05.07.2016

Entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH liegt eine Realteilung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nunmehr auch dann vor, wenn ein Mitunternehmer unter Übernahme eines Teilbetriebes aus der Mitunternehmerschaft ausscheidet und die Mitunternehmerschaft von den verbliebenen Mitunternehmern fortgesetzt wird.

Der Fall:

Die Klägerin schied zum 02.01.2006 aus einer in Form einer Personengesellschaft betriebenen Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsanwaltssozietät aus. Zur Fortführung ihrer anwaltlichen Tätigkeit übernahm sie eine der beiden Niederlassungen der Gesellschaft, der zuvor erhebliche finanzielle Mittel zugeordnet worden waren. Sozietät und Klägerin ermittelten ihren jeweiligen Gewinn vor wie nach der Auseinandersetzung im Wege der Einnahmeüberschussrechnung.

Im Rahmen einer Außenprüfung ging das Finanzamt von einem laufenden Gewinn in der Form eines Übergangsgewinnes aus und setzte diesen mit gesondertem und einheitlichem Feststellungsbescheid fest. Nach erfolglosem Einspruch obsiegte die Klägerin vor dem Finanzgericht; das Finanzamt legte Revision ein.

Die Entscheidung:

Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache mangels Spruchreife zurück an das FG.

I. Realteilung erforderte bisher die Beendigung der Mitunternehmerschaft

Nach der bis zuletzt ständigen Rechtsprechung des BFH sowie nach Ansicht von Teilen der Literatur und der Finanzverwaltung handelte es sich bei der Realteilung i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG um „die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter Mitunternehmern, bei der zumindest einer der bisherigen Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt“. Weitere – in der Literatur jedoch umstrittene – Bedingung war, dass die aufzulösende Mitunternehmerschaft auch tatsächlich beendet wurde. Die Fortführung der ursprünglichen Mitunternehmerschaft durch die verbliebenen Mitunternehmer führte deshalb grundsätzlich nicht zu einer gewinnneutralen Fortführung der Buchwerte.

II. Neuer Realteilungsbegriff: Beendigung nicht länger erforderlich

Diese Rechtsprechung gab der BFH nun auf und stellte ausdrücklich fest, dass der Realteilungsbegriff des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG „jedenfalls das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft unter Mitnahme eines – weiterhin zum Betriebsvermögen des Ausgeschiedenen gehörenden – Teilbetriebs“ einschließe. Unerheblich ist, ob die Mitunternehmerschaft insgesamt aufgelöst wird oder ob nur einzelne Mitunternehmer einer mehrgliedrigen Mitunternehmerschaft ausscheiden und die Mitunternehmerschaft von den verbliebenen Mitunternehmern fortgeführt wird.

Der III. Senat des BFH führte zur Begründung aus, dass es sich bei dem Begriff der „Realteilung“ um einen steuerlichen Begriff handele, dessen Auslegung – anders als bisher vertreten – nicht an das Zivilrecht gebunden sei. Da § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG auf die Gewinnermittlung einer Mitunternehmerschaft Bezug nehme, setze er einen Sachverhalt voraus, der sich auf den Gewinn der Mitunternehmerschaft auswirke. Dies bedürfe allerdings nicht der vollständigen Auflösung einer Mitunternehmerschaft, denn auch ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn des ausscheidenden Mitunternehmers stelle einen Teil des Gewinns der Mitunternehmerschaft dar.

Ebenso belege die Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 3 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002, dass der Gesetzgeber nicht der bisherigen Auslegung anhinge. Denn nach der ursprünglichen Begründung liegt eine Realteilung auch dann vor, wenn „die Mitunternehmerschaft zwar bestehen bleibt, jedoch Teile des Betriebsvermögens dem ausscheidenden Gesellschafter als Abfindung überlassen werden“. Zu dieser Begründung seien auch bei der Überarbeitung des § 16 Abs. 3 EStG durch das UntStFG keine abweichenden Erwägungen angestellt worden, der Wille des Gesetzgebers habe sich insoweit nicht geändert.

Systematisch betrachtet stelle die Realteilung einen Sonderfall der Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG dar. Von der Vorschrift erfasst sei allerdings nicht lediglich die Aufgabe eines Betriebes, sondern darüber hinaus – als gleichgestellte Tatbestände – auch die vollständige Aufgabe eines Mitunternehmeranteils sowie des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KG auf Aktien. Auch das Ausscheiden eines Mitunternehmers unter Mitnahme von Gesellschaftsvermögen sei deshalb nicht länger als Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, sondern als Aufgabe eines Mitunternehmeranteils anzusehen. Denn erst dann ergebe sich eine eigenständige Bedeutung des Verweises von § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG auf § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Statt der bisherigen Beschränkung der Anwendbarkeit dieser Regelung auf Fälle, in denen der Mitunternehmeranteil neben dem Gesellschaftsanteil auch Sonderbetriebsvermögen umfasse und dieses nicht auf den Erwerber übertragen werde, erhalte die Vorschrift durch die neue Auslegung einen klaren sachlichen Anwendungsbereich.

Schließlich stütze auch der Zweck der Realteilung die neue, weite Auslegung. Denn dieser bestehe darin, „wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsvorgänge steuerlich nicht zu belasten, solange die steuerliche Erfassung stiller Reserven sichergestellt sei“. Insoweit stimmten bisherige Rechtsprechung und der Gesetzgeber überein. Da eine sinnvolle Umstrukturierung allerdings auch durch das Ausscheiden eines Mitunternehmers unter Mitnahme eines Teilbetriebes möglich sei, müsse auch in diesen Fällen eine Realteilung vorliegen (können).

Die Anwendung anderer Vorschriften (§ 24 UmwStG oder § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG) hielt der BFH nicht für vorzugswürdig, da sich über die unmittelbare Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG ein unnötiger Umweg über Analogie oder Extension sowie weitere Probleme – etwa im Rahmen der Übertragung von Verbindlichkeiten – vermeiden ließen.

Fazit:

Der BFH erhöht mit der vorliegenden Entscheidung die Rechtssicherheit und erweitert die Möglichkeiten für die Gestaltung von Gesellschafterauseinandersetzungen und Umstrukturierungen in sinnvoller Weise: Die Fortführung der realzuteilenden Mitunternehmerschaft ist nicht länger ein Hindernis für die steuerneutrale Gestaltung.

Obwohl die Entscheidung lediglich eine GbR betraf, gibt es keine Hinweise darauf, dass sie nicht grundsätzlich auf alle Personengesellschaften übertragbar ist. Die neue Auslegung des Realteilungsbegriffes als Mittel zur Umstrukturierung ist deshalb für alle Mitunternehmerschaften von Interesse, für die das steuerneutrale Ausscheiden einer Person(engruppe) als Strukturierungsproblem gleichermaßen häufig relevant wird.

Praxishinweis:

Da der III. Senat des BFH in seinen Gründen mitteilt, dass sowohl der IV. als auch der VIII. Senat – und damit die weiteren in Fragen der Besteuerung von Personengesellschaften maßgeblichen Senate des BFH – auf Nachfrage Ihre Übereinstimmung mit der Rechtsprechungsänderung erklärt haben, ist davon auszugehen, dass die neue Auslegung des Realteilungsbegriffes Bestand haben wird. Die geänderte Auslegung des Realteilungsbegriffes erweitert somit die Gestaltungsmöglichkeiten für eine sinnvolle Umstrukturierung in der Praxis.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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