Die Regelungen des ErbStG i.d.F. des WBG 2009 betreffend den Erwerb von Privatvermögen und den Steuersatz sind über den 30. Juni 2016 hinaus weiter anwendbar.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem am 11. November 2021 veröffentlichten Urteil vom 6. Mai 2021 entschieden, dass auch sämtliche Erbfälle ab dem 1. Juli 2016 der Erbschaftsteuer uneingeschränkt unterliegen, soweit es um den Erwerb von Privatvermögen geht. Wesentliche – vom BFH zu klärende – Frage war in diesem Zusammenhang, ob der deutsche Gesetzgeber im November 2016 die erbschaftsteuerrechtlichen Regelungen rückwirkend ab dem 1. Juli 2016 in Kraft setzen durfte.

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Keine Erbschaftsteuerpause beim Privatvermögenserwerb (Copyright: Stockfotos-MG/adobe.stock).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte bereits im Dezember 2014 geurteilt, dass das bis dato geltende Erbschaftsteuerrecht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig war, es aber bis zu einer Neuregelung durch den Bundesgesetzgeber weiter angewendet werden durfte. In dem höchstrichterlichen Urteil wurde der Gesetzgeber durch die Karlsruher Richter zudem verpflichtet, bis zum Ablauf des 30. Juni 2016 eine verfassungskonforme Neuregelung in das ErbStG aufzunehmen.

Verzögertes Gesetzgebungsverfahren zur Erbschaftsteuer-Reform

Der Gesetzgeber kam den Vorgaben des BVerfG nur mit zeitlicher Verzögerung nach, indem er das Gesetz zur Erbschaftsteuer-Reform erst im November 2016 beschloss und verkündete – allerdings mit zeitlicher Rückwirkung zum 1. Juli 2016.

In dem vom BFH zu entscheidenden Sachverhalt trat der Erbfall für die Klägerin am 28. September 2016 und damit vor Beschlussfassung der Erbschaftsteuer-Reform, aber wiederum nach dem 1. Juli 2016 ein. Das an die Klägerin ergangene Erbe bestand ausschließlich aus Privatvermögen der verstorbenen Erblasserin.

Da das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Erbschaftsteuerrechts zum Zeitpunkt des Erbfalles noch nicht abgeschlossen war (s.o.), war die Klägerin der Ansicht, dass ihr Erwerb nicht der Erbschaftsteuer unterliege, weil die Rückwirkung der Neuregelung zur Erbschaftsteuer auf den 1. Juli 2016 unzulässig und in verfassungswidriger Weise gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoße.

Anwendbarkeit der bisherigen Erbschaftsteuerregelungen

Der BFH schloss sich der Rechtsauffassung der Klägerin nicht an. Da das BVerfG entschieden habe, dass das bisherige Erbschaftsteuerrecht bis zu seiner Neuregelung Anwendung finde, sei auch die Festsetzung der Erbschaftsteuer für das erworbene Privatvermögen auf Grundlage der bestehenden Gesetzesregelungen zur Erbschaftsteuer rechtmäßig gewesen.

Entscheide – so der BFH in seinem Urteil – das BVerfG, dass das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar und der Gesetzgeber bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einer Neuregelung verpflichtet sei, seien die verfassungswidrigen Regelungen entsprechend der Tenorierung unabhängig vom Fristlauf für den Gesetzgeber bis zur tatsächlichen Neuregelung anwendbar. Daher seien die Bestimmungen des ErbStG im Hinblick auf den Erwerb von Privatvermögen sowie den zugrunde zu legenden Steuersatz über den 30. Juni 2016 hinaus anwendbar, ohne durch eine spätere rückwirkende Regelung ersetzt zu werden.

Es bedurfte daher vom BFH auch keiner Entscheidung, ob das BVerfG nur die Regelungen über den Erwerb von Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG 2008 i.V.m. der Tarifnorm des § 19 Abs. 1 ErbStG 1997 für verfassungswidrig erklären wollte und § 19 Abs. 1 ErbStG 1997 für den Übergang von Privatvermögen schon deshalb auch über den 30. Juni 2016 hinaus weiter anwendbar ist oder ob das BVerfG aufgrund der Tatsache, dass § 19 Abs. 1 ErbStG 1997 als Klammervorschrift auch auf den Erwerb von Privatvermögen Anwendung findet, ebenso die übrigen – auf den Erwerb von Privatvermögen anwendbaren – Regelungen des ErbStG für verfassungswidrig erklärt hat.

Da es im vorliegenden Sachverhalt überdies nur um den Erwerb von Privatvermögen ging, konnte der BFH auch offen lassen, ob die im Jahr 2016 geänderten Bestimmungen zum Betriebsvermögenserwerb verfassungsrechtlich bedenklich sein könnten oder nicht.

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