23.09.2025 -
BFH: E-Mails können Handels- und Geschäftsbriefe sein und sind bei Außenprüfungen vorzulegen – aber kein Anspruch der Finanzverwaltung auf ein Gesamtjournal.
BFH hatte zu entscheiden, ob E-Mails denselben Aufbewahrungspflichten wie klassische Geschäftsbriefe unterliegen (credits: adobestock).

Die digitale Kommunikation ist aus dem Geschäftsleben nicht mehr wegzudenken – doch wie geht die Steuerverwaltung damit um? Der BFH hat in seinem aktuellen Beschluss vom 30.04.2025 (XI R 15/23, veröffentlicht am 18.09.2025) für Klarheit gesorgt: E-Mails können Handels- und Geschäftsbriefe im Sinne der sein und müssen bei Außenprüfungen vorgelegt werden. Gleichzeitig setzt der BFH der Datenanforderung durch die Finanzverwaltung klare Grenzen. Was das für Unternehmen und Steuerberater bedeutet – und warum jetzt dringend Handlungsbedarf bei der E-Mail-Archivierung besteht – lesen Sie in unserer Zusammenfassung.

1. Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Verfahren stritten eine deutsche Tochtergesellschaft (Klägerin) und das zuständige Finanzamt (FA) im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung über die Pflicht zur Vorlage bestimmter digitaler Unterlagen. Konkret forderte das FA von der Klägerin die Herausgabe sämtlicher E-Mails mit Bezug auf ein konzerninternes „Agreement“ sowie die dazugehörige Verrechnungspreisdokumentation. Außerdem verlangte es die Erstellung und Übergabe eines sogenannten „Gesamtjournals“, das alle E-Mails der Klägerin mit Metadaten (Absender, Empfänger, Datum, Betreff etc.) auflisten sollte – unabhängig von deren steuerlicher Relevanz.

Die Klägerin wandte ein, das Verlangen sei zu unbestimmt, unverhältnismäßig und teilweise rechtswidrig. Insbesondere könnten E-Mails keine Handels- oder Geschäftsbriefe im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 (AO) sein; zudem fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Anforderung eines Gesamtjournals.

Das (FG) wies die Klage teilweise ab (Urteil vom 23.03.2023, 2 K 172/19): Es bestätigte die Pflicht zur Vorlage der E-Mails, gab der Klägerin aber bezüglich des Gesamtjournals recht. Gegen dieses Urteil legten sowohl die Klägerin als auch das FA Revision beim (BFH) ein.

2. Entscheidungsgründe des BFH

Der XI. Senat des BFH wies mit Beschluss vom 30.04.2025 beide Revisionen als unbegründet zurück.

a. E-Mails sind aufbewahrungspflichtige Handels- und Geschäftsbriefe

Zentral stellt der BFH klar:

„Handels- und Geschäftsbriefe im Sinne von § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO können auch E-Mails sein.“

Damit unterfallen E-Mails, die die Vorbereitung, den Abschluss oder die Durchführung eines Handelsgeschäfts betreffen, der Aufbewahrungspflicht. Unerheblich ist die Form der Korrespondenz; auch digitale Kommunikation fällt darunter. Der BFH verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Begriff der Handels- und Geschäftsbriefe weit auszulegen ist und die gesamte geschäftsbezogene Korrespondenz umfasst, sofern sie betriebliche Vorgänge dokumentiert.

Ebenfalls als aufbewahrungspflichtig eingestuft werden E-Mails mit Bezug auf die Verrechnungspreisdokumentation der Klägerin. Nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO seien alle Unterlagen aufzubewahren, die „für die Besteuerung von Bedeutung“ sind. Dazu gehörten auch E-Mails, die Informationen über die angewandte Verrechnungspreismethode enthielten. Die besondere Dokumentationspflicht des § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung vom 12.07.2017 (GAufzV) verdränge die allgemeine Aufbewahrungspflicht nach § 147 AO nicht.

b. Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit des Vorlageverlangens

Der BFH bejaht die Bestimmtheit des Vorlageverlangens: Es sei ausreichend konkretisiert gewesen, indem es auf alle E-Mails im Zusammenhang mit dem konkret bezeichneten „Agreement“ verwiesen habe. Die Finanzverwaltung müsse mangels Vorwissens nicht noch enger eingrenzen (etwa nach Stichworten, Mitarbeitern oder Zeiträumen). Die Klägerin habe das sogenannte „Erstqualifikationsrecht“, also die Pflicht und Möglichkeit, selbst auszuwählen, welche E-Mails steuerlich relevant seien und vorzulegen seien.

