Die von Verbraucherschützern lange ersehnte Musterfeststellungsklage ist vergangene Woche in Kraft getreten. Ihr Ziel ist es, die Interessen von Verbrauchern zu bündeln, um gemeinsam gegen Unternehmen vorgehen zu können. Ansprüche können mit dem neuen Verfahren künftig auch dann geltend gemacht werden, wenn die Kosten hoch oder die Chancen gering erscheinen. In solchen Fällen scheuten Verbraucher bisher das Prozessrisiko und verzichteten lieber ganz auf eine Klage. Damit soll nun Schluss sein.

Ganz neu ist diese Idee allerdings nicht: Die Musterfeststellungsklage entspricht in vielen Elementen einem Verfahren, das schon lange im Bank- und Kapitalmarktrecht existiert: das Kapitalanlegermusterverfahren (KapMuG). Dieses wurde im Jahr 2005 vor dem Hintergrund der Flut von Telekom-Anlegerklagen eingeführt. Seither kam es auch in vielen anderen Fällen zum Einsatz. Mit der Musterfeststellungsklage hat der Gesetzgeber nun ein ähnliches Verfahren auch für Fälle außerhalb des Bank- und Kapitalmarktrechts geschaffen.


Mit der Musterfeststellungsklage können die Interessen von Verbrauchern künftig gebündelt werden, um gemeinsam gegen Unternehmen vorgehen zu können. Klagen dürfen allerdings vorerst nur anerkannte Verbände. 

Wer darf klagen?

Anders als im Rahmen des KapMuG können Musterfeststellungsklagen nur von anerkannten Verbänden wie beispielsweise den Verbraucherzentralen oder dem Deutschen Mieterbund erhoben werden, die

  • als Mitglieder mindestens 350 natürliche Personen oder zehn Verbände haben, die im gleichen Aufgabengebiet tätig sind;
  • mindestens vier Jahre in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen sind;
  • zu deren satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen gehört, die weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeit ausgeübt wird;
  • Musterfeststellungsklagen nicht zur Gewinnerzielung erheben und
  • maximal 5 Prozent ihrer finanziellen Mittel von Unternehmen erhalten (was auf Anforderung des Gerichts nachgewiesen werden muss).

Voraussetzung für eine Musterfeststellungsklage ist außerdem, dass

  • die Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern von den Feststellungszielen abhängen;
  • binnen zwei Monaten nach öffentlicher Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage mindestens 50 Verbraucher ihre Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister wirksam angemeldet haben. Die Anmeldung erfolgt in Textform gegenüber dem Bundesamt für Justiz. Die zur Anmeldung erforderlichen Angaben (siehe § 608 ZPO) werden ohne inhaltliche Prüfung in das Klageregister eingetragen. Es genügt die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben.

Die Rahmenbedingungen der Klage:

Ist eine Musterfeststellungsklage anhängig, kann gegen das beklagte Unternehmen keine weitere Musterfeststellungsklage erhoben werden, die denselben Lebenssachverhalt und die gleichen Feststellungsziele zum Gegenstand hat.

Für das Musterfeststellungsverfahren gelten im Wesentlichen die gleichen Vorschriften wie für andere Verfahren vor den Zivilgerichten.

Ein rechtskräftiges Feststellungsurteil bindet die zur Entscheidung berufenen Gerichte in einem Rechtsstreit zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem beklagten Unternehmen, soweit dessen Entscheidung die Feststellungsziele und denselben Lebenssachverhalt betrifft (§ 613 ZPO).

Wird zwischen den Parteien des Musterfeststellungsverfahrens ein Vergleich geschlossen, bedarf dieser – anders als in normalen Zivilverfahren – der Genehmigung durch das Gericht. Damit soll sichergestellt werden, dass der Vergleich auch tatsächlich angemessene Regelungen zur gütlichen Beilegung des Verfahrens enthält. Denn der Vergleich hat auch für alle angemeldeten Verbraucher Wirkung. Diese können innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung des genehmigten Vergleichs ihren Austritt schriftlich gegenüber dem Gericht erklären. Treten weniger als 30 Prozent aus, kommt der Vergleich wirksam zustande (§ 611 ZPO).

Gegen Musterfeststellungsklagen gibt es nur das Rechtsmittel der Revision. Dabei haben Musterfeststellungsklagen stets grundsätzliche Bedeutung, sodass die Revision in jedem Fall zuzulassen ist (§ 614 ZPO).

Bewertung

Ob die Musterfeststellungsklage künftig Unternehmen jeder Größe zittern lässt, ist schwerlich vorhersehbar. Fest steht aber: Sie vereinfacht es Verbrauchern erheblich, ihre Ansprüche gegen große Unternehmen geltend zu machen. Erste Musterfeststellungsklagen im Zusammenhang mit Dieselgate gibt es bereits gegen mehrere Autohersteller. Wegen der engen Voraussetzungen, unter denen Verbände überhaupt klagebefugt sind, werden vermutlich nur wenige Kläger bundesweit in Betracht kommen. Und diese werden voraussichtlich zunächst Fälle von größerer Bedeutung ins Visier nehmen.

Andererseits gibt es bereits erste Portale wie DeineKlage.de, die Verbrauchern dabei helfen sollen, Themen vorzuschlagen und sich untereinander zu vernetzen. Vermutlich werden auch die großen Verbände bald mit entsprechenden Plattformen nachziehen. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch kleinere Unternehmen ins Visier einer Musterfeststellungsklage geraten können.

In jedem Fall sollte bei Schadensfällen mit potenziell mindestens 50 Betroffenen rechtzeitig erfahrene rechtliche Beratung eingeholt werden. Nur so lässt sich frühzeitig eine geeignete Strategie zur Abwehr von Ansprüchen bzw. zum Umgang mit diesen Fällen entwickeln. Das gilt übrigens nicht nur, wenn eine Musterfeststellungsklage droht.

Das Dezernat Bankrecht von MEYER-KÖRING ist spezialisiert auf Zivilverfahren, die viele Kunden gleichermaßen betreffen. Unsere Anwältinnen und Anwälte verfügen über langjährige Erfahrung beim Entwickeln entsprechender Prozessstrategien und der bundesweiten Abwehr von Ansprüchen betroffener Kunden bei gescheiterten Kapitalanlagen, darunter auch KapMuG-Verfahren, die der Musterfeststellungsklage strukturell sehr ähnlich sind (s.o.).

Gerne dürfen Sie auf diese umfassende Erfahrung auch in Fällen außerhalb des Bankrechts zurückgreifen.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • Anwalt des Jahres in NRW (Alexander Knauss) für Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2022)

  • TOP-Kanzlei für Bank- und Finanzrecht 
    (WirtschaftsWoche 2022)

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