17.08.2016

Mitglieder der freien Berufe wie Ärzte, Steuerberater oder auch Rechtsanwälte schließen sich zur gemeinsamen Berufsausübung regelmäßig zu einer Personengesellschaft zusammen. Ihre Sozietät ist zumeist Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder auch eine Partnerschaftsgesellschaft. Häufig fehlen in den Gesellschaftsverträgen dieser Sozietät Regelungen über die Rechtsfolgen beim Ausscheiden eines Gesellschafters durch Kündigung, wenn die verbliebenen Gesellschafter die Gesellschaft fortführen.

Wie dann ganz grundsätzlich verfahren werden sollte, hat der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Senat des BGH bereits wiederholt entschieden, zuletzt mit seinem am 18.08.2016 veröffentlichten Urteil vom 12.07.2016, II ZR 74/14:

„Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, die sachlich nahe liegende und angemessene Art der Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät. Gehen die Gesellschafter in dieser Weise vor, ist damit der Geschäftswert abgegolten. Eine weitergehende Abfindung kann grundsätzlich nicht beansprucht werden und bedarf einer entsprechenden Vereinbarung (vgl. BGH, Beschluss vom 31.05.2010 – II ZR 29/09, Rn. 2 mwN; Beschluss vom 18.09.2012 – II ZR 94/10).“

Die angemessene Art der Auseinandersetzung ist nach Auffassung des BGH die Realteilung (zu den aktuellen steuerrechtlichen Möglichkeiten einer Realteilung siehe die BFH-Urteilsbesprechungen durch Dr. Martin Geraats auf dieser Homepage: 1. BFH-Urteil vom 17.09.2015 – III R 49/13; 2. BFH-Urteil vom 16.12.2015 – IV R 8/12).

Danach sind die Sachwerte einschließlich Patientenstamm bzw. Mandantenstamm im Rahmen des berufsrechtlich zulässigen Verfahrens aufzuteilen. Ein sich entsprechend der vorzunehmenden Bewertung errechnender Spitzenausgleich kann in Geld ausgeglichen werden. Das klingt einfach, ist es im Prinzip auch. Dennoch kommt es häufig zu Streit, sei es um die Bewertung, sei es um den Ausgleich von Entnahmen, Überentnahmen und Einlagen, sei es um die nach dem Ausscheiden vereinnahmten Zahlungen für Leistungen, die „mitgenomme“ Patienten oder Mandanten betreffen.

Der BGH stellt nunmehr mit Urteil vom 12.07.2016, II ZR 74/14 klar,

  • Dem durch Kündigung ausscheidenden Gesellschafter steht ein Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
  • Der Anspruch auf Abfindung richtet sich gegen die Gesellschaft.
  • Davon unbeschadet besteht daneben entsprechend § 128 HGB für diese Verbindlichkeit der Gesellschaft die persönlichen Haftung der Gesellschafter.
  • Das dem ausgeschiedenen Gesellschafter als Abfindung zustehende Auseinandersetzungsguthaben ist auf der Grundlage des anteiligen Unternehmenswerts zu berechnen.
  • In die Berechnung des Unternehmenswerts sind, sofern vorhanden, auch sonstige, nicht unternehmenswertbezogene gegenseitige Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis einzustellen, bspw.
    • ein möglicher Anspruch auf Rückerstattung von Einlagen nach § 733 Abs. 2 BGB,
    • Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter auf Rückzahlung unberechtigter Entnahmen.
  • Dem Ausgeschiedenen steht zur Ermittlung seines Abfindungsanspruchs ein Anspruch auf Aufstellung der Abfindungsbilanz zu.
  • Die Abfindungsbilanz auf den Stichtag des Ausscheidens zu erstellen.
  • Besonderes Augenmerk ist auf die häufig als „Kapitalkonten“ der Gesellschafter bezeichneten Konten zu legen, die regelmäßig keine echten Kapitalkonten sind, sondern häufig auch der Erfassung wechselseitiger Forderungen und Verbindlichkeiten dienen.
  • Zum Anspruch auf Beteiligung am Ergebnis schwebender Geschäfte nach § 740 Abs. 1 BGB verweist der BGH auf sein Urteil vom Urteil vom 07.12.1992 – II ZR 248/91. Dort heißt es:

„Teilleistungen aus schwebenden Geschäften, die vor dem Ausscheiden des Gesellschafters bereits erbracht worden sind, dürfen nicht in die Abfindungsbilanz aufgenommen werden, wenn das Gesamtwerk zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt worden ist. Diese Teilleistungen sind vielmehr in die Gewinn– und Verlustrechnung nach § 740 Abs. 1 BGB einzubringen, die zu erstellen ist, wenn das schwebende Geschäft voll erfüllt worden ist.“

  • Der Anspruch auf Aufstellung der Abfindungsbilanz richtet sich (auch) gegen die Gesellschaft.
  • Prozessual kann der Anspruch auf Aufstellung der Abfindungsbilanz mit dem noch zu beziffernden Zahlungsanspruch in einer Stufenklage verbunden werden.

Fazit:

Auch wenn das Verfahren beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer durch die übrigen Gesellschafter fortgeführten Gesellschaft recht simpel erscheint, beweist doch der dann so häufig auftretende Streit, wie sinnvoll es ist, sich nicht auf die unvollkommene Gesetzeslage zu verlassen. Stattdessen sind verlässliche und klare Regelungen im Gesellschaftsvertrag aufzunehmen.

Das belegt alleine der Blick auf die besonders streitträchtige und ggf. langandauernde Auseinandersetzung um die Beteiligung des ausgeschiedenen Gesellschafters am Ergebnis zum Ausscheidensstichtag noch schwebender Geschäfte nach § 740 Abs. 1 BGB.

Nahezu alle Bestimmungen des BGB, die sich mit dem Ausscheiden und der Auseinandersetzung einer Gesellschaft befassen, sind dispositiv. Von dieser Gestaltungsfreiheit sollten die sich zur Berufsausübung in der Rechtsform einer GbR oder Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließenden Freiberufler – aber nicht nur diese – tunlichst Gebrauch machen.

Autor

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