Der EuGH hat sich kürzlich mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Leasingvertrag als Miete oder als Kauf anzusehen ist (Urteil vom 04.10.2017 – C-164/16). Diese Differenzierung ist maßgeblich, um einen Vertrag umsatzsteuerrechtlich korrekt einzuordnen. Denn ist der Vertrag als Mietvertrag und damit als „Dienstleistung“ im Sinne der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: MwStSystRL) zu qualifizieren, fällt die Mehrwertsteuer bei jeder monatlichen Ratenzahlung an. Ist hingegen von den Parteien ein Eigentumsübergang bei Ende der Vertragslaufzeit beabsichtigt, stellt dies eine „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne der Richtlinie dar. Die Folge: Die gesamte Steuer wird bei der Fahrzeugübergabe fällig.
Wann die Mehrwertsteuer bei einem Fahrzeug anfällt, hängt davon ab, ob es per Leasingvertrag gekauft oder gemietet wurde.
Die vertragliche Ausgestaltung des Leasingvertrags ist maßgeblich
In dem konkreten Fall ging es um drei Verträge der Mercedes-Benz Financial Services UK mit Sitz im Vereinigten Königreich, welche diese standardmäßig zur Finanzierung und Nutzung von Kraftfahrzeugen verwendete. Bei sämtlichen Verträgen bleibt die Mercedes-Benz Financial Services UK während der gesamten Vertragsdauer Eigentümerin des Fahrzeugs, der Mieter leistet monatliche Raten. Die Verträge unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Möglichkeit sowie der Art und Weise, das Fahrzeug zu erwerben. Unproblematisch ist die Einordnung des Standardmietvertrags („Leasing“) als Dienstleistung sowie des „Hire Purchase“-Vertrags als Kauf. Anders beim sog. „Agility“-Vertrag: Es handelt sich hierbei um einen Mietvertrag mit Kaufoption, bei dem der Leasingnehmer den Gegenstand wie ein Eigentümer nutzen kann, ohne den gesamten Kaufpreis bei Übergabe zahlen zu müssen. Die monatlichen Raten betragen insgesamt nur ca. 60 Prozent des Fahrzeugpreises einschließlich der Finanzierungskosten. Für den Fall, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug erwerben will, muss er noch ca. 40 Prozent des Kaufpreises zahlen.
Die konkrete Ausgestaltung der Erwerbsmöglichkeit des Leasingfahrzeugs wirkt sich auf die umsatzsteuerrechtliche Einordnung des Vertrags aus: Handelt es sich bei dem Vertrag um die „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne des Artikel 14 Abs. 2 Buchstabe b MwStSystRL, ist die vollständige Steuer zum Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe zu entrichten. Ist der Vertrag hingegen als „Dienstleistung“ anzusehen, da dieser nicht zwingend einen Eigentumsübergang vorsieht, entsteht der Mehrwertsteueranspruch jeweils monatlich.
Lieferung oder Dienstleistung? Feststellungen des EuGH
Der EuGH hatte bis dato die Abgrenzung zwischen „Lieferung“ und „sonstiger Leistung“ wie folgt vorgenommen: Eine Lieferung lag vor, wenn der Gegenstand am Ende der Vertragslaufzeit auf den Leasingnehmer übertragen wird oder der Leasingnehmer über wesentliche Elemente des Eigentums verfügt, insbesondere wenn die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Gegenstandes entspricht (vgl. EuGH, v. 02.07.2015 – C-209/14). Der EuGH räumte hier dem nationalen Gesetzgeber bei der Würdigung einen gewissen Spielraum ein.
Der Europäische Gerichtshof mit Sitz in Straßburg hat entschieden, dass ohne Optionsrecht des Leasingnehmers stets der Leasinggeber Eigentümer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn bleibt.
Nunmehr hält der EuGH Folgendes fest: Für die Bejahung einer „Lieferung“ im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist es erforderlich, dass bereits bei Vertragsschluss der Übergang des Eigentums an dem Gegenstand bei planmäßiger Vertragsdurchführung quasi automatisch erfolgt. Diese Voraussetzung liegt auch dann vor, wenn der Leasingnehmer/Mieter die Möglichkeit hat, das Eigentum gegen einen Optionspreis zu erwerben. Hier ist jedoch darüber hinaus erforderlich, dass der Vertrag dem Leasingnehmer/ Mieter keine „echte wirtschaftliche Alternative in dem Sinne bietet, dass er zu dem Zeitpunkt, an dem er eine Wahl zu treffen hat, je nach Interessenslage den Gegenstand entweder erwerben, dem Leasinggeber zurückgeben oder weiter mieten kann“. Eine „echte wirtschaftliche Alternative“ liegt nach den Ausführungen des EuGH z.B. dann vor, „wenn nach dem Vertrag zu dem Zeitpunkt, zu dem die Option ausgeübt werden darf, die Summe der vertraglichen Raten dem Verkehrswert des Gegenstands einschließlich der Finanzierungskosten entspricht und der Leasingnehmer wegen der Ausübung der Option nicht zusätzlich eine erhebliche Summe entrichten muss“.
Fazit
Den sog. „Leasing-Erlassen“, die zum Teil bei Überschreiten bestimmter Grenzen ohne zivilrechtliche Eigentumsübertragung eine steuerliche Eigentümerstellung des Leasingnehmers annehmen, kann insofern wohl nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden. Ohne Optionsrecht des Leasingnehmers bleibt nach dem EuGH stets der Leasinggeber der Eigentümer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn.
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