Ein Verbraucher, der in seiner Wohnung oder an seinem Arbeitsplatz (sog. Haustürsituation) durch mündliche Verhandlungen zum Abschluss eines Vertrages bestimmt wird, kann diesen Vertrag innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen gegenüber dem Unternehmer widerrufen (§ 355 Abs. 1 BGB). In jüngster Zeit hatte sich die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Vermittlung von Realkreditverträgen durch selbstständige Vermittler mit der Frage zu befassen, ob und inwiefern eine Haustürsituation dem Erklärungsempfänger – regelmäßig einer Bank – zuzurechnen ist. Mit Urteil vom 20.Januar 2004 (WM, 2004, Seite 521) hat der Bundesgerichtshof bankenfreundlich entschieden. 

Der Fall:

Der Kläger wurde im Jahre 1998 von einem Vermittler überredet, zwecks Steuerersparnis eine vom Veräußerer noch zu sanierende Eigentumswohnung zu erwerben. Da kein Eigenkapital vorhanden war, schloss der Kläger mit einer ebenfalls von dem Vermittler ins Spiel gebrachten Bank einen entsprechenden Realkreditvertrag. Die Tilgung des Festdarlehens sollte über eine Kapitallebensversicherung erfolgen. Eine Widerrufsbelehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz in der damals geltenden Fassung wurde dem Kläger nicht erteilt. Der Kläger bestellte zur Sicherung des Kredits eine Grundschuld in Höhe des Darlehensbetrages, übernahm die persönliche Haftung in dieser Höhe und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung auch in sein Privatvermögen. Das Darlehen wurde auf ein Konto des Klägers bei der Beklagten ausgezahlt und zur Finanzierung des Immobilienerwerbs verwendet. Im Jahre 2000 widerrief der Kläger seine Darlehensvertragserklärung und stellte die Zinszahlungen auf das Darlehen ein. Als die Bank die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde betreiben wollte, wendete sich der Kläger hiergegen mit einer Vollstreckungsgegenklage und berief sich auf seinen wirksamen Widerruf nach Haustürwiderrufsgesetz.

Der Leitsatz:

Eine Haustürsituation im Sinne des § 1 Abs. 1 Haustürwiderrufsgesetz ist der kreditgebenden Bank bei steuersparenden Bauherren – und Erwerbermodellen nach den zu § 123 BGB entwickelten Grundsätzen nicht allein deshalb zuzurechnen, weil die Bank Kenntnis davon hat, dass die Eigentumswohnung nicht von einer Privatperson, sondern von einer gewerblich tätigen Bauträgergesellschaft über einen Vermittler verkauft und der Darlehensvertrag über ihn vermittelt wurde. Allein dieser Umstand lässt nicht den Schluss zu, dass die Darlehensvertragserklärungen der Kunden auf einer mündlichen Verhandlung ohne vorherige Bestellung an ihrem Arbeitsplatz oder in ihrer Privatwohnung beruhen, und verpflichtet die kreditgebende Bank auch nicht ohne weiteres zu einer Nachfrage über die Umstände der Vertragsanbahnung.

Die Begründung:

Wie bereits mit Urteil vom 12. September 2002 (WM 2003, 61, 63) greift der BGH bei der Beantwortung der Frage, unter welchen Vorraussetzungen eine Haustürsituation dem Erklärungsempfänger zuzurechnen ist, auf die zu § 123 BGB entwickelten Grundsätze zurück. Nach § 123 Abs. 1 BGB könne das Verhalten des Verhandlungsführers dem Erklärungsempfänger zugerechnet werden, wenn er dessen Angestellter, Mitarbeiter oder Beauftragter ist oder wenn er als dessen Vertrauensperson erscheint.

Ist der Verhandlungsführer aber – wie in den Fällen der unabhängigen Kreditvermittlung häufig – nur Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB, sei sein Handeln der finanzierenden Bank nur dann zuzurechnen, wenn sie dieses kannte oder kennen musste. Dabei genüge schon fahrlässige Unkenntnis, d.h., dass die Umstände des Falles die Bank veranlassen mussten, sich danach zu erkundigen, auf welchen Gegebenheiten die ihr übermittelte Willenserklärung beruht. Hierzu reiche es aber bei der Finanzierung eines Immobilienerwerbs durch eine Bank nicht aus, dass diese Kenntnis davon hat, dass die Immobilie durch eine gewerblich tätige Bauträgergesellschaft über einen Vermittler verkauft und der Darlehensvertrag über ihn vermittelt werde. Hieraus könne und müsse die Bank nicht ohne weiteres schließen, dass die Vertragsanbahnung im Rahmen einer Haustürsituation erfolgt sei.

Dieses Ergebnis stehe auch nicht im Widerspruch zu europarechtlichen Vorgaben, denn eine Zurechnung in entsprechender Anwendung des § 123 Abs. 2 BGB gehe ohnehin über die Vorgaben der Haustürgeschäfterichtlinie hinaus. Dessen Artikel 2 setze nämlich den Besuch eines Gewerbetreibenden oder seines Vertreters voraus. Eine dem § 123 Abs. 2 BGB entsprechende (weite) Regelung für die Zurechnung des Verhalten des Dritten kenne diese Richtlinie nicht.

Fazit:

Zwar besteht für Darlehensnehmer die leise Hoffnung, dass der EuGH in kürze die Rechtssprechung des BGH zur Rückabwicklung von Immobilienkrediten nach wirksam erklärtem Widerruf zu Gunsten der Verbraucher „kippen“ wird (vgl. mein hier veröffentlichter Beitrag vom 17.5.2004). Allerdings hat der BGH dem Widerruf von Realkreditverträgen nunmehr einen weiteren Riegel vorgeschoben, der nur schwer aufzubrechen sein dürfte. Ein Widerruf kann nur dann wirksam erklärt werden, wenn der Nachweis gelänge, dass die Bank Kenntnis von der tatsächlichen Haustürsituation bzw. Kenntnis von der Praxis des Vermittlers hatte. Dieser Nachweis wird in aller Regel nur schwer zu führen sein.

Verfasser: Rechtsanwalt Alexander Wolf, LL.M. (Panthéon-Sorbonne)

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • Anwalt des Jahres in NRW (Alexander Knauss) für Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2022)

  • TOP-Kanzlei für Bank- und Finanzrecht 
    (WirtschaftsWoche 2022)

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen