Für alle Kreditnehmer, die entgegen der ursprünglichen Planung das mit der kreditierenden Bank vertraglich vereinbarte Darlehen entweder gar nicht abnehmen oder aber aus welchen Gründen auch immer vorzeitig zurückführen, stellt sich die Frage nach den sich hieraus ergebenden Kosten. Banken berechnen in diesen Fällen Nichtabnahmeentschädigungen oder auch Vorfälligkeitsentschädigungen, denen der Kreditnehmer in aller Regel mangels Kenntnis der Rechtslage und der anzuwendenden mathematischen Formeln nichts entgegensetzen wird. Wohl oder übel zahlen die meisten Kunden den von der Bank errechneten Betrag. Dass diese Berechnungen nicht immer stimmen und sich je nach Höhe und vereinbarter Laufzeit des Darlehens von der tatsächlich geschuldeten Entschädigung erheblich entfernen können, zeigt einmal mehr die vorliegende Entscheidung, nachdem der BGH bereits mit Urteil vom 07.11.2000 (Az.: XI ZR 27/00) klare Leitlinien für die Berechnung aufgezeigt hatte.

 

Der Fall:

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach vorzeitiger Ablösung eines Realkredits über 8,3 Mio. DM zu 7,35 % Zinsen mit einer Laufzeit von 10 Jahren bis zum 31. Mai 1999 zu entscheiden. Nach lastenfreier Veräußerung des belasteten Gewerbegrundstücks bat die Kreditnehmerin Anfang 1994 um vorzeitige Ablösung des Annuitätendarlehens gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Die kreditgebende Hypothekenbank stimmte dem zu. Sie berechnete die Vorfälligkeitsentschädigung, durch die sie so gestellt werden soll, als ob der Darlehensvertrag  bis zum 31. Mai 1999 vereinbarungsgemäß durchgeführt worden wäre, ausgehend von der Wiederanlage der vorzeitig zurückerlangten Darlehensvaluta zu Renditen des sog. PEX-Index. Die Kreditnehmerin wünscht demgegenüber eine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der Monatsrenditen aus der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank.

 

Dem PEX-Index liegt ein Portfolio von 30 synthetischen Pfandbriefen mit drei verschiedenen Kupons von 6 %, 7,5 % und 9 % und verschiedenen Laufzeiten von einem bis zu 10 Jahren zugrunde. Für diese synthetischen Pfandbriefe melden die Hypothekenbanken täglich ihre Renditen, zu denen sie Pfandbriefe tatsächlich emittiert haben bzw. emittieren möchten. Es werden also nicht nur reale Umsätze berücksichtigt, sondern auch bloße Angebote, in die subjektive Einschätzungen und Wünsche von Hypothekenbanken einfließen können.  Berücksichtigt werden im PEX-Index in jedem Falle nur die Briefrenditen, dh. Verkaufskurse Pfandbriefe emittierender Hypothekenbanken. Geldkurse (Kaufkurse), in denen sich die Vorstellungen auch von Pfandbriefkäufern widerspiegeln, bleiben beim PEX-Index unbeachtet. Da Hypothekenbanken, die sich durch die Veräußerung von Pfandbriefen möglichst günstig refinanzieren wollen, also an möglichst geringen Renditen der Pfandbriefkäufer interessiert sind, besteht die Gefahr, daß der PEX-Index zu niedrige Renditen ausweist. Dies führt bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu Forderungen an den Kreditnehmer, die den tatsächlichen Nachteil von Hypothekenbanken aus der vorzeitigen Ablösung von Realkrediten übersteigen.

 

Die Entscheidung des BGH: 

Wegen dieser systemimmanenten Schwächen des PEX-Index und der daraus resultierenden ungerechtfertigten Vorteile von Hypothekenbanken hat sich der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 30. November 2004 – XI ZR 285/03 gegen eine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der (Wiederanlage-)Renditen des PEX-Index ausgesprochen und eine Berechnung anhand der Renditen aus der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank befürwortet. Diese Renditen resultieren aus realen Umsätzen von Pfandbriefen an der Börse. Sie sind für Hypothekenbanken bei der Wiederanlage der vorzeitig zurückerlangten Darlehensvaluta ohne weiteres erzielbar, wenn sie an der Börse emittierte Pfandbriefe zurückkaufen.

 

Konsequenz für die Praxis:

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs führt zu einer erheblichen Ermäßigung der von der beklagten Hypothekenbank beanspruchten Vorfälligkeitsentschädigung. Kreditnehmer sollten deshalb bei vorzeitiger Ablösung von Realkrediten die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung genau prüfen. Ggf. sollte ein Rechtsanwalt oder Steuerberater hinzugezogen werden.

 

Für weitere Fragen wenden Sie sich gerne an bonn@mkvdp.de.

 

Verfasser: RA Alexander Knauss

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs 

 

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