuerliche Compliance sind unerlässlich – Versäumnisse können zu persönlicher Haftung führen, auch Jahre nach der Betriebsaufgabe. Frühzeitige Compliance ist zwingend anzuraten.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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