In einer Reihe wohl bahnbrechender Entscheidungen hat sich der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) nun gegen die bisherige Rechtsprechung des XI. Zivilsenates zu kreditfinanzierten Immobilien und Immobilienfondsbeteiligungen gewandt und festgestellt, dass Banken gegen Anleger, die einem kreditfinanzierten geschlossenen Immobilienfonds beigetreten sind, unter bestimmten Voraussetzungen keinen Anspruch auf Erfüllung der Darlehensverbindlichkeiten haben.  

Zum Hintergrund:

Nach der Arbeitsteilung des BGH war bisher der XI. Senat, der so genannte Bankensenat, in der Regel die letzte Instanz für geschädigte Anleger, die dort aber regelmäßig scheiterten. Selbst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wurde vom XI. Senat zu Gunsten der Banken ausgehebelt: Ende 2001 hatte der EuGH bestätigt, dass für Erwerber einer Immobilie, die zu Hause zur Unterschrift unter den Darlehensvertrag überredet wurden, das Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz gilt. Das war bis dahin unter deutschen Juristen umstritten. Daraufhin gestand der XI. Senat den Käufern zwar das Widerrufsrecht zu, gab ihnen aber letztlich „Steine statt Brot“: Denn nach Auffassung des XI. Senats mussten die Anleger den gesamten Kredit auf einen Schlag einschließlich marktüblicher Zinsen zurückzahlen. Für die Besitzer von „Schrottimmobilien“, die meist nur noch einen Bruchteil des dafür aufgenommen Darlehens wert sind, war dies jedoch meist nicht möglich, so dass den Anlegern das Widerrufsrecht faktisch nichts nutzte. Die Entscheidungspraxis des XI. Zivilsenats wurde denn auch von Anlegerschützern und Juristen scharf kritisiert.

 

Schließlich fasste sich das Landgericht Bochum ein Herz und legte dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob die vom XI. Zivilsenat praktizierte Rechtsanwendung nicht ihrerseits gegen europäisches Recht verstoße. Zwar ist hierüber noch keine Entscheidung des EuGH ergangen, der Stellungnahme der Europäischen Kommission wie auch dem Gang der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH zufolge ist aber mit einer verbraucherfreundlichen Entscheidung zu rechnen.

 

Beim II. Zivilsenat des BGH standen nun eine Reihe von Verfahren zur Entscheidung an, in denen es um kreditfinanzierte Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds ging. Der II. Zivilsenat nutzte die Gunst der Stunde, läutete eine verbraucherfreundlichere Rechtsprechung ein und ging auf Konfrontationskurs zum XI. Zivilsenat.

Zum Sachverhalt:

Die betroffenen Fonds waren in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts gegründet worden. Geschäftsgegenstand war jeweils die Errichtung und Vermietung von Gebäuden, vornehmlich in den neuen Bundesländern. Die Anfangsverluste sollten den Anlegern steuerlich zugewiesen werden, um Steuervorteile erzielen zu können. Für den Beitritt sollte kein Eigenkapital erforderlich sein. Vielmehr boten die von den Initiatoren eingeschalteten Anlagevermittler den Interessenten Bankkredite an. Teilweise hatten die Banken dazu ihre Kreditformulare den Anlagevermittlern überlassen. Die monatlichen Zins- und Tilgungsraten sollten nach den von den Initiatoren herausgegebenen Prospekten im wesentlichen aus den Mieterträgen gezahlt werden. Um diese sicherzustellen, hatten von den Initiatoren gegründete Gesellschaften Mietgarantien übernommen. Für die Anlageprojekte wurden Personen geworben, die teilweise nur durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Einkommen hatten. Die Werbegespräche fanden häufig in den Privatwohnungen statt.

In der Folgezeit gingen die finanziellen Erwartungen nicht in Erfüllung. Ein großer Teil der Anlagegelder war nicht in die Immobilien geflossen, sondern von den Initiatoren vereinnahmt worden. Die angekündigten Mieten erwiesen sich als unrealistisch und wurden nicht annähernd erreicht. Die Mietgarantien stellten sich als wertlos heraus, weil die kapitalschwachen Mietgaranten in Konkurs fielen. Daraufhin stellten die Anleger ihre Zahlungen ein und verlangten von den Banken Rückzahlung der bereits geleisteten Zahlungen. Die Banken bestanden dagegen auf der weiteren Erfüllung der Kreditverträge. In den nachfolgenden Rechtsstreitigkeiten haben die Oberlandesgerichte nahezu durchweg den Banken Recht gegeben.

Die Entscheidung des BGH:

Auf die Revisionen der Anleger hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile aufgehoben und dabei allgemeine Rechtsgrundsätze für die Abwicklung kreditfinanzierter Fondsbeteiligungen aufgestellt.

Danach gelten der Fondsbeitritt und der im Zusammenhang damit von dem Anlagevermittler angebahnte Kreditvertrag als verbundenes Geschäft iSd. Verbraucherkreditgesetzes (dieses Gesetz ist mittlerweile als §§ 355 ff. in das BGB eingefügt worden). Die Bank muss sich deshalb alle Einwendungen entgegenhalten lassen, die der Anleger gegen die Fondsverantwortlichen hat. Da diese wegen Täuschung des Anlegers verpflichtet sind, ihn so zu stellen, als wäre er dem Fonds nie beigetreten und als hätte daher den Kreditvertrag nie geschlossen, hat die Bank keinen Zahlungsanspruch gegen den Anleger. Umgekehrt hat der Anleger einen Anspruch gegen die Bank auf Rückzahlung all dessen, was er aus seinem eigenen Vermögen – nicht aus den Erträgnissen des Fonds – an die Bank gezahlt hat. Dafür muss er seine Ansprüche gegen den Fonds und die Fondsverantwortlichen an die Bank abtreten und sich etwaige Steuervorteile anrechnen lassen.

Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich aus dem Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften (mittlerweile § 312 BGB) in den Fällen, in denen die Verträge in der Wohnung des Anlegers geschlossen oder angebahnt worden sind. Danach hat der Anleger das Recht, seine Vertragserklärungen zu widerrufen. Wenn er darüber nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist – wie in den entschiedenen Fällen -, besteht dieses Widerrufsrecht zeitlich unbefristet und kann auch noch nach Jahren ausgeübt werden.

In der Regel haben die Anleger die Vertragserklärungen nicht selbst abgegeben, sondern sind dabei von einem Treuhänder vertreten worden. Dieser Treuhänder war von den Initiatoren des Fonds von vornherein bestimmt worden. Die Anleger hatten für ihn eine umfassende Vollmacht zu unterzeichnen. Der Senat hat – in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung – angenommen, daß diese Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig ist, falls der Treuhänder – wie üblich – kein Rechtsanwalt ist und keine Erlaubnis zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten hat. Dagegen hat er gegen die Rechtsprechung anderer Senate zur Heilung dieses Vollmachtsmangels nach Rechtsscheinsgesichtspunkten Bedenken geäußert. Dabei hat er auf die Besonderheit abgestellt, dass der Treuhänder – wie der Bank bekannt ist – nicht von dem Anleger als seine Vertrauensperson ausgewählt, sondern ihm von den Initiatoren des Fonds vorgegeben wird. Letztlich konnte der Senat diese Streitfrage aber offen lassen, weil schon die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Heilung des Vollmachtsmangels nach Rechtsscheinsgesichtspunkten nicht erfüllt waren. Damit sind diese Kreditverträge auch deshalb unwirksam, weil sie von einem vollmachtlosen Vertreter geschlossen worden sind. Wiederum schuldet der Anleger nicht Rückzahlung des Kredits, sondern nur Abtretung seiner Fondsbeteiligung an die Bank.

Schließlich enthielten die schriftlichen Kreditverträge in einigen Fällen nicht die Mindestangaben zu den Kreditbedingungen, wie sie durch das Verbraucherkreditgesetz vorgeschrieben sind. Auch das führt zur Unwirksamkeit der Verträge. Eine Heilung durch Auszahlung des Kredits – wie im Verbraucherkreditgesetz vorgesehen – ist nicht eingetreten, weil der Kredit nicht an den Anleger, sondern an die Fondsgesellschaft geflossen ist. Auch spielte es keine Rolle, dass die Fondsgesellschaft bereits zuvor auf dem zu bebauenden Grundstück ein Grundpfandrecht zur Sicherung der Bank bestellt hatte. Zwar kommen die Schutzvorschriften des Verbraucherkreditgesetzes bei sog. Realkrediten, also Krediten, die grundpfandrechtlich gesichert sind, nicht zur Anwendung. Das gilt nach Auffassung des II. Zivilsenats aber nicht, wenn das Grundpfandrecht schon bestellt worden ist, bevor der Anleger dem Fonds beigetreten ist.

Danach haben Privatpersonen, die entweder durch Täuschung oder in ihrer Wohnung oder unter Beteiligung eines nicht zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten zugelassenen Treuhänders oder ohne hinreichende Belehrung über die Kreditkonditionen zu einem kreditfinanzierten Fondsbeitritt bewogen worden sind, grundsätzlich keine Zahlungspflichten gegenüber der Bank. Wegen der Berechnung der Rückzahlungsansprüche hat der Senat die Sachen jeweils an die Oberlandesgerichte zurückverwiesen.

Bewertung der Entscheidung:

Die Entscheidung ist hoffentlich als Auftakt zu einer verbraucherfreundlicheren Rechtsprechung in Bezug auf kreditfinanzierte Immobilien / -fondsbeteiligungen zu sehen und bietet den betroffenen Anlegern eine Vielzahl von Ansatzpunkten, sich von ihren „Schrottimmobilien“ zu lösen.

Auf keinen Fall sollten betroffene Anleger sich nun ohne weiteres auf ihnen vielfach übersandte Angebote ihrer Bank zur Reduzierung der Darlehenssumme o.ä. einlassen oder gar Verlängerungen oder Bestätigungen ihres Kreditvertrages unterzeichnen. Denn oft verlieren sie dadurch etwa bestehende Widerrufsrechte.

Wer eine solche Immobilie oder Fondsbeteiligung besitzt, sollte auf jeden Fall einen spezialisierten Anwalt aufsuchen und sich beraten lassen. 

Verfasser: RA Alexander Knauss

(Quelle: Pressemitteilung des BGH sowie eigene Ergänzungen)

 

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • Anwalt des Jahres in NRW (Alexander Knauss) für Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2022)

  • TOP-Kanzlei für Bank- und Finanzrecht 
    (WirtschaftsWoche 2022)

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