Auch zur Verhältnismäßigkeit führt der BFH aus, dass der mit der Sichtung und Herausgabe verbundene Aufwand zumutbar sei. Der Eingriff sei erforderlich, um die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und die Richtigkeit der Verrechnungspreise zu überprüfen. Ohne die E-Mails könne das FA die steuerlichen Angaben der Klägerin nicht hinreichend prüfen. Der BFH betont, dass der Zugriff auf die Daten nur in den Geschäftsräumen der Klägerin oder der Finanzverwaltung erfolge und damit auch der Datenschutz gewahrt bleibe.

„Der Steuerpflichtige ist primärer Wissensträger und hat die größte Beweisnähe; ohne die verschiedenen Mitwirkungspflichten müsste eine gleichmäßige Durchsetzung der Steueransprüche scheitern.“

c. Kein Anspruch auf Erstellung eines Gesamtjournals

Demgegenüber erklärte der BFH das Verlangen nach einem „Gesamtjournal“ für rechtswidrig. Ein solches Journal, das alle E-Mails samt Metadaten (auch nicht aufbewahrungspflichtige oder private E-Mails) erfassen würde, existiere nicht und müsste erst erstellt werden. Für ein solches Verlangen fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.

„Mangels Rechtsgrundlage ist es der Finanzverwaltung verwehrt, ein sogenanntes Gesamtjournal zu verlangen, das erst noch erstellt werden müsste und auch Informationen zu E-Mails ohne steuerlichen Bezug enthält.“

Weder § 147 Abs. 6 AO (Datenzugriffsrechte) noch § 200 Abs. 1 Satz 2 AO (Vorlagepflichten) böten hierfür eine Rechtsgrundlage, weil beide Vorschriften nur tatsächlich vorhandene Unterlagen erfassen. Das Erstellen neuer Daten (Gesamtjournal) könne nicht verlangt werden.

3. Einordnung und praktische Relevanz für Steuerberater

Die Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung für die steuerliche Betriebsprüfung und die Aufbewahrungspflichten von Unternehmen:

  • Erweiterter Anwendungsbereich der Aufbewahrungspflicht: Unternehmen müssen künftig verstärkt beachten, dass auch E-Mails, die geschäftliche Vorgänge dokumentieren, aufzubewahren und im Rahmen einer Außenprüfung vorzulegen sind.
  • Klarstellung zur Verrechnungspreisdokumentation: E-Mails können Bestandteil der nach § 90 Abs. 3 AO geforderten Aufzeichnungen sein und sind zugleich nach § 147 AO aufzubewahren. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer strukturierten E-Mail-Archivierung.
  • Kein Zwang zur Erstellung neuer Datensammlungen: Die Finanzverwaltung darf keine neu zu erstellenden Gesamtjournale verlangen. Dies schützt Unternehmen vor unverhältnismäßigem Aufwand.
  • Bedeutung des Erstqualifikationsrechts: Unternehmen dürfen (und müssen) selbst prüfen, welche E-Mails steuerlich relevant sind und welche nicht. Dies verlangt eine sorgfältige interne Organisation der Datenbestände.
  • Datenschutzaspekte: Die Entscheidung betont, dass Datenzugriffe nur in den Geschäftsräumen des Unternehmens oder der Finanzverwaltung stattfinden dürfen, was für den Schutz personenbezogener Daten wichtig ist.

Für Steuerberater bedeutet dies, dass sie ihre Mandanten verstärkt zur Einrichtung eines rechtssicheren E-Mail-Managementsystems anhalten sollten, das eine geordnete Archivierung und selektive Herausgabe ermöglicht. Gleichzeitig sollte dokumentiert werden, nach welchen Kriterien die Relevanz von E-Mails beurteilt wird.

4. Fazit

Der stellt klar: E-Mails können Handels- und Geschäftsbriefe im Sinne des § 147 AO sein und müssen bei steuerlichen Außenprüfungen grundsätzlich vorgelegt werden. Sie unterliegen damit denselben Aufbewahrungspflichten wie klassische Geschäftsbriefe. Die Finanzverwaltung darf jedoch kein umfassendes, erst zu erstellendes Gesamtjournal aller E-Mails verlangen.

Für die Praxis bedeutet dies: Unternehmen müssen E-Mails mit steuerlichem Bezug revisionssicher archivieren, sind aber nicht verpflichtet, vollständige E-Mail-Register zu erstellen.

Steuerberater sollten ihre Mandanten auf diese Pflichten hinweisen und bei der Implementierung geeigneter Archivierungssysteme unterstützen.


Autor: RA & StB Andreas Jahn

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