Die neue Finanzmarktrichtlinie MiFiD II, die Anfang Januar in Kraft getreten ist, enthält wesentliche Änderungen für Wertpapierdienstleister: So ersetzt im Recht der Wertpapieraufsicht die sog. „Geeignetheitserklärung“ ab sofort das bisherige Beratungsprotokoll. Bereits semantisch wird deutlich: Finanzberater müssen künftig „erklären“ und nicht mehr nur „protokollieren“.
Schon Anfang der 1990er Jahre hatte der Bundesgerichtshof in der sog. „Bond-Entscheidung“ (BGH, Urteil vom 06.07.1993 – XI ZR 12/93) – damals bahnbrechend – erkannt, dass der Anleger sowohl anleger- als auch objektgerecht beraten werden muss. Dies bedeutete in der Praxis: Bei der Anlageberatung musste zunächst der Wissensstand des Kunden festgestellt werden. Anschließend hatte der Berater ihm ausschließlich Anlageobjekte zu empfehlen, die diesen Kriterien Rechnung trugen (Geeignetheit i.e.S.).
Vor diesem Hintergrund ist die Geeignetheitserklärung in § 64 Abs. 4 WpHG n.F. nichts völlig Neues.
Mit Inkrafttreten der Finanzmarktrichtlinie MiFiD II müssen Finanzberater ihre Produktempfehlungen nicht mehr nur protokollieren, sondern deren Geeignetheit für den jeweiligen Kunden auch erklären.
Worauf es bei der Beratung künftig ankommt
Grundsätzlich gilt: In der Geeignetheitserklärung muss eine Zusammenfassung der im Rahmen der Beratung erteilten Empfehlungen festgehalten werden. Darüber hinaus ist zu begründen, weshalb dem konkreten Anleger eine bestimmte Empfehlung gegeben wurde. Gemäß § 64 Abs. 4 S. 2 WpHG n.F. muss die Geeignetheitserklärung zudem berücksichtigen, wie die Beratungsleistung auf die Präferenzen, Anlageziele und sonstigen Merkmale des Kunden abgestimmt wurde. Es reicht also nicht aus, nur die Beratung zu nennen.
Wichtig: Die Geeignetheitserklärung muss dem Anleger vor Vertragsschluss auf einem Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Diese Regelung kann demnach nur einschlägig sein, wenn es zu einem Vertrag kommen soll, der Berater also einen Kauf oder Verkauf empfiehlt.
Nicht gesetzlich geregelt hingegen ist die Situation, dass weder zu Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers geraten wird, also gar kein Vertragsschluss (über den Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers) im Sinne des § 64 Abs. 4 S. 1 WpHG n.F. vorliegt. Dies wäre der Fall, wenn der Berater beispielsweise empfiehlt, die weitere Marktentwicklung abzuwarten oder aber das Wertpapier zu halten. Aber auch in diesen Fällen dürfte die Geeignetheitserklärung jedenfalls zu erstellen sein, vgl. Erwägungsgrund 87 der Delegierten Verordnung 2017/565 .
Auf Ebene der hierzu korrespondierenden nationalen Verwaltungsrichtlinien, hier die sog. MaComp („Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen“) ist der Zeitraum noch nicht abschließend geklärt, binnen dessen die Geeignetheitserklärung dem Kunden zur Verfügung gestellt werden muss. Derzeit sieht der noch in der Konsultation befindliche Entwurf einer den neuen europäischen Vorgaben angepassten MaComp Folgendes vor: Folgt auf die Anlageberatung kein Vertragsschluss, muss dem Kunden die Geeignetheitserklärung spätestens fünf Werktage nach der Anlageberatung zugehen.
Bei telefonischer oder elektronischer Beratungsleistung kann die Geeignetheitserklärung ausnahmsweise auch nach dem Vertragsschluss erfolgen.
Regelungen für die telefonische oder elektronische Beratung
Erfolgt die Beratung unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln, beispielsweise telefonisch, so darf die Geeignetheitserklärung auch ausnahmsweise unmittelbar nach Vertragsschluss zur Verfügung gestellt werden,
- sofern das konkret genutzte Fernkommunikationsmittel das Zurverfügungstellen der Geeignetheitserklärung nicht vor Vertragsschluss erlaubt,
- der Kunde zugestimmt hat, dass die Geeignetheitserklärung unverzüglich zur Verfügung gestellt wird und
- der Berater dem Kunden angeboten hat, die Ausführung des Geschäftes zu verschieben, damit der Kunde die Möglichkeit hat, die Geeignetheitserklärung zuvor zu erhalten.
Auch hier sieht der Entwurf der geänderten MaComp (s.o.) vor, dass das Zurverfügungstellen der Geeignetheitserklärung spätestens fünf Werktage nach Vertragsschluss erfolgen muss.
In Fällen, in denen beispielsweise die Beratung ausschließlich per E-Mail oder Live-Chat erfolgt, liegt zwar auch ein Einsatz sog. Fernkommunikationsmittel vor. Hier dürfte aber nach der vorbezeichneten Regelung die Geeignetheitserklärung dennoch vor Vertragsschluss zu übermitteln sein, da hier – anders etwa als bei ausschließlich telefonischer Beratung – die Geeignetheitserklärung aufgrund des konkret genutzten Fernkommunikationsmittels, hier durch eine E-Mail oder durch Einstellen in den Chatroom, dem Kunden vor Vertragsschluss technisch durchaus zur Verfügung gestellt werden kann. Demnach dürfte das nachträgliche Zurverfügungstellen der Geeignetheitserklärung vor allem bei der telefonischen Beratung praktische Bedeutung erlangen.
